Die fiktive Handlung basiert auf einer wahren Begebenheit
In der Blütezeit der Sklaverei versuchten möglichst viele Händler den maximalen Gewinn aus dem Verkauf ihrer „Ware“ zu erhalten. Aus diesem Grund wurden Sklavenschiffe nach Afrika geschickt, um möglichst viele Menschen nach Europa zu holen. So auch die Zong, ein Sklavenschiff, welches Ende des 18. Jahrhunderts auf den Weltmeeren unterwegs war. Es ist unstrittig bewiesen, dass bei einer Überfahrt mehr als einhundert Sklaven über Bord geworfen und ertränkt wurden. Damals wie heute vermutete man, dass das Motiv ein Versicherungsbetrug war. Allerdings konnte den Besatzungsmitgliedern eine derartige Absicht nicht nachgewiesen werden. Laura Robinsons historischer Roman „Das Blut von London“ (Heyne Verlag) basiert auf dieser wahren Begebenheit, erzählt allerdings eine fiktive Geschichte.
Ein Mann riskiert Namen, Ansehen und das Glück seiner Familie
Der Roman versetzt uns ins London des Jahres 1781: Harry Corsham ist verheiratet, hat einen kleinen Sohn und die besten Chancen auf einen Sitz im Londoner Parlament. Eines Tages hört Corsham, dass sein bester Freund, der Anwalt Tad, spurlos verschwunden ist. Daher macht er sich auf die Suche nach ihm. Die letzten Hinweise zu Tads Aufenthaltsort führen Corsham in den Stadtteil Deptford. Zu seinem Entsetzen findet er dort Tads Leiche. Offensichtlich wurde Tad vor seinem Tod gefoltert und gebrandmarkt. Allerdings scheinen sowohl der Friedensrichter als auch die Polizei in Deptford nicht sonderlich interessiert an der Auflösung des Falls zu sein.
Harry Corsham hält es für seine Aufgabe, den Mörder zu finden
Harry Corsham verspricht Tads Schwester den Mörder zu finden und zu hängen. Er beginnt sowohl in Tads Wohnung als auch in Deptford zu ermitteln und findet Hinweise, die auf ein mögliches Motiv hindeuten. Tad hatte anscheinend vor seinem Tod Informationen bezüglich des Sklavenschiffes „Dark Angel“ eingeholt, auf welchem Hunderte von Sklaven ermordet wurden. Er hatte sich bemüht, einen Versicherungsbetrug nachzuweisen und sich dabei viele Feinde gemacht.
Unsere Hauptfigur vertraut dem Falschen und gerät in große Gefahr
Je näher Corsham der Auflösung des Falls kommt, umso gefährlicher wird die Lage. Es fallen immer mehr Menschen dem Mörder zum Opfer und Harry Corsham gerät in einen Sog aus Lügen, Verschleierungen und Verschwörungen. Bald weiß er gar nicht mehr, wem er noch glauben und trauen kann. Und dies hat gravierende Folgen, denn Harry Corsham vertraut den Falschen und gerät in große Lebensgefahr.
„Das Blut von London“ ist Laura Robinsons Debütroman
Laura Robinson beschreibt die Atmosphäre des Londons des 18. Jahrhunderts äußerst authentisch. Beim Lesen fühlt man sich sofort in die dunklen Spelunken, engen Gassen und überlaufenen Häfen hineinversetzt. Auch die unhygienischen Zustände und die Gefahr, welche hinter jeder Straßenecke lauert, werden glaubwürdig transportiert. Zudem verbindet Laura Robinson in ihrem Roman äußerst gelungen historische Fakten, bildgewaltige Beschreibungen, Spannung und undurchsichtige Intrigen. Ein weiterer Pluspunkt von „Das Blut von London“ ist der sympathische und liebenswerte Hauptfigur Harry Corsham, der sein eigenes Leben riskiert um andere zu retten. Auch Drohungen und Anschläge bringen ihn von diesem Vorhaben nicht ab. Ich habe seine Ermittlungen daher gerne verfolgt und mit Corsham mitgelitten. Allen voran die überraschende Auflösung hat mich wirklich überzeugt. Zudem beantwortet die Autorin am Ende ausnahmslos alle offenen Fragen.
Leider wird die Lesefreude hin und wieder ein bisschen getrübt
Im Großen und Ganzen ist dieser historische Roman also authentisch, atmosphärisch und spannend. Aber leider verliert sich Laura Robinson immer wieder in zu detailreichen Beschreibungen, beispielsweise zur Kleidung der Protagonisten. Dies hat zur Folge, dass die eigentliche Handlung in den Hintergrund rückt und die Szenen zum Teil etwas langatmig erscheinen. Ein weiterer Kritikpunkt sind die zahlreichen Protagonisten, welche oftmals ähnliche Namen haben. Bei den Besatzungsmitgliedern der Dark Angel, den Bewohnern von Deptford, den Kindern der Freiheit und der Westindienlobby (um nur einige zu nennen) kam ich dadurch immer wieder mit den Charakteren durcheinander und ich hatte oftmals Schwierigkeiten diese richtig zuzuordnen. Ein Personenregister wäre für den Überblick daher wirklich sinnvoll gewesen.