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Von der Unmöglichkeit, eine Waschmaschine nicht online zu kaufen

Wollt ihr eine bessere Welt?

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Die gute Nachricht ist, dass immer mehr Menschen wieder in einer richtigen Buchhandlung Bücher kaufen. Das jedenfalls sagt eine Studie. Aber was ist mit den Waschmaschinen? Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich meine nicht, dass Sie Ihre Waschmaschine in einer Buchhandlung kaufen sollen. Ich meine, dass ich kürzlich versucht habe, eine Waschmaschine bei einem niedergelassenen Elektroinstallateur zu kaufen. Leichter hätte ich vermutlich eine Waschmaschine gebaut, doch von vorn.

Zunächst sah alles wunderbar aus. Ich suchte zwei Fachbetriebe in der Nähe heraus, rief sie an und sagte, dass ich gerne eine Waschmaschine kaufen würde, die auch trocknen kann. Die Freude war riesig groß, bei beiden. Weil die Freude bei dem einen noch Stückchen riesig größer zu sein schien als bei dem anderen, bat ich ihn um ein Angebot. Bereits nach einem halben Tag lag es mir vor. Inklusive Anschluss und Abtransport des alten Waschtrockners sollte die Sache rund 1600 Euro kosten. Da schluckt der Kolumnist. Kann es sein, dachte ich mir, dass ein stinknormaler Waschtrockner plus Installation so viel kostet?

Also sah ich im Internet nach, wieviel so ein Waschtrockner dort kostet. Ich landete auf der Seite eines Elektro-Discounters. Den Preisunterschied muss ich Ihnen in Worten schreiben, denn sonst denken Sie, ich hätte mich vertippt: fünfhundertundfünfzig Euro – 550! Das sind rund 30 Prozent. Und Anschluss und Abtransport der alten Maschine sind schon im Preis mit drin!

Kurz spielte ich mit dem Gedanken, gleich zu bestellen. 550 Euro sind schließlich 550 Euro. Aber dann dachte ich an die Innenstädte der Zukunft: Wenn wir weiter so machen und immer mehr Bücher, Unterhosen und Waschtrockner im Internet kaufen, dann werden wir bald schon durch Fußgängerzonen spazieren, in denen es nur noch Riesenkaufhäuser gibt, die ihre Waren von Kindern herstellen lassen, welche in Häusern eingesperrt sind, die beim ersten Windhauch umfallen und die Kinder erschlagen.

Ich habe aber was gegen ausgebeutete und erschlagene Kinder. Deshalb beschloss ich, meinen Teil zur Rettung des Einzelhandels beizutragen. Also rief ich den Waschmaschineninstallateur an und sagte ihm, dass ich gerne mehr bezahlen würde, um ihn zu unterstützen, aber eben nicht 550 Euro. Das seien rund 30 Prozent und auch für einen Kolumnisten, der im Geld schwimmt, eine Menge Holz.

Da könne er nichts machen, meinte der Waschmaschinist, er bekomme die Maschinen nicht billiger her. Es folgte ein längeres Gespräch, in dem ich versuchte ihn davon zu überzeugen, dass er mir ein bisschen entgegenkommt, damit ich das Gerät bei ihm kaufen kann. Im Rahmen dieses Gesprächs erfuhr ich, dass er, wenn nach der Garantiezeit noch ein Problem auftauchen würde, gerne vorbeikomme – für 66 Euro Stundenlohn sowie 20 Euro für die Anfahrt.

Mir ist klar, dass die deutsche Installateurskunst weltweit besten Ruf genießt. Dennoch finde ich 66 Euro Stundenlohn für einen Handwerksmeister relativ großzügig. Ich als Kolumnenmeister bin von derartigen Zahlen weit entfernt. Aber dennoch wäre ich bereit, diesen Stundenlohn zu bezahlen, um den Einzelhandel und einige mir unbekannte Kinder zu retten.

