Herr Stroot, in Ihrem Kriminalroman „Ich will nur spielen“ ermordet ein Täter Frauen auf ziemlich krasse Weise. Die ermittelnden Kripo-Beamten nennen ihn deshalb „Oculus“.
Im Lateinischen bedeutet oculus Auge. Und da mein Täter seinen Opfern die Augäpfel entnimmt – das wird nicht in Einzelheiten beschrieben –, habe ich mich für diesen Namen entschieden, damit ich nicht immer von Täter, Mörder oder ihm sprechen muss. Wieso er das tut, wird im Verlauf der Geschichte klar.
Was ist den Opfern noch gemeinsam, außer dass er ihnen die Augen herausoperiert?
Alle Frauen stammen aus dem gleichen Ort und sind im selben Alter. Außerdem gibt es eine Verbindung zwischen ihnen, die Maik Michalski erst noch herausfinden muss.
Was sind das für Gegenstände aus Spielen, die die toten Frauen in den Händen halten?
Ich habe mich für Spiele aus Kindertagen entschieden. So kommen ein Würfel, ein Mühlestein, eine Memorykarte und auch ein Pik-Ass (Mau Mau) vor.
Mit der Ermittlung in dem Fall wird Maik Michalski beauftragt. Was ist er für ein Mensch?
Bei der Erstellung des Charakters von Maik war es mir sehr wichtig, einen Kommissar zu schaffen, der fernab von dem ist, was man sonst in Krimis und Thrillern vorfindet. Die dortigen Ermittler neigen zu Alkohol, ecken stets an, haben kein soziales Umfeld und die Frauen verlassen sie meistens oder haben kein gutes Verhältnis zu ihrem Mann. Dazu das ständige nervöse Rauchen.
Maik dagegen ist ein sympathischer offener Mann, der mit eigentlich jedem klarkommt und gesund lebt. Er tritt freundlich auf und lässt seine Launen nicht an anderen aus. Er liebt seinen Job, ist aber auch ein absoluter Familienmensch. Natürlich kann auch er aufbrausend sein und hat seine eigenen Probleme, doch die stehen für ihn nicht im Vordergrund, was hinderlich sein kann.
Maik hat sich bewusst von Berlin ins brandenburgische Land versetzen lassen, doch für den Oculus-Fall bekommt er ausgerechnet einen Kollegen aus seiner alten Zeit zugeteilt.
Christoph Seiler ist ein neunmalkluger und selbstgefälliger Typ, der rechthaberisch und arrogant durchs Leben läuft. Anderen gegenüber benimmt er sich unmöglich und ist absolut unsensibel. Er ist hochintelligent und hat in jungen Jahren schon viele Auszeichnungen erhalten, was er gerne raushängen lässt. In der Vergangenheit sind er und Maik aufgrund der mangelnden sozialen Kompetenz Seilers oft aneinandergeraten. Christoph nutzt andere gerne aus, um selbst besser dazustehen und lässt Kollegen ins offene Messer laufen. Aber auch die Tatsache, dass sich der Kollege an Maiks Frau herangemacht hat, trugen nicht unbedingt zu einem guten Verhältnis bei.
Wieso wird Maik ausgerechnet Seiler zugeteilt?
Seiler wird ihm zugeteilt, weil die Wache in Werder absolut unterbesetzt ist und man Hilfe benötigt. Deswegen hat sich Maiks neuer Chef an die alte Dienststelle gewendet, um dort Unterstützung zu bekommen. Dass ausgerechnet Christoph kommt, ist zum Teil eine unglückliche Fügung, aber nicht nur.
Auch Maiks Nachbarin, die pensionierte Grundschullehrerin Frau Meier, spielt in der Geschichte eine Rolle. Welche Bedeutung hat sie für Maik – und für den Fall?
Frau Meier ist eine der guten Seelen in „Ich will nur spielen“. Sie hilft Maik bei der Betreuung seiner Tochter und hat stets ein offenes Ohr für ihn. Für die Ermittlungen hat sie eine nicht ganz unwichtige Rolle.
Die gestohlenen Augen und die Spielelemente, die der Mörder den Leichen beifügt, machen ihn zu einem ziemlich außergewöhnlichen Täter. Haben Maik Michalski und Christoph Seiler schon bald eine Vermutung?
Die Ermittlungen kommen nur schleppend voran, da der Täter sehr genau weiß, was er tut und die Polizei stets im Blick hat. Dennoch versuchen die Ermittler mit dem, was sie haben, eine Spur zu verfolgen. Ob sie in die richtige Richtung geht, muss man selbst herausfinden …
Sie beschreiben das nicht ganz einfache Leben des alleinerziehenden Vaters Maik ziemlich genau. Warum haben Sie die Figur genau so konzipiert?
