ISBN 978-3-7412-5552-6

ca. 332 Seiten

€ 10,90

Der Mann von Obsthofbäuerin Deterding prophezeit ihr auf dem Sterbebett, er komme wieder. Als Deterdings Hund stirbt und andere mysteriöse Dinge geschehen, schlägt die Stunde des Berliner Kommissars Philip Goldberg

Nicole Wollschlaeger im Interview – über ihren Krimi „Elbschuld“ und seinen Ermittler Philip Goldberg

Elbschuld

Frau Wollschlaeger, in Ihrem Krimi „Elbschuld“ kommt eine Frau zur Polizei, weil sie denkt, ihr verstorbener Ehemann trachte ihr nach dem Leben. Als Beweis dafür bringt sie einen Gedichtband von Günter Kunert mit, der vor ihrer Haustür lag. Das müssen Sie uns erklären!

Dieser ominöse Gedichtband enthält eine Widmung, in Form eines Zitates von Kunert, die Hilde Deterding als Morddrohung versteht: „Fliegt Tag für Tag ein toter Hund um unsere Erde als Warnung“. Günter Kunert ist einer ihrer Lieblingsautoren, allerdings wissen das nur sehr wenige Menschen, u.a. ihr verstorbener Mann Arthur. Diese Gedichte wecken alte Erinnerungen in ihr. Außerdem bekommt sie Angst, dass man ihrem Hund Hektor etwas antun könnte. Denn was der Leser noch nicht weiß: Hilde Deterding hat ein Geheimnis, das sie unbedingt für sich behalten möchte. Philip Goldbergs Polizei-Kollegen dagegen glauben, dass ihr die Einsamkeit zu Kopf steigt. Auf so einem riesigen Obsthof mitten im Nirgendwo kann man schon mal auf seltsame Gedanken kommen.

Der Grund, weshalb die betagte Dame Hilde Deterding glaubt, dass ihr Mann von den Toten auferstanden sei, findet sich in seinen letzten Worten: „Ich komme wieder, und dann werde ich dir zeigen, wie das ist“, hat er ihr auf dem Sterbebett gedroht. Das hört sich erst einmal schräg und lustig an. Wieso übernimmt Hauptkommissar Goldberg trotzdem die Ermittlungen?

Philip Goldberg hat ein fast seismografisches Gespür für Menschen. Er ahnt, dass sich hinter der herrischen Fassade eine zerbrechliche Frau versteckt, die eine sehr reale Angst empfindet. Goldberg nimmt diese Empfindung ernst und möchte ihr helfen. Außerdem hat er in seiner Zeit in Berlin schon wesentlich verrücktere Sachen erlebt.

Wenig später erfährt Goldberg etwas, das seinen Verdacht erhärtet, dass Hilde Deterdings Wunsch nach Polizeischutz nicht vollkommen verrückt ist: Die Dame soll noch zu Lebzeiten ihres Mannes eine heimliche Affäre mit dem Pastor gehabt haben, der angeblich ein Kind entsprungen ist. Was ist dran an diesem Gerücht?

Hauke Thomsen, einer von Goldbergs Kollegen ist sich ganz sicher, dass der Pastor nichts damit zu tun hat. Doch da Hilde Deterding zu diesem Gerücht hartnäckig schweigt, ist sich Goldberg sicher, dass es da ein Geheimnis gibt. Und im Zuge der Ermittlungen zeigt sich, dass Hildes drei Kinder kein gutes Haar an ihrer Mutter lassen. Eine Tatsache, die ihn zusätzlich neugierig macht. Es ist die Faszination, die Hilde auf ihn ausübt. Goldberg muss hinter ihr Geheimnis kommen!

Und dann stirbt auch noch der Hund der alten Dame. Es handelt sich bei Hektor um ein sehr altes Tier. Trotzdem will Philip Goldberg, der ja aus Berlin in die Elbmarsch versetzt wurde, an dem Fall dranbleiben – was seine beiden einheimischen Kollegen vollkommen albern finden. Warum schätzt er den Fall anders ein als die Kollegen?

