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Kinder haben auf Lesungen mehr Spaß als Erwachsene. Woran das liegt? Ein Plädoyer fürs Lachen über Literatur und Bücher.

Pupsende Fliegen sind lustig – Jörg Steinleitner findet, wir sollten auf Lesungen wieder mehr lachen

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BUCHSZENE.DE-Kolumnist Jörg Steinleitner hat in den vergangenen Jahren Hunderte von Lesungen gemacht – vor Kindern und vor Erwachsenen. Dabei ist ihm etwas Interessantes aufgefallen: Die Kinder haben irgendwie mehr Spaß auf Literaturveranstaltungen. Woran das liegt? Lesen Sie sein Plädoyer!

Wenn eine Mutter auf einer Lesung nackte Gymnasiastik macht, dann ist gleich Stimmung in der Bude

Oft fragen mich erwachsene Buchliebhaber, ob mir die Lesungen für Kinder oder die für Erwachsene mehr Spaß machen. Obwohl diese Antwort die meisten Erwachsenen enttäuscht, muss ich sagen: Mit Kindern ist es einfach viel lustiger. Wenn in einem Buch eine pupsende Fliege vorkommt, wie es bei meinem Kinderbuch „Juni im Blauen Land“ der Fall ist, dann schmeißen sich vierzig von achtzig Kindern weg vor Lachen. Oder wenn ich vorlese, dass die Mutter der Juni-Helden Jimmie, Elfe und Juni „nackte Gymnasiastik“ macht, dann ist gleich großes Bohei im Saal, denn das ist ja wohl voll peinlich. Jedes Kind stellt sich sofort seine eigene Mutter beim Nacktturnen vor und ist verständlicherweise entsetzt. Zumal der Briefträger vom Anblick der nackten Gymnasiastik auch noch Schluckauf bekommt.

Klar sitzt bei einer Lesung ein Haufen Alltagssorgen im Saal, aber wollen wir uns deshalb den Abend vermiesen?

Es gibt schon auch erwachsene Lesungsbesucher, die eine ähnliche Spielfreude mit in den Saal bringen und gleich von Anfang an bereit sind, sich auf einen lustigen oder spannenden Abend einzulassen. Aber das ist nicht immer so. Mir ist bewusst, dass an so einem Lesungsabend zunächst einmal auch einfach ein Haufen Alltagssorgen im Saal sitzt, und den muss man erst in einen hinteren Teil des Gehirns verbannen, ehe man bereit ist, das Spiel der vorlesenden Clowns oder Spannungskünstler auf der Bühne mitzuspielen.

Raus aus den Konventionen! Weniger denken und mehr spielen!

Aber sind wir Erwachsenen, was Kulturveranstaltungen angeht, nicht oftmals auch in Konventionen gefangen, die uns den Spaß verderben? Denken wir nicht viel zu viel darüber nach, wie wir selber wirken, wenn wir eine Reaktion zeigen? Kindern dagegen ist es vollkommen egal, wie sie selbst wirken. Sie hören zu, sehen zu und reagieren sofort und aus dem Bauch heraus. Überhaupt denken wir Erwachsenen an so einem Abend viel zu viel nach: Ist das jetzt gut, was mir da gezeigt wird? Qualitativ hochwertig? Finden es die anderen gut? Ist es peinlich, wenn ich da jetzt einfach mal lache? Mit solchen und anderen Überlegungen verschenken wir viel Zeit und im schlimmsten Fall einen ganzen Abend.

Lachen, Klatschen und Buhen sind ausdrücklich erwünscht

Manchmal frage ich mich, ob allen Buchliebhabern, die Lesungen besuchen, eigentlich bewusst ist, dass so ein Abend nur gelingen kann, wenn auch das Publikum bereit ist, sich einzulassen und etwas von sich zu geben. Damit meine ich: zeigen, dass man anwesend ist – durch Kichern, Klatschen, Überraschungs- oder auch Unmutsäußerungen. Denn eines kann ich garantieren: Je mehr Energie vom Publikum auf die Bühne zurückkommt, umso besser werden die Schriftstellerinnen und Schriftsteller auf der Bühne vorlesen. Und umso unterhaltsamer wird der gesamte Abend. Im besten Fall kann so eine Lesung ein Fest der Literatur werden, an dem am Ende im Saal eine Stimmung ist, als hätten alle ein Glas Champagner getrunken. Und dann geht man wie beschwipst nach Hause.

Das Leben ist viel zu kurz und schön, um es mit verkopftem Nachdenken zu verplempern

Im Unterschied dazu sind Kinder schon von Natur aus wie beschwipst unterwegs. Denen fällt es natürlich viel leichter als Erwachsenen, darüber zu lachen, dass der kleine Jimmie anstatt „Waisenkind“ das Wort „Weizenkind“ sagt, anstatt „dokumentieren“ „mokudentieren“ oder dass Junis kleine Schwester eine „bockige Bockwurst-Stimme“ hat. Aber vielleicht können wir Erwachsenen uns einfach vornehmen, ein kleines Stück unserer kindlichen Spielfreude auszugraben? Wenigstens bei Lesungen? Das Leben ist doch viel zu kurz und schön, um es mit verkopftem Gegrübel zu verplempern.

P.S.: Ich habe meine Tochter Elsa gefragt, welche beiden Bücher sie wahnsinnig lustig fand. Sie hat mir Burkhard Spinnens „Müller hoch Drei“ und Jory Johns und Mac Barnetts „Miles & Niles – Schlimmer geht nimmer“ ans Herz gelegt. Wenn man niemanden findet, der einem aus ihnen vorliest, dann kann man beim stillen Allein-Lesen auch einfach selber und für sich ganz allein lachen.

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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