Ein Muss für alle Romeo-und-Julia-Fans und für alle Fans der Liebe
David Nicholls „Sweet Sorrow“ ist eigentlich ein Coming-of-Age-Roman. Aber Caro Vonier, die Chefin der gedruckten BUCHSZENE, findet, dass es sich bei diesem 500-Seiter um eine sehr schöne und einigermaßen differenzierte Geschichte über die erste große Liebe handelt, die hoffentlich jeder mal so erleben durfte. Die männliche Hauptfigur Charlie sieht durchschnittlich aus, seine Noten sind in Ordnung, selbst die Scheidung seiner Eltern ist nur normal unglücklich. Dann begegnet er Fran Fisher, und seine Welt steht Kopf. Aber Fran will ihn nur wieder treffen, wenn er sich der Theatergruppe anschließt, die „Romeo und Julia“ einstudiert. Nun erweckt der Klappentext den Eindruck, es gehe vor allem darum, ob Charlie sich 20 Jahre später traut, diese seine erste Liebe wiederzutreffen. Aber eigentlich geht es mehr darum, wie dieser Sommer vor 20 Jahren verlaufen ist: dass er auch neue Freunde gefunden hat, die ihm erhalten blieben und eben um seine Freundin Fran, die ihm eine für ihn völlig neue und aufregend andere Welt zeigte. Stellenweise sind das Pech, das Charlie auf Schritt und Tritt verfolgen, und auch seine unglücklichen Entscheidungen schwer zu ertragen. Aber ist es nicht auch ein richtig gutes Zeichen, wenn man beim Lesen sowas denkt wie: „Oh nein! Das geht schief!“ Und natürlich tut es das dann auch. „Sweet Sorrow“ ist ein Muss für alle Fans von „Romeo und Julia“ – und alle Fans der Liebe.
Drei Frauen suchen unterschiedliche Dinge – und finden alle denselben Mann
Eine Frau sucht ein wenig Trost, nachdem ihr Mann sie und ihren Sohn verlassen hat. Eine zweite Frau sucht nach einem Zuhause und nach einem Zeichen von Gott, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Eine dritte Frau sucht etwas ganz anderes. Sie alle finden denselben Mann. Es gibt vieles, was sie nicht über ihn wissen, denn er sagt ihnen nicht die Wahrheit. Aber auch er weiß nicht alles über sie. Dror A. Mischanis „Drei“ ist eigentlich ein Kriminalroman. Das merkt man aber erst nach einem Drittel der Lektüre. Caro Vonier findet ihn gut geschrieben. Und sie hat überrascht, wer sich da plötzlich als Mörder entpuppt. Damit rechnet keiner.
Meg Wolitzer Die Zehnjahrespause, 978-3-8321-8107-9, 416 Seiten, € 24,00, DUMONT Hier auf bücher.de bestellen
Kathinka Engel Finde mich. Jetzt, 978-3-492-06171-1, 432 Seiten, € 12,99, Piper Hier auf bücher.de bestellen
Roy Jacobsen Die Unsichtbaren, 978-3-406-73183-9, 613 Seiten, € 28,00, C.H. Beck Hier auf bücher.de bestellen
Kinder, Job und dann noch gut aussehen – wie soll das bitte gehen?