Hauke und Peter, Goldbergs Kollegen, zweifeln an Hildes Glaubwürdigkeit, weil sie eigenbrötlerisch und egozentrisch ist. Hauke zum Beispiel hasst diese Frau, weil sie ihn als Kind des Apfeldiebstahls bezichtigt hat. Natürlich völlig zu Unrecht, aber der Vorwurf sitzt tief. Goldberg dagegen kann neutral und unvoreingenommen sein und hat dadurch einen anderen Blickwinkel auf die Geschehnisse. Ein toter Hund mitten in der Küche kommt ihm unnatürlich vor, dazu das Buch, das jemand einfach so vor der Tür ablegt … All das kommt ihm seltsam vor. Für ihn gibt es keine Zufälle. Nicht zuletzt treibt ihn die Frage um, wer oder was Hilde Deterding solche Angst einjagt.

Die Gespräche zwischen den Dreien und auch zwischen Goldberg und anderen „Ureinwohnern“ wirken authentisch und sind liebevoll beobachtet. Es scheint, Sie mögen die Bewohner der Elbmarsch. Was sind denn ihre typischen Eigenschaften?

Das werde ich tatsächlich sehr oft gefragt, und um ehrlich zu sein, habe ich darauf keine Antwort. Ich selbst bin hier im Norden geboren und vielleicht fallen mir die typischen Eigenarten selbst gar nicht so auf. Ein Leser schrieb mir neulich, dass ich den nordischen Ton in meinen Büchern sehr gut getroffen hätte. Also, auch wenn ich persönlich glaube, dass diese regionalen Unterschiede innerhalb Deutschlands gar nicht so groß sind, muss da wohl doch etwas Wahres dran sein. Vielleicht ist es die ruhige, eher zurückhaltende Art der Menschen hier, die mir einfach im Blut liegt.

Goldberg kommt aus Berlin, der Krimi spielt in Kophusen in der Elbmarsch. Was verbindet Sie mit den beiden Orten?

Die Elbmarsch ist für mich so etwas wie ein Heimspiel, obwohl ich gebürtig nicht aus Kreis Steinburg komme, sondern aus Pinneberg, circa zwanzig Kilometer entfernt. Ich mag die Landschaft hier, die Gräben an den Straßen, aus denen das Schilf wächst, die flachen Wiesen und Felder. Und natürlich die Elbe.
Berlin dagegen war hauptsächlich eine dramaturgische Entscheidung. Goldberg kommt nach Kophusen, weil er Distanz braucht, deswegen fiel Hamburg raus. Außerdem halte ich Berlin für die lebendigste und aufregendste Stadt, die wir in Deutschland haben. Ich wollte einen Kommissar, der die Großstadt mit all ihren Facetten erlebt hat und so einen Gegenpol zu Kophusen bilden kann. Ich selber mag das Gegensätzliche, die quirlige Großstadt mit ihren Cafés, Theatern und Kinos und die Ruhe und Weite der Natur. Es ist mir wichtig beides zu haben.

Gibt es in Ihrem Leben Sehnsuchtsorte, die Ihnen besonders wichtig sind?

Ja, Hamburg ist so ein Ort. Dann gibt es natürlich viele Orte, mit denen ich sehr persönliche Erinnerungen verknüpfe. Aber es gibt tatsächlich eine Gegend, die mich schon als Kind magisch angezogen hat: Cornwall. Und als ich vor vier Jahren endlich dort hinreiste, war es, als würde ich nach Hause kommen. Ich liebe die felsige Landschaft mit ihren grünen Wiesen, die engen Straßen und die malerischen Städte. Das kommt meiner Vorstellung von einem perfekten Ort sehr nah; ein Haus direkt an der Küste und das Minack Theatre gleich nebenan.

