Frau Wilhelm, in seinem ersten Fall, „Karma“, bekommt es Ihr Wiener Ermittler Major Cornelius Metz mit einem toten Starkoch zu tun. In „Dame vernichtet“, dem zweiten Fall, muss er den Tod der Schwiegertochter einer reichen Süßwarenfabrikanten-Familie aufklären. Ist Major Metz auf Ermittlungen unter den Reichen und Schönen spezialisiert?
Ja, das ist er in gewisser Weise definitiv. Er stammt ja ebenfalls aus einer angesehenen Familie, die sogar auf blaues Blut zurückblicken kann. Man hat ihn daher aus gutem Grund mit der Leitung dieser Soko betraut. Und zu Beginn seiner Wiedereingliederung steht sogar der Verdacht im Raum, dass er gar nicht alle Fälle aufklären soll, die auf seinem Schreibtisch landen. Die Gesetze der Wiener Schickeria sind eben ein wenig speziell. In Band 3 – der im Januar oder Februar erscheinen soll – wird es ihn in die Welt der Rockstars verschlagen.
Sie nennen Ihre Reihe „BEWEIS_LAST“. Wird es in ihr auch Fälle geben, in denen Major Metz nicht ermittelt?
Geplant ist tatsächlich ein Fall, in welchem Hilde Attensam mehr oder weniger unfreiwillig ein paar Urlaubstage in ihrer alten Heimat nehmen wird. In diesem Band wird sie dort – im schönen Burgenland – ohne Metz ermitteln. Dieser tüftelt inzwischen aber vermutlich mit Kevin gemeinsam an einem „Cold Case“. Die Bezeichnung „BEWEIS_LAST“ soll eher vor Augen führen, dass die Klärung eines Mordfalles oft daran scheitert. Und selbst die größten Ambitionen – wie man sie Metz ja nur unschwer in Abrede stellen kann – können unter dieser Last erdrückt werden, eben dann, wenn die Beweise nicht ausreichen.
Ihr Mordermittler war ja eigentlich außer Dienst und hatte sich in einer Gartenlaube verschanzt …
Der Dienstantritt ist für Major Cornelius Metz alles andere als leicht. Er hat zwei Jahre zuvor seine Frau verloren. Diese hatte sich vor seinen Augen mit seiner Dienstwaffe im eigenen Haus das Leben genommen. Das Haus zu betreten war für Metz daher ein Ding der Unmöglichkeit. Es gelingt ihm, in der Gartenlaube eine Art Scheinexistenz zu führen, die er sehr geschickt kaschiert. Essen und Medikamente werden geliefert. Zum Duschen geht er ins Fitnessstudio, in welchem er manchmal auch nächtigt, wenn die Erinnerungen zu übermächtig werden. Es braucht zwei Jahre Therapie und hartnäckige Interventionen seiner einflussreichen Eltern, um ihn wieder zurück in den Sattel zu hieven. Er leidet unter einer Zwangsstörung, kann beispielsweise ohne mentale Krücke zu Hause nicht aus dem Auto aussteigen. Und die Sache mit der Dienstwaffe steht ohnehin noch auf einem anderen Blatt Papier.
Wer ist Hilde Attensam, die ihm an die Seite gestellt wird?
Gruppeninspektorin Hilde Attensam hat ein großes Herz – allerdings für Tiere, weniger für Menschen. Ihre Position bei der Wiener Polizei hat sie sich hart erarbeiten müssen. Doch eines Tages gehen die Nerven mit ihr durch. Ein Diensthundeführer prahlt, wie lange es sein Hund im überhitzten Auto aushält, ohne das Bewusstsein zu verlieren. Da sieht Hilde rot. Sie passt ihn abends in der Umkleide ab und tackert ihn mit Powertape die ganze Nacht lang an seinem Spind fest. Er soll sehen, wie eine hilflose Kreatur sich fühlt. Die Aktion hätte für Hilde, die keine einflussreichen Freunde hat, aber einen guten Ruf unter den Kolleg*innen genießt, mit der Suspendierung enden können. Allerdings gibt es Aufnahmen, die die Tierquälerei belegen. Und man hat Angst, diese könnten an die Medien gespielt werden. Also handelt die Gewerkschaft einen Deal für Hilde aus: Stillschweigen gegen eine Versetzung in die neue Soko von Major Metz.