Wie schon erwähnt, wollte ich eine ganz andere Figur schaffen, als die die man sonst in diesem Genre findet. Durch Gespräche mit Bloggern und Lesern habe ich schnell erfahren, dass das ein Manko ist, was viele stört und dementsprechend habe ich einen konträren Charakter dazu entworfen. Das schwere Leben und wie er damit umgeht, soll in weiteren Bänden noch beleuchtet werden.
Warum ist Maik alleinerziehend?
Seine Frau Sonja ist ermordet worden, weswegen er sich auch versetzen ließ und neu starten möchte. Auch das soll in weiteren Bänden näher beleuchtet werden.
Im Laufe der Ermittlungen geschieht dann der Super-Gau: Maiks Kollege Christoph Seiler verschwindet spurlos. Hat der Frauenmörder damit zu tun?
Kurz und knapp – vielleicht. Ich möchte nicht zu viel verraten.
Ab jetzt tickt die Zeit …
„Ich will nur spielen“ ist ein Thriller bzw. Krimi, der nicht auf Gewalt und viel Blut setzt. Stattdessen liegt der Fokus auf der emotionalen und psychologischen Ebene. Durch die Verwendung unterschiedlicher Kapitel – aus Sicht des Täters, der Opfer, Erzähler und Rückblenden in das Leben des Täters – wird eine Spannung erzeugt, die einen fesselt. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem sich Maik Michalski die Zähne ausbeißt und selbst mit sich zu kämpfen hat. Auf meinen Lesungen sage ich den Gästen jedes Mal, dass sie – wenn sie genau lesen – recht schnell eine Idee bekommen, wer der Täter ist. Das Motiv wird jedoch erst im Verlauf der Geschichte deutlich und nachvollziehbarer. Außerdem habe ich von Lesern häufiger gesagt bekommen, dass man eine regelrechte Sympathie zum Mörder aufbaut.
„Ich will nur spielen“ ist Ihr erster Kriminalroman. Wie erging es Ihnen beim Schreiben?
Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, endlich einen ganzen Roman zu schreiben, der auch über einen Verlag erscheinen soll. Also schrieb ich mit einer bloßen Grundidee los. Da ich persönlich gerne Gesellschaftsspiele spiele, sollten diese auch in der Geschichte vorkommen und das in Kombination mit einem Mörder. Nach den ersten 120 Seiten steckte ich allerdings fest, weil ich mir keinen kompletten Plot und die dazugehörigen Kapitel überlegt hatte, was ich dann im ersten Lockdown tat. Nach einer Schreibzeit von 4,5 Wochen stand die Rohfassung, die dann mehrfach und mit Hilfe von Testlesern und Experten – aus der Psychologie und auch der Polizei – überarbeitet wurde, ehe ich sie an Agenturen geschickt habe. Eine sagte zu und nach einiger Zeit des Wartens und der Geduld stimmte Edel Elements diesem Projekt zu. Die Arbeit mit dem Lektorat und dem Verlagsmarketing war total spannend.
Ist für Sie ein Krimi einfach Unterhaltung oder wollen Sie mit Ihrem Werk auch eine Message an Ihre Leserinnen und Leser geben?
Ich bin der Meinung, jedes Buch sollte eine kleine Message haben. Auch mein Werk hat eine Botschaft. Wer „Ich will nur spielen“ lesen wird, lernt Oculus und seinen Werdegang kennen. Mir geht es vor allem darum, dass wir in der heutigen schnelllebigen Zeit, die von Medien und sehr viel Individualismus geprägt ist, gar nicht mehr unsere Umwelt oder unsere Mitmenschen wahrnehmen. Wir sehen nicht mehr hin, sondern bilden uns voreilig eine Meinung, wenn wir jemanden oder etwas erblicken.
So kann es zu Vorurteilen kommen …
Und zwar welchen, die womöglich gar nicht gerechtfertigt sind und unter denen der Betroffene zu leiden hat. Es kann zu Ausgrenzung, Ignoranz oder Verstoßen kommen. Möglicherweise wird ein Mensch dadurch so sehr geprägt, dass er sich negativ entwickelt. Mein Wunsch und Appell ist es eigentlich, dass wir aus diesem Schubladendenken kommen und uns eventuell mal fragen, warum ein anderer so ist und auftritt, wie er ist oder es tut. Die Geschichte hinter diesen Menschen und ihr Schicksal geben uns Antworten darauf. Schaut nicht weg, sondern hin, sonst bleibt ihr blind. Das ist auch der Grund für mein Einstiegszitat von Sophokles aus „König Ödipus“.
Wird es einen Fortsetzungs-Krimi mit Maik Michalski geben?
Die Frage kam schon vermehrt von Lesern in meine Richtung. Und ich möchte sie mit einem klaren JA beantworten. Nicht ohne Grund werden einige Dinge wie das Verhältnis zwischen Maik und Christoph oder der Tod von Sonja angesprochen, denn diese sollen oder könnten in weiteren Bänden aufgearbeitet oder vertieft werden. Wann ich die Chance allerdings dazu haben werde, wird die Zukunft zeigen – die Ideen dazu liegen schon parat.
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