Otfried Preußlers „Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“ ist ein Buch, mit dem keiner mehr rechnen konnte, denn Preußler starb 2013. Jetzt fand man das Manuskript. Frau Bluhm verrät, ob es gut ist.

Otfried Preußlers „Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“, gelesen von Frau Bluhm

Frau Bluhm liest: „Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“ 2 von 5 Blu(h)men


Der Räuber Hotzenplotz war immer meine Lieblingsfigur

Die kleine Hexe, das kleine Gespenst, der kleine Wassermann, Hörbe mit dem großen Hut … wie wohl jeder, der mit Otfried Preußlers Geschichten aufgewachsen ist, habe ich seine Geschichten geliebt. Doch nicht erst, nachdem ich den großartigen Film mit dem genialen Gert Fröbe gesehen hatte, war der Räuber Hotzenplotz von allen meine Lieblingsfigur. Und nun meldet er sich nach all den Jahren wieder zurück! Natürlich habe ich mir das Buch gleich am Erscheinungstag gekauft.

Davon handelt die Geschichte von „Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“

Die Story in groben Zügen: Das kleine Städtchen ist in Aufruhr: Hotzenplotz ist wieder frei! Nicht nur Wachtmeister Dimpfelmoser ist daher in großer Sorge, auch Großmutter fürchtet um Leib, Leben und Kaffeemühle. Doch nicht so Kasperl und sein Freund Seppel. Die denken sich nämlich: Was wir einmal geschafft haben, das schaffen wir erneut. Und so hecken sie einen cleveren Plan aus, bestehend aus Leim, Papier und sehr viel Schlauheit, um dem berüchtigten Räuber erneut ein Schnippchen zu schlagen.

Was alles in dieser Neuerscheinung fehlt

Das Netteste, was man über dieses „angeblich“ wiedergefundene, verschollene Manuskript sagen kann, ist, dass es ein heiß ersehntes Wiedersehen mit liebgewonnenen Freunden ermöglicht. „Der Räuber Hotzenplotz“ ist eine Geschichte, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Ich selbst lernte sie damals von meinen Eltern kennen, die auch schon begeistert davon waren, und gebe sie heute weiter an meine Kinder, die mit ihren drei bis sechs Jahren, genau wie ich damals, voller Eifer bei jedem Waldbesuch nach der Höhle des wohl berühmtesten Räubers nach Robin Hood suchen, und der festen Überzeugung sind, dass sie ihn eines Tages finden werden. Und warum ist das so? Weil die ursprünglichen Geschichten alles haben, was große, ewige Geschichten brauchen: einen absolut sympathischen und interessanten Protagonisten, eine gut verständliche, aber spannende Geschichte, untermauert durch einige wunderschöne Bilder und eine gute Prise Humor. Das alles fehlt mir bei dieser Neuerscheinung einfach völlig.

Hotzenplotz wird in diesem Buch als wirklich doof dargestellt

Doch von Anfang an. Zunächst einmal muss man wissen, dass Otfried Preußler dieses Manuskript eigentlich als Puppentheater geplant hat, aber letzten Endes nie veröffentlichte. Meiner Meinung nach eben genau deswegen, weil der Geschichte der für sie so typische Charakter fehlt. Hotzenplotz wird eben nicht als der schlaue Räuber mit dummdödeligen, liebenswerten Eigenschaften gezeigt, dessen einziges Problem ist, dass Kasperl und Seppel eben einfach noch ein wenig schlauer sind. Er wird als wirklich doof hingestellt; das hat mir gar nicht gefallen. In die von Kasperl und Seppel gestellte Falle mit der Mondrakete wäre Gert Fröbe sicher nicht getappt!

Inwiefern das Buch für Erstleser bzw. Vorlese-Kinder geeignet ist?

Noch dazu ist die Geschichte einfach zu kurz, um sich wirklich in sie hineinfallen lassen zu können. Kaum hat man sich an die Handlung gewöhnt, ist sie auch schon wieder vorbei. Das Gegenteil trifft auf die Länge der Kapitel zu: Für Erstleser nicht zu leisten, für Vorlese-Kinder nicht zu erfassen.

„Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“ ist eine Montage

Noch dazu scheint mir die Geschichte der Mondrakete aus Elementen der früheren Geschichten einfach zusammengesetzt zu sein. Es tauchen zu viele von früher bekannte Redewendungen und Inhalte auf; der Trick mit der Rakete beispielsweise ist der Trick mit der Flaschenpost, nur in grün (und auch damals schon ist der Räuber nicht drauf reingefallen). Und überhaupt passt die Geschichte rein sprachlich und thematisch nicht zu den vorhergehenden. Wer sich wirklich in die alten Bücher vertieft hat, dem muss das auffallen. Für die Kinder, denen sowas immer auffällt, ergibt das schon gleich gar keinen Sinn. Es wirkt beim Lesen so, als hätte jemand versucht, eine Hotzenplotz-Geschichte im Stil von Otfried Preußler zu schreiben. Was letzten Endes ja auch schlicht und ergreifend genau so ist.

Aber hier kommt mein größter Kritikpunkt an diesem Buch

Vor allem, und das ist wirklich mein größter Kritikpunkt an diesem Buch, empfinde ich die Illustrationen als weder kindgemäß, noch fantasiefördernd. Zu viele Einzelheiten, zu viele Farben, es ist einfach zu viel los auf den Bildern. Wie soll man sich da noch auf den Text konzentrieren? Noch dazu finde ich, dass die Bilder im Vergleich zum Text viel zu groß und zahlreich sind. So etwas ist nicht anregend, sondern erschlagend. Wäre man böse, so könnte man fast sagen, dass die vielen Bilder das schaffen sollten, was der Text nicht gekonnt hat: die Seiten zu füllen.

Ich würde mir sehr wünschen, dass wieder mehr Kinder lesen

Mein Fazit: Ein bisschen neuer Hotzenplotz ist immer noch besser als gar kein neuer Hotzenplotz. Und sollte der Hype, der momentan in den Buchhandlungen um diese Neuerscheinung gemacht wird, dazu führen, dass die Kinder wieder auf die alten Bücher aufmerksam werden, dann soll es mir recht sein. Ich würde mir so sehr wünschen, dass in Zeiten, in denen bald jedes Schulkind ein Handy besitzt, der Trend wieder hin zum geschriebenen Wort geht. Wenn „Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“ dem ein oder anderen Kind den Einstieg in diese Welt erleichtert, dann würde der Zweck in diesem Fall die Mittel heiligen. Alles in allem betrachte ich dieses Buch aber eher als ein Mittel, Geld in die Taschen von wem auch immer zu pumpen. Leiht es euch in der Bücherei aus, oder vom Nachbarn oder erzählt euren Kindern einfach die alten Geschichten, ihr habt mehr davon.

ISBN 978-3-522-18510-3

64 Seiten

€ 12,00

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Frau Bluhm

Geboren 1984 in Aschaffenburg, studierte Katharina Bluhm Psychologie und arbeitet seither als Erzieherin. Sie liebt Bücher und Filme. Seit 2017 bewertet sie in ihrer Kolumne „Frau Bluhm liest“ für BUCHSZENE.DE mit Begeisterung, aber auch kritisch Bücher jeden Genres. Sie lebt mit ihrer Familie in Aschaffenburg.

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