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Wenn ein Mensch Angst vor Hunden hat – darf er dann erwarten, dass sich Hundebesitzer diese Angst zu Herzen nehmen? Jörg Steinleitner macht sich anhand eines ganz konkreten Erlebnisses Gedanken.

Unser Kolumnist hat Angst vor Hunden und ihren Besitzern – das bereitet ihm Sorgen

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Angst vor Hunde - Steinleitners Woche Kolumne

© Eric Isselee shutterstock-ID:117858019

Bellt ein Hund, bin ich wie gelähmt und kann nicht mehr sprechen

Ich habe Angst vor Hunden. Meine Mutter sagt, ich sei als Kleinkind mal von einem großen Hund umgeschubst worden. Ich kann mich daran nicht erinnern. Tatsache aber ist, dass ich, seit ich zurückdenken kann, Angst vor Hunden habe. Bellende Hunde sind das Schlimmste für mich. Fängt das Tier an zu bellen, bin ich wie gelähmt, ich spüre, wie sich die Haare auf meinen Armen aufstellen und ich kann nicht mehr sprechen. Hunde finden mich jedes Mal sehr komisch, wenn sie mich anbellen und ich dann wie erstarrt stehen bleibe und nichts sage. Sie denken, mit mir stimme etwas nicht, bekommen Angst und bellen dann noch mehr, was die Sache nicht besser macht.

Mein Trick: Ich versuche, den Hund anzusprechen, ehe er bellt

Weil ich dies weiß, versuche ich immer schon, bevor ein Hund mir nahekommt und mich anbellt, mit ihm zu reden oder im zuzurufen. Dann habe ich schon mal etwas von mir gegeben, er kennt meine Stimme und hält mich vielleicht nicht für ganz so seltsam, wie wenn ich schon erstarrt bin. Dieses frühzeitige Kontaktaufnehmen funktioniert aber nur, wenn ich den Hund ausreichend früh sehe.

Was, wenn die Hundebesitzer*in sich passiv verhält?

Heute Morgen war ich beim Laufen. Der Weg am See entlang ist sehr schmal. Plötzlich stand ein Hund vor mir. Einer dieser hübschen Sorte, die als Jagdhunde beliebt sind. Ich wechselte vom Joggen ins Spaziergängertempo. Der Hund blieb stehen. Ich fand das komisch, dass er stehen blieb. Vermutlich fand er es komisch, dass ich mein Tempo verlangsamt hatte. Wir schauten uns an. Es war klar, dass ich auf dem engen Weg nicht so einfach an ihm vorbeikommen würde und er nicht an mir. Darum war ich sehr erleichtert, als hinter dem Hund eine Frau kam. Ich war dem Hund zwischenzeitlich auf knapp zehn Meter nahegekommen. Weil die Frau keine Anstalten machte, den Hund an die Leine zu nehmen oder mit ihm zu sprechen, blieb ich stehen.

Ist es mein Problem, dass ich Angst vor Hunden habe?

Die Frau rief mir zu, ich solle weitergehen. Ganz normal weitergehen. Das hätte ich gerne gemacht, aber ich hatte Angst. Die Frau sagte, „gehen Sie ganz normal weiter. Wenn Sie nicht weitergehen, dann bellt er.“ Sie hatte recht. Schon bellte der Hund. Die Frau schüttelte genervt den Kopf. „Sie sollen ganz normal weitergehen“, herrschte sie mich in das Bellen hinein an und ging jetzt mit dem Hund weiter auf mich zu. Ohne ihn am Halsband zu halten oder ihm eine Leine anzulegen. Als sie bei mir war, schüttelte sie noch einmal den Kopf und schimpfte: „Sie müssen ganz normal weitergehen!“ Sie war richtig wütend. Ich fragte – mit zitternder Stimme, weil ich Angst hatte: „Bin ich schuld daran, dass ich Angst vor Ihrem Hund habe?“

Welche Verantwortung trifft die Hundebesitzer*in?

Mit einer verächtlichen Kopfbewegung ging sie mit dem Hund an mir vorbei und sagte: „Ach, vergessen Sie es!“ Ich ging noch einige Schritte, dann trabte ich weiter. Tief in mir drin wummerte das unangenehme Gefühl ungerecht behandelt worden zu sein. Ist es wirklich so, dass ich daran schuld bin, wenn ich vor einem fremden Hund Angst habe? Kann mir eine fremde Hundebesitzerin mit einem fremden Hund vorschreiben, dass ich ganz normal weitergehen soll, obwohl mir das wegen meiner Angst schwerfällt? Müsste nicht vielmehr sie ihrem Hund sagen, dass er nicht bellen soll und ihn an die Leine nehmen?

