Sprecher Tim Schwarzmaier überrascht uns gleich zu Beginn
Mit kühler und distanzierter Stimme steigt der Sprecher Tim Schwarzmaier zunächst scheinbar völlig emotionslos in seine Lesung von Harlan Cobens „Nur für dein Leben“ ein. Konzentriert man sich nur auf die Sprecherstimme und ignoriert den Inhalt, wirkt das Ganze in den ersten Momenten wie eine totale Fehlbesetzung. Tim Schwarzmeier scheint die Zeilen geradezu lieblos herunterzulesen. Doch bleibt man offen, hört man genau hin und gibt der Geschichte ein paar Minuten, wird schnell klar: Der Sprecher schlüpft ganz und gar in die Rolle des verurteilten Straftäters David Burrough, der wegen des Mordes an seinem eigenen Sohn im Gefängnis sitzt und keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht.
David soll seinen dreijährigen Sohn mit dem Baseballschläger erschlagen haben
Vor fünf Jahren soll David seinen damals dreijährigen schlafenden Sohn Matthew mit einem Baseballschläger erschlagen haben. Dafür sitzt er lebenslänglich und hat jegliche Lebenskraft verloren. Er macht sich schreckliche Vorwürfe und weist alle Besucher ab, bis sie es nach einiger Zeit begriffen haben und nicht mehr kommen. Bis heute. Denn nun sitzt ihm seine Schwägerin Rachel Anderson plötzlich im Besucherraum gegenüber und zeigt ihm das Foto eines achtjährigen Jungen, der dasselbe Feuermal auf der Wange hat wie Matthew. Und obwohl die Qualität des Bildes mangelhaft ist, weiß David: Dieser Junge ist Matthew. Sein Sohn lebt!
Fortan setzt David alles daran, seinen Sohn zu finden
Diese neue Erkenntnis weckt Davids Lebensgeister und er scheint wieder einen Sinn zu sehen: Er muss seinen Sohn finden und herausfinden, was damals wirklich passiert ist. Davids wachsende Motivation bringt Tim Schwarzmaier mit einer ordentlichen Portion Dynamik und Hoffnung in der Stimme deutlich zur Geltung.
Johannes Steck überzeugt mit seiner Interpretation der Charaktere
Sprecher Johannes Steck liest die anderen Charaktere und schlüpft dadurch in mehrere Rollen. Bei allen hebt er die inneren Konflikte jedes Einzelnen durch Betonung, eigene Dynamik und individuelle Stimmfarben treffend hervor. Besonders gut gelingt es ihm bei Gefängnisdirektor Philip Mackenzie, der Davids Patenonkel ist. Er gerät in eine brenzlige Situation, die ihn zu einer Entscheidung zwischen seinem Patenkind und dem Gesetz zwingt: Als in einer Nacht ein Wärter versucht David zu töten, verhilft Philip David zur Flucht.
Für das FBI ermitteln Sarah Jablonski und Max Bernstein
Das FBI schickt das Ermittlerpaar Sarah Jablonski und Max Bernstein los, um den entflohenen David wieder zu fassen. Die Dialoge der beiden untereinander oder auch mit Zeugen oder Verdächtigen sind urkomisch, wenngleich mitunter ein wenig überzogen, so dass man beim Zuhören unweigerlich ein Grinsen auf dem Gesicht hat oder auch mal laut auflachen muss. So wirklich voran treiben die Ermittler das Geschehen allerdings nicht, denn sie sind mehr am Reagieren als am Agieren und eigentlich auch immer etwas zu spät dran. Als Max beschließt, auf eigene Faust ein paar Überlegungen nachzugehen, kracht es zwischen den beiden Ermittlern. Doch ganz falsch scheint er nicht zu liegen, denn seine Recherchen führen dazu, dass er beginnt, an Davids Schuld zu zweifeln.
Die Beobachtungen der Augenzeugin bekommen eine zentrale Bedeutung
Nach seiner Flucht beschließt David zuerst die Augenzeugin aufzusuchen, die in seinem damaligen Prozess behauptet hatte, sie habe beobachtet, wie David den Baseballschläger vergraben habe: Hilde Winslow. Rachel, die ihren Schwager tatkräftig unterstützt, hat herausgefunden, dass Hilde Winslow direkt nach dem Prozess weggezogen war und ihren Namen in Harriet Winchester geändert hat. Der „Besuch“ bei ihr führt David zurück in seine Heimatstadt Revere.
Zurück in der alten Heimat wird David verprügelt und festgenommen
In Revere trifft David auf einen alten Freund, der ihm Geld für die Flucht anbietet und Stillschweigen über sein Auftauchen bewahrt. David ist froh und erleichtert, als dieser ihm versichert, er habe nie an Davids Schuld geglaubt. Es wärmt ihm das Herz, dass es Menschen gibt, die ihm vertrauen und an ihn glauben. Ein anderer alter „Freund“ heißt ihn jedoch auf andere Art willkommen. Er schlägt ihm in den Magen und im nächsten Moment tauchen mehrere Polizisten auf. David weiß: Nun geht es zurück in den Knast. Doch im nächsten Moment kommt alles ganz anders …
Harlan Coben setzt in seinem Thriller auf mehrere Spannungselemente
Harlan Cobens Hörbuch „Nur für dein Leben“ arbeitet mit mehreren Elementen, die für Spannung sorgen. Da ist zum einen die Frage, ob Matthew tatsächlich noch lebt oder ob David sich das nur einredet und der Wunsch Vater des Gedankens ist. Der Antwort auf diese Frage jagen wir gemeinsam mit David nach. Nebenbei erfahren wir Einzelheiten darüber, wie es damals überhaupt zur Schwangerschaft kam und bekommen so unsere Zweifel, ob David der Vater des Kindes ist oder nicht. Hat er Matthew in einer Art Trance erschlagen, weil er herausfand, dass es nicht sein leibliches Kind ist?
Am Ende wartet „Nur für dein Leben“ mit einer brillanten Auflösung auf
Manche Szenen enden mit brutalen Schlägen, so dass man beim Zuhören unwillkürlich die Luft anhält, ob es dieses Mal vielleicht ein Schlag zu viel war. Und dann lauert, gefühlt hinter jeder Tür, die Polizei, die David schnappen und zurück ins Gefängnis bringen könnte und wir fragen uns, ob er es schafft, sein Ziel zu erreichen, bevor es soweit ist. Dies alles sorgt dafür, dass man fast gar nicht anders kann, als Tim Schwarzmaier und Johannes Steck immer weiter zuzuhören, bis zu der brillanten Auflösung, die sich Harlan Coben für seinen Thriller „Nur für dein Leben“ erdacht hat.