Allein, der Waschmaschinist wollte mir keinen Millimeter entgegenkommen. Er könne es nicht und er wolle es auch nicht, sagte er. Da dachte ich an meine Arbeit als Autor. Ich dachte an Schreibaufträge, die mir großen Spaß machen, aber bei denen nicht viel Geld herausspringt. Das kulinarische Erlebnisbuch „Heimat auf dem Teller“, das ich geschrieben habe, war so ein Projekt. Da hatte ich viel Arbeit für wenig Geld, aber es hat großen Spaß gemacht, es zu schreiben. Etwa weil ich viele Menschen kennengelernt habe, die sich den Kopf darüber zerbrechen, wie sie gute Lebensmittel in nachhaltiger Produktion herstellen können – Bauern, Fischer, Jäger, Käser, Bierbrauer.

Wenn man einen Auftrag unbedingt haben möchte, dann kommt man entgegen, dachte ich mir also, und wenn es nur ein paar Millimeter sind. Und wenn der Waschmaschinist nicht in der Lage ist, die Maschine so günstig einzukaufen wie ich im Discounter, dann könnte er mir doch zumindest eine Maschine, die ich im Discounter gekauft habe, anschließen. Dann würde er seine 66 Euro pro Stunde und seine 20 Euro Anfahrt verdienen und wir hätten beide etwas von dem Geschäft. Das schlug ich ihm vor. Doch auch hier wollte der Waschmaschinist nicht mitmachen. Das machte mich sehr ärgerlich. Wie soll ich den Einzelhandel retten, wenn er selbst gar nichts dafür tun will? Einem Ertrinkenden, der vor dem Rettungsboot wegschwimmt, kann man nicht helfen.

Wütend bestellte ich beim Discounter. Die zwei Typen, die die Maschine brachten, zerbrachen beim Anschließen des Schlauchs das Metallteil unter unserem Waschbecken, das dafür sorgt, dass das Wasser zu den einzelnen Maschinen und zum Wasserhahn laufen kann. Ich weiß nicht, wie dieses Teil heißt. Es ist so eine Art Kreuzung für Wasser. Dann verkauften die Typen mir noch einen Schlauch für 70 Euro, ohne den es nicht gehe und packten ihre Sachen. Sie sagten, dies jetzt zu reparieren sei nicht ihr Job. Ich staunte. Da stand ich nun mit neuer Maschine und ohne Wasser in der ganzen Wohnung da, denn damit kein Wasserschaden entsteht, musste das Wasser für die ganze Wohnung abgestellt werden.

Ich spielte kurz mit dem Gedanken, mich aus dem Badfenster zu stürzen, aber das liegt im Erdgeschoß. Da geschah ein Wunder: Meine Frau trat ins Bild. Sie heißt Helena, ist wunderschön und wunderschlau und sagte, ich solle doch einfach mal unseren Nachbarn Helmut fragen. Der sei der sparsamste Mensch, den sie kenne; der habe kein Internet; und der brauche ja auch immer mal wieder eine Waschmaschine.

Der Helmut trägt Sandalen mit Socken und war früher selbst einmal Handwerksmeister. Solche Socken-und-Sandalen-Typen, die früher einmal Handwerksmeister waren, haben in aller Regel Connections. So auch Helmut. Er schickte mir den Elektroinstallateur Kropf in Haus. Herr Kropf war sehr ärgerlich, dass ich nicht bei ihm die Waschmaschine gekauft hatte. Ich entschuldigte mich und schwor, dass ich ab jetzt alle Geräte bei ihm kaufen würde. Er sagte „Schon gut, Ball flach halten.“ Dann wies er mich noch darauf hin, dass der Schlauch, den mir die Typen vom Discounter zusätzlich verkauft hatten, nicht den Sicherheitsbestimmungen entspreche. Ich bräuchte einen anderen. Den könne ich mir aber für 80 Euro im Baumarkt holen. Bei ihm koste er etwas mehr, dafür baue er mir ihn aber auch gleich ein. Es gibt sie noch, die guten Handwerker, es gibt sie noch.

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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