Wer vor meinem Hund Angst hat, ist nicht normal – stimmt das?

Ich glaube, das Problem ist, dass fast alle Hundebesitzer so gut mit ihren Hunden befreundet sind, dass sie sich nicht vorstellen können, dass jemand Angst vor ihnen haben könnte. „Wer vor meinem Hund Angst hat, ist nicht normal“, denken sie sich vermutlich. „Der muss sich ändern, nicht ich oder mein Hund, weil, dass Hunde bellen ist normal.“ Aber ist dieser Gedankengang logisch?

Ein Beispiel, das die Verantwortung der Hundebesitzer verdeutlicht

Nehmen wir mal das Beispiel eines Menschen, der als Kind Opfer eines körperlichen Übergriffs durch einen anderen Menschen wird. Dieser Mensch entwickelt vielleicht ein Trauma aufgrund dieses Übergriffs. Ein Trauma, das er im Laufe seines Lebens nicht los wird. Nun meine Frage: Wird man eher von diesem Opfer erwarten, dass es lernt, mit seinem Trauma umzugehen oder wird man eher von dem Täter oder allen potentiellen Tätern erwarten, dass sie ihr Verhalten ändern? Ich meine, die Antwort liegt auf der Hand.

Es ist gleichgültig, ob es sich um einen lieben oder bösen Hund handelt

Genau so muss es bei Hunden und ihren Frauchen und Herrchen sein. Egal, wie vertraut und harmlos ihnen ihr eigener Hund vorkommt: Sie müssen davon ausgehen, dass es Menschen gibt, die Angst vor diesen sicherlich meist liebenswerten Hunden haben. Laut einer Studie von 2016 sind es in Deutschland 3,42 Prozent. (Zum Vergleich: Vor Haien haben 19,26 Prozent Angst.) Und weil diese Angst unabhängig von den Charaktereigenschaften des jeweiligen Hunds besteht und diese Hundebesitzer die Ursache für diese Angst setzen, sind sie zum Handeln verpflichtet.

Eigentlich habe ich nur eine Bitte an alle Hundebesitzer*innen

Ich bin allen Hundebesitzern unglaublich dankbar, wenn sie, sobald sie mich gesehen haben, ihrem Hund klare Anweisungen geben. Dann weiß ich, dass sie mir das Gefühl geben wollen, dass sie die Verantwortung für das Tier übernehmen und die Situation nicht einfach laufen lassen. Gut finde ich auch, wenn sie den Hund zu sich rufen und ihre Hand an sein Halsband legen. Wenn sie ihm sagen, dass er nicht zu bellen braucht, weil es keinen Grund dafür gibt. Wenn sie ihn beruhigen. Wenn so etwas passiert, bedanke ich mich laut und deutlich. Ich verstehe alle Menschen, die Hunde lieben. Hunde können beste Freunde sein, sie sind vermutlich treuer als Menschen und sie erfüllen viele wichtige Funktionen in unserer Gesellschaft. Doch wer sich das Glück eines Hunds leistet, der sollte auch die Verantwortung dafür übernehmen und nicht Menschen, die sich zu ihrer Angst bekennen, mit einem verächtlichen Kopfschütteln stehenlassen.

P.S.: Es gibt eine Situation, in der meine Angst vor Hunden in den Hintergrund rückt: Wenn ich mit meinen Kindern unterwegs bin. Es ist mir schon mehrmals passiert, dass ich mich, um meine Kinder zu schützen, mutig einem bellenden Hund entgegengestellt habe. Aber meine Kinder sind mittlerweile groß und haben keine Lust, mich ständig beim Joggen zu begleiten.

P.P.S.: Ich habe auch Hundefreunde! Im Laufe meines Lebens gelang es mir immer wieder, Freundschaften mit Hunden einzugehen: Mit dem Dackel Napoleon in Paris etwa, mit der Mischlingshündin Tequila in Lindau, mit der spanischen Hütehündin Fluse, mit Cavalier King Charles Spaniel Leo und mit der Berner Sennenhündin Kathi in Riegsee. Die Basis für diese Freundschaften war, dass diese Hunde nicht bellten, wenn sie mich sahen.

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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