Die titelgebende „Zehnjahrespause“ meint die Arbeitspause, die einige Mütter (nicht nur in den USA) machen, bis die Kinder sie nicht mehr brauchen. Meg Wolitzers Roman erzählt von dieser Zeit und von dem teilweise schlechten Gewissen, das viele Frauen in dieser Phase befällt: Vergeude ich gerade meine Talente? Außerdem thematisiert er anschaulich die Schwierigkeiten, die Frau hat, wenn sie sich nach der Zehnjahrespause für einen neuen Job oder eine neue Aufgabe entscheiden muss. Auch am Thema Neid arbeitet sich Meg Wolitzer in „Die Zehnjahrespause“ gekonnt ab: Wie bitte schaffen es manche Frauen, drei Kinder, Job und gutes Aussehen auf die Reihe zu bekommen? Im Mittelpunkt der Story stehen Amy, Roberta, Karen und Jill, wobei Amy am stärksten herausgearbeitet ist. Auf dem Klappentext steht, dass die Freundinnen sich oft im Goldenen Horn treffen, aber eigentlich spielt das keine so große Rolle in dem Buch. Das Goldene Horn ist quasi ein Synonym für das Verschwenden der Talente. Meg Wolitzers Roman hat Caro Vonier sehr gut gefallen, „aber“ meint sie, „irgendwie hatte ich mir einen Hauch mehr erwartet. Wobei ich mir gerade schwer tue, diesen Hauch zu definieren.“
Literarisches Junkfood – ein klasse Pageturner für kalte Wintertage
Von der Liebe bitter enttäuscht, zieht Tamsin zum Literaturstudium ins kalifornische Pearley. Sie möchte sich auf sich selbst konzentrieren, den Männern hat sie ein für alle Mal abgeschworen. Doch dann trifft sie auf Rhys. Er ist unnahbar und faszinierend. Was Tamsin nicht weiß: Er saß seine gesamte Jugend unschuldig im Gefängnis. Jetzt muss sich Rhys plötzlich in einer ihm völlig fremden Welt behaupten. Auch er fühlt sich zu Tamsin hingezogen, die ihm voller Tatendrang hilft, alles Verpasste nachzuholen. Langsam beginnt er wieder zu vertrauen. Doch Rhys hat Tamsin noch längst nicht alles erzählt … Kathinka Engels „Finde mich. Jetzt“ ist, so Caro Vonier, „totales Junkfood. Das zu lesen fühlt sich an wie Seriengucken. Also unter Niveau amüsiert, aber amüsiert.“ Kathinka Engels erzählt eine klassische Liebesgeschichte, die eigentlich nicht sein kann und sein soll. Zum Schluss hin wird die Story dann etwas zu weichgespült und vielleicht auch eine Spur zu unwahrscheinlich. Trotzdem: „Finde mich. Jetzt“ ist ein klasse Pageturner für kalte Wintertage.
Eine Familie in Norwegen, eine sprachlose Liebe – unheimlich spannend
Eigentlich handelt es sich bei Roy Jacobsens Roman „Die Unsichtbaren“ um eine Trilogie. Aber zum Glück sind alle drei Bände in einem Buch untergebracht: Sie erzählen die Geschichte der Familie Barroy, die im Norden Norwegens auf einer kleinen Insel lebt und dort ein sehr armes, aber unabhängiges Leben fristet. Die Hauptperson ist die Tochter Ingrid, ihr Aufwachsen auf der Insel steht im Zentrum. Es geht die ganze Zeit ums „Überleben“, um die vielen kleinen Alltäglichkeiten im Bewirtschaften der Insel und in den Beziehungen der wenigen Leute zueinander, viele Dinge und Entwicklungen werden nur angedeutet, manches muss man zwischen den Zeilen herauslesen. Es wird gestorben, neue Familienmitglieder werden geboren oder aufgenommen. Im Hintergrund nehmen die beiden Weltkriege ihren Lauf. Während des Zweiten Weltkriegs wird unmittelbar neben der Insel ein deutsches Gefangenentransportschiff abgeschossen, als Ingrid (inzwischen erwachsen) alleine auf der Insel weilt. Sie fischt mehrere Leichen aus dem Wasser und pflegt einen überlebenden Russen. Eine sprachlose Liebesgeschichte entspinnt sich zwischen den beiden, aber Norwegen ist von den Nazis besetzt und das Verstecken von Kriegsgefangenen wird mit dem Tod bestraft. So verhilft Ingrid ihrem Schützling schließlich zur Flucht. Allerdings ist sie schwanger von ihm. Ein Jahr und viele weitere Kriegserlebnisse später macht sie sich auf die Suche nach ihm, quer durch Norwegen, mit nur wenig Geld und dem Baby im Tragetuch … „Die Unsichtbaren“ ist, findet LESESTOFF-Chefin Kathrin Brunner, eine Mischung aus „Herbstmilch“ und „So weit die Füße tragen“ – und: unheimlich spannend!
Weitere interessante Beiträge:
[metaslider id=”419278″]