Tanja Gekes raue Stimme zieht einen sofort in den Bann
Das Hörbuch zu Tess Gerritsens „Leichenraub“ beginnt mit einem Brief vom 20. März 1888. Tanja Gekes raue Stimme zieht einen sofort in den Bann und man entwickelt Gänsehaut, schon bevor es überhaupt richtig los geht. Der Brief wurde von O.W.H. an Margaret geschrieben und enthält einen Zeitungsausschnitt aus den 1830er Jahren. Der Schreiber berichtet von einem ungeheuren Ereignis, das die Geschichte ihrer Eltern, Tante und des Westendreapers betrifft.
Das Haus verbirgt eine Geschichte in seinen alten Mauern
Die Erzählung spielt auf zwei Zeitebenen. Nach dem Brief wechselt die Geschichte in die Gegenwart: Die 38-jährige Julia Hamill will ihren Garten neu gestalten. Das heruntergekommene Haus, das sie sich zur Scheidung gekauft hat, verbirgt eine Geschichte in seinen Mauern. Ihre Schwester Vicky sieht dies als unkluge Investition an. Julia jedoch will beweisen, dass sie es schaffen kann.
Beim Graben im Garten macht Julia eine unheimliche Entdeckung
Beim Graben im Garten stößt Julia unvermittelt auf Knochen. Dr. Isles und ihr Team stellen fest, dass diese weiblichen Überreste bereits sehr alt sind und nehmen sie zur Untersuchung mit. Julia, die gerne die Todesursache herausfinden würde, beginnt nachzuforschen und trifft Henry, den fast 90-jährigen Cousin der Vorbesitzerin Hilda, der auch gleichzeitig der Onkel ihres Nachbarn Tom Page ist. Sie erfährt, dass das Haus einst für Margaret Tate-Page erbaut wurde. Julia besucht Henry und gemeinsam gehen sie Hildas Nachlass durch.
Eine junge Schwangere und eine selbstbewusste Schwester
Die Briefe, die Julia und Henry durchsehen, führen die beiden zurück in die 1830er Jahre. Sie stoßen auf Aufzeichnungen der 17-jährigen Rose Connolly, die am Bett ihrer Schwester Aurnia Tate sitzt, die seit Tagen in den Wehen liegt. Dr. Crouch schlägt einen Aderlass vor, doch Rose nimmt allen Mut zusammen und stellt diese Maßnahme in Frage. Dr. Crouch und seine vier Studenten Edward Kingston, Charles Lackoway, Wendell Holmes und Norris Marshall sind überrascht, lediglich Norris Marshall wertschätzt Roses Mut, so für die eigene Schwester einzutreten.
Er finanziert sich sein Medizinstudium mit nächtlichem Leichenraub
Norris ist ohnehin ein wenig der Außenseiter, da er ein Bauernsohn ist und nicht, wie die anderen drei, aus gutem Hause kommt. Er hat sich sein Medizinstudium hart erarbeiten müssen. Auch jetzt finanziert er sich seinen Lebensunterhalt, indem er nachts Jack Burke dabei hilft, auf Friedhöfen frisch beerdigte Leichen auszugraben und an Dr. Suell für den Unterricht der Medizinstudenten zu verkaufen. Doch Jack hält immer die Ohren offen und scheut auch nicht davor zurück, frisch Verstorbene aus versiegelten Särgen vor dem Krankenhaus zu stehlen. Je frischer die Leiche, desto höher der Lohn.
Ein Kind wird geboren und Rose muss um das Baby kämpfen
Aurnia gebärt ein Mädchen, der Kindsvater will von dem Baby nichts wissen und hat bereits lange vor der Geburt die Verzichtserklärung unterzeichnet. Als Aurnia an Kindbettfieber stirbt, nimmt Rose das Baby an sich. Rose und Aurnia sind beide aus Irland nach Amerika ausgewandert und für Rose ist Baby Margaret der letzte Rest Familie, der ihr noch bleibt. Sie bringt das Kind bei einer Amme unter und arbeitet als Näherin, um das Geld für das Baby zu verdienen. Eine Krankenschwester warnt Rose – sie müsse das Baby beschützen! Als ihr Schwager plötzlich das Baby haben will, spürt Rose, dass Margaret in Gefahr ist. Sie versucht mit allen Mitteln, sie zu abzuschirmen und verliebt sich in Norris Marshall.
Ist das fledermausartige Wesen ein Mörder mit medizinischen Kenntnissen?
Eines Abends sieht Rose einen fledermausartigen Schemen mit Flügeln und erfährt später, dass an dieser Stelle eine Krankenschwester tot aufgefunden worden ist. Die Bevölkerung fürchtet nun den „Westendreaper“. Da Dr. Berry zeitgleich verschwindet, gehen alle davon aus, dass er der Mörder sein muss. Doch dann wird auch seine Leiche gefunden. Da der Mörder über medizinische Kenntnisse verfügen muss, richten sich plötzlich alle Augen auf den Bauernsohn Norris Marshall. Professor Grenville, Dekan der Medizinischen Hochschule, versucht alles, um Norris zu helfen.
Beim Lauschen ist ein robuster Magen von Vorteil
Für das Hörbuch braucht man einen harten Magen, da die Sektionen sowie einige invasive Eingriffe des frühen 19. Jahrhunderts eingehend beschrieben werden. Immerhin geht es auch um die Ausbildung der Medizinstudenten. So erleben wir zudem, wie die Verhältnisse in den damaligen Krankenhäusern waren und welch katastrophale Folgen die nicht vorhandenen Hygienemaßnahmen hatten: Sie waren maßgeblich verantwortlich für die weite Verbreitung des Kindbettfiebers. Der Erzählstrang in der Gegenwart ist interessant gestaltet, allerdings hat bei mir der historische Erzählstrang länger nachgehallt und mich mehr an die Kopfhörer gefesselt.
Tanja Geke liest Tess Gerritsens „Leichenraub“ einfach fantastisch
Tanja Gekes Stimme polarisiert. Einige mögen sie, einige nicht. Ich liebe sie. Diese Stimme ist sehr nuancenreich und so wandelbar, dass sie gleich mehreren Charakteren einen eigenen Klang geben kann. Von der pikierten Miss über die patente Krankenschwester, vom schieläugigen Haudegen bis hin zum Dekan einer Hochschule – alle werden absolut überzeugend interpretiert.