Frau Bluhm liest „Opferfluss”: 4 von 5 Blu(h)men
Der verhasste Strafverteidiger soll Polizist Rongen nun den Hals retten
Wenn aus Feinden Freunde werden. So geht es Strafverteidiger Nicholas Meller und Kommissar Rongen. Stehen die beiden normalerweise auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes, müssen sie zusammenarbeiten, als Rongen im Dienst einen scheinbar unbewaffneten Mann erschießt und sich ausgerechnet Nicholas als Strafverteidiger aussucht. Mit einem Mal sind es genau die Qualitäten des erfolgreichen Anwalts, die Rongen als Polizist seit ihrem ersten gemeinsamen Fall verabscheute, die ihm nun den Hals retten sollen.
Lorenz Stassens Figuren durchlaufen eine interessante Entwicklung
„Opferfluss“ ist der dritte Teil der Serie um Strafverteidiger Nicholas Meller und seine hübsche On/Off-Freundin Nina. Der Krimi ist aber so logisch aufgebaut, dass man ihn auch ohne Kenntnis der beiden anderen Teile lesen kann. Was man dabei allerdings verpasst, ist die oben erwähnte Entwicklung der Beziehung von Nina und Nic, und die Veränderung, die der Anwalt seit Beginn der Reihe durchmacht. Beide Transformationen finde ich aufregend, schlüssig erzählt und interessant. Lorenz Stassen weicht dabei vom klassischen Schema F ab – die zwischenmenschlichen Handlungen werden dadurch umso authentischer und durch ihre Unvorhersehbarkeit spannender.
Der Prolog von „Opferfluss“ ist blutrünstig und bildhaft
Die Geschichte selbst eröffnet der Autor mit einem großen Knall. Der Prolog ist wahrhaft blutrünstig und bildhaft und beweist, dass Lorenz Stassen ebenso wenig Angst vor Dreck hat, wie sein Hauptprotagonist Nicholas Meller. Genau diese lange zurückliegende Vergewaltigungs- und Mordszene ist es übrigens, die im ersten Band dazu führt, dass Meller und Rongen sich überwerfen. Ein interessantes Detail für die Kenner der Serie, denn nun ist es genau die Auflösung dieses Cold Cases, die dabei helfen soll, Rongens Reputation wiederherzustellen.
Lorenz Stassen lässt gerne auch mal eine Hauptfigur sterben
Die schon gleich zu Beginn aufgebaute Spannung und die sprachliche Intensität der aus mehreren Perspektiven geschilderten Handlung, reißt während des gesamten Romans nicht ab. Bis zuletzt war ich mir nicht sicher, wie die Story ausgehen würde. Die Neigung Lorenz Stassens auch gerne mal den einen oder anderen seiner Protagonisten zu opfern, trägt zu Hochhalten des Suspense bei.
Ein Kritikpunkt muss allerdings festgehalten werden
Mein einziger Kritikpunkt bezieht sich auf einen Handlungsstrang, der aus Nics Ich-Perspektive erzählt wird. Dieser Part erscheint mir ganz und klar unglaubwürdig. Dieser kleine Störton fällt aber angesichts der packenden Verwicklungen zwischen Russenmafia und korrupter Polizei, in die sich der leicht chaotische, aber sympathische Nic begibt, nicht groß ins Gewicht. „Opferfluss“ (Heyne Verlag) ist ein weiterer guter Teil von Lorenz Stassens insgesamt gelungener Reihe.