Herr Martensen, mit „Der Lieblingskontakt“ legen Sie bereits Ihren dritten Krimi um den Ermittler Walter Bork vor.
Ja, genau. Eine Reihe war anfänglich gar nicht vorgesehen. Ich fand Walter Bork aber viel zu faszinierend, um ihn einfach gehen zu lassen.
Was ist dieser Bork für ein Typ?
Er ist sehr direkt und spricht aus, was ihn nervt. Ich mag seine mürrische Art. Geduld gehört nicht zu seinen Tugenden. Das führt gern mal zu voreiligen Schlüssen. Das wiederum ärgert ihn selbst, denn er hasst unnötige Arbeit. Man darf ihn aber niemals unterschätzen. Bork ist schlau. Er beobachtet und bleibt immer etwas im Hintergrund. Anfangs wirkt er unmotiviert, doch im Laufe einer jeden Ermittlung entfalten sich sein Ehrgeiz und sein Spürsinn. Bork hat auch eine empathische Seite. In „Der Lieblingskontakt“ offenbart er uns seine Gefühle gegenüber einer Kollegin und zeigt sich dabei verletzlich. Eine Facette von ihm, die ich vorher auch nicht kannte. Ich finde Kommissar Bork großartig und kann sagen, dass der Kerl mir ans Herz gewachsen ist.
In diesem dritten Bork-Fall gerät die Detektivin Maja Lamprecht in Gefahr.
Eine scheinbar einfach auszuführende Observierung geht gründlich schief. Maja will den Auftrag abbrechen, weil sie glaubt aufgeflogen zu sein. Allerdings hat ein Unbekannter seine Finger im Spiel. Dieser zwingt Maja, sich für immer aus ihrer vertrauten Umgebung zurückzuziehen, andernfalls würden Personen, die zu ihren engsten Kontakten zählen, wahllos leiden. Als tatsächlich eine Freundin getötet wird, hat Maja verstanden, dass der unbarmherzige Verfolger nicht damit aufhören wird, sie zu quälen.
Maja muss also handeln. Was ist ihr Plan, um sich aus den Fängen des Verbrechers zu befreien?
Sie will sich nicht ihrem Schicksal fügen und ist entschlossen, den Spieß umzudrehen und die Person ausfindig zu machen, die ihr Leben bedroht. Sie tut das, was eine Agentin am besten kann: Informationen sammeln.
Doch ausgerechnet Ermittler Bork gefährdet Majas Mission.
Ja. Weil er ihr plötzliches Untertauchen verdächtig findet. Er lässt nach Maja fahnden und entwickelt sich so zu einem Störfaktor, der zu einer sehr großen Gefahr für das Leben ihrer Lieblingskontakte werden könnte.
Der zweite Fall für Walter Bork heißt „Der andere Ausweg“ und handelt von einem Doppelmord an einer Standesbeamtin und einem alten Fischer. Der Täter stellt ein Ultimatum …
Und zwar ein gnadenloses Ultimatum, welches die Hauptfigur Jonas Feldmann erfüllen muss, andernfalls wird seine schwangere Freundin Lara sterben. Alles deutet darauf hin, dass Jonas den Fischer ermordet hat. Die ablaufende Zeit und das Team von Kommissar Bork zwingen Jonas zu einer halsbrecherischen Flucht. Er muss die unlösbare Aufgabe rechtzeitig erfüllen, um Lara zu retten. Wenn die Polizei ihn vorher aufgreift, ist alles verloren.
Im Mittelpunkt von Borks erstem Fall, „Die tödliche Rezeptur“, geht es um einen Einbruch ins Brauerei-Museum von Nordsum und den Mord an einem Wachmann. Verraten Sie noch mehr?
Sehr gern. In diesem Fall geht es um ein altes Versprechen. Jahrzehntelang war es für Herrmann Jöhns unmöglich, seinen Seelenschmerz zu lindern, denn er ist an dieses Versprechen gebunden. Ihm fehlte der entscheidende Schlüssel – ein Exponat einer Sonderausstellung, das nur für wenige Tage zugänglich ist. Er bricht ins Museum ein. Zwei Tage später erkennt die Hauptfigur Krister Jöhns, nach dem brutalen Mord an einem Wachmann des Museums, seinen Großvater im Fahndungsvideo einer Nachrichtensendung wieder. Er will ihn zur Rede stellen, aber Hermann ist wie vom Erdboden verschluckt. Bei seiner Suche stößt Krister auf ein dunkles Kapitel der Familiengeschichte und gerät selbst in den Fokus von Ermittler Bork. Es geht um Leben und Tod.
Ihre Bork-Krimis kreisen allesamt um die kleine Hafenstadt Nordsum. Die aber gibt es gar nicht. Haben Sie beim Schreiben an eine reale Stadt gedacht?
In der Tat. Wenn ich in Gedanken nach Nordsum reise, dann sehe ich einen Mix aus Dünenlandschaften, wie man sie zum Beispiel von Sankt Peter-Ording, der dänischen Westküste oder Holland kennt, und dem ost- und nordfriesischen Wattenmeer mit den Schutzdeichen und Gezeiten. Ich liebe diese Landstriche. Ich bin in Husum, an der Nordsee aufgewachsen. Da kann man sich leicht zusammenreimen, wie der fiktive Ortsname Nordsum entstanden ist.
Was inspiriert Sie zu den Kriminalfällen, die Sie beschreiben?
Eindeutig meine eigenen Ängste und die damit verbundene Frage: Was wäre wenn …? In meinen Krimis geraten die Hauptpersonen plötzlich in Situationen, die ihr Leben von einer Sekunde auf die nächste völlig aus den Angeln heben. Ihr Leben und das ihrer Angehörigen gerät in Gefahr. Ich stelle mir vor, wie es mir ergehen würde, wenn ich wie Jonas Feldmann in „Der andere Ausweg“ um das Leben meines liebsten Menschen fürchten muss und überdies auch noch von der Polizei des Mordes verdächtigt werde.
Sie beschreiben die nordischen Landschaften und ihre Menschen mit viel Einfühlungsvermögen.
Vielen Dank. Die Nordseeküste bedeutet mir sehr viel. Wenn ich an den spröden Charme der Menschen denke, die dort leben, fühle ich mich im Schreibprozess sofort bei ihnen. Dann kommen die Dialoge wie von selbst. Wenn ich die Augen schließe und dann Wolken sehe, die mit der Flut ziehen, einen glühenden Horizont hinter tosender Brandung, schäumendes Wasser und sich aufbäumende Wellenkämme, dann stehe ich mittendrin und bin mir ganz sicher: hier gehör‘ ich hin. Genauso wie die Ermittler Bork, Harring und Bahnsen.
Wie mörderisch ist der Norden in Wahrheit?
Eine interessante Frage. Da müsste man eine Statistik zu Rate ziehen. Würde es sich im echten Leben genauso gewalttätig wie in der Welt der nordischen Krimi-Literatur verhalten, dann müsste ich mich wohl viel direkter mit meinen Ängsten auseinandersetzen, bevor ich das nächste Mal an die Küste reise. Zum Glück brauche ich mich nicht zu fürchten, falls ich mal allein in der Dunkelheit am Meeressaum entlang spazieren und dabei dem sanften Wellenschlag lauschen sollte. Obwohl, ganz sicher bin ich mir gerade nicht.
Wird es einen vierten Bork-Krimi geben?
Ja. Zum Glück wird Walter Bork wieder ermitteln. Er hat mir nämlich gefehlt. Ich freue mich auf die Reise mit ihm. Im nächsten Jahr wird der vierte Fall erscheinen.