Irgendetwas scheint schon dran zu sein an der kruden Verbrechensgeschichte, die die alte Dame den Polizisten erzählt: Denn im weiteren Verlauf der Ermittlungen wird ihre Steiff-Tier-Sammlung beschädigt und schließlich machen Goldberg und seine Kollegen einen tatsächlich erschreckenden Fund …

In dem Gedichtband sowie an dem toten Hund findet die KTU Spuren menschlicher Asche, was Goldberg auf eine sehr ungewöhnliche Idee bringt: Er fragt sich, woher diese Asche kommt, und gräbt kurzerhand zusammen mit Peter, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Urne von Hildes verstorbenen Mann aus. Was Peter ein unliebsames und folgenschweres Date mit Greta Jansen einbringt, doch es lohnt sich. Denn die Asche des verstorbenen Arthur ist weg. Stattdessen finden sie etwas in der Urne, das Goldberg persönlich betrifft und den Fall auf ungeahnte Weise dreht. Mehr darf ich an dieser Stelle nicht verraten, nur soviel: Der Weg führt sie ins nächste Krematorium und das, was eher harmlos beginnt, entpuppt sich als sehr mysteriös und dramatisch.

Vom Humor her, von der Gestaltung der Figuren und auch von der Art der Spannung her erinnert Ihr Roman an die Werke von Dora Heldt. Starten Sie jetzt auch auf der Bestsellerliste durch?

Darauf habe ich wenig Einfluss. Das ist eine Entscheidung, die die Leser treffen. Aber es werden noch einige Bände folgen, die Chancen stehen also gut.

Wie Dora Heldt sind auch Sie gelernte Buchhändlerin. Aber Sie haben noch einen zweiten Beruf gelernt: Sie sind Schauspielerin. Hilft Ihnen Ihre Schauspielkunst beim Schreiben?

Ja, sehr sogar. Die beiden Berufe haben unheimlich viel gemeinsam. In beiden geht es um Dramaturgie, Fallhöhe und Rollenarbeit, und darum lebendige Figuren zu erschaffen. Und das ist es, was mir am meisten Spaß macht. Meine Figuren sind mein Motor. Sie bestimmen weitestgehend die Geschichte. Das Schreiben bietet da ungeahnte Möglichkeiten, während ein Schauspieler in der Regel einen fertigen Handlungsablauf vorfindet, kann ich als Autorin die Dialoge und die Geschichte selbst entwickeln. Ich kann damit herumexperimentieren und selbst entscheiden, wie tief ich in die Welt des jeweiligen Charakters eintauchen möchte. Während des Schreibens spielen sich in meinem Kopf regelrechte Filmsequenzen ab, das ist toll. Einen Teil der Figuren habe ich sogar gedanklich bereits besetzt.

Was machen Sie, wenn Sie gerade nicht schreiben oder schauspielern?

Ich lese viel, aber natürlich schaue ich auch Filme oder meine Lieblings-Serien. Im Frühjahr komme ich dann wieder raus an die Luft und kümmere mich um unser Hof-Hochbeet. Die Hoffnung auf eine ertragreiche Ernte ohne Schnecken stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Und verraten Sie jetzt bitte noch zum Schluss, was Sie meinen, für welchen Lesertyp Ihr Krimi genau das Richtige ist.

Die Elb-Krimireihe ist etwas für Leser, die es spannend und zugleich humorvoll mögen. In Kophusen geht es meistens etwas ruhiger zu, deshalb sollte man keinen Thriller mit Serienmord-Charakter erwarten. Außerdem läuft es nicht nach dem klassischen Krimi-Schema: Mord-Ermittlung-Aufklärung ab. Meine Leser sollten dem Schrägen nicht abgeneigt sein und es lieber skurril als realistisch mögen.


Über Nicole Wollschlaeger

ISBN 978-3-7412-5552-6

ca. 332 Seiten

€ 10,90

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Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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