Und dann ist da noch Kevin Wiesinger. Ein Hacker mit mächtigem Onkel.
Ja, der junge Hacker Kevin Wiesinger ist der Dritte im Bunde. Er wird von seinem Onkel, dem mächtigen Sektionschef im Innenministerium, in diese Soko versetzt. Er soll Major Metz im Auge behalten. Anfangs ist nicht ganz klar, ob das zu dessen Vor- oder zu seinem Nachteil sein soll. Kevin schuldet seinem Onkel diesen Gefallen, obwohl er als hochbegabter Überflieger völlig ungeeignet für den regulären Polizeidienst ist. Metz hat anfangs keine Freude mit dem hyperaktiven Schlaumeier. Und Hilde Attensams Rechtsverständnis wird durch Kevins Spionagemethoden erst recht auf eine harte Probe gestellt. Der Polizeichef, Hofrat Leo Katzinger, reibt sich indes die Hände. Er wartet nur darauf, dass dieses hinkende Dreibein, das die Soko, die aufgrund ihrer seltsamen Entstehungsgeschichte schon bald den Beinamen „Soko Reha“ verpasst bekommt, kläglich scheitert.
Harmoniert das Ermittlertrio denn?
Das mag überraschen, aber ja. Anfangs sehen sich alle mit der Situation konfrontiert, keine andere Wahl zu haben, als zu kooperieren. Erstaunlicherweise jedoch stellen alle drei unabhängig voneinander fest, dass diese Zusammenarbeit gelingen kann. Jedes Mitglied bringt gekonnt seine Stärken ein, und schon im ersten Fall kann Metz gleich zwei Mordfälle lösen und einen lange zurückliegenden Vermisstenfall wieder aufrollen.
Apropos erster Fall und zurück zum Starkoch: Was hat Sie zu der Geschichte um den Chef des Gourmet-Tempels „Karma“ inspiriert?
Ich habe als Studentin lange Zeit in der Gastronomie gejobbt. Diese Zeit muss ich vermutlich noch ein wenig aufarbeiten. Außerdem bietet sich so ein Lokal natürlich hervorragend an, um alle möglichen Menschen miteinander an einen Tisch zu bringen – buchstäblich. Das Kochen an sich ist aber auch meine Leidenschaft. „Karma“ spiegelt jedoch schon auch ein wenig den seltsamen Trend wider, dass wir die Spitzengastronomie, die zum Teil ja regelrecht gehypt wird, etwas hinterfragen sollten.
Die nackte Leiche des Starkochs Richard Mautner wird im Wiener Wald gefunden. Im Blut findet man mit Rattengift gestrecktes Kokain, aber eine Verletzung hat er auch. Was sind die Hypothesen?
Die Rechtsmedizin darf sich freuen: Richard Mautner hat unmittelbar vor seinem Tod Kokain konsumiert, welches mit Rattengift versetzt worden war. Allein das hätte schon tödlich sein können, impliziert aber natürlich keinen Mord im Affekt oder einen Totschlag, sondern minutiöses und kaltblütiges Vorgehen. Ein Vorgehen, für das außerdem nur jemand in Frage kommt, der Richard Mautners Umfeld und seine Gepflogenheiten kennt. Die klaffende Wunde an seiner Schläfe ist da ein anderes Kaliber. Schon am Tatort stellt Rechtsmediziner Gunter Hagedorn fest, dass man große Wut und/oder viel Kraft für einen solchen Hieb benötigt.
Was hat es mit der Spur zu dem verschwundenen Mädchen auf dem Kreuzfahrtschiff auf sich?
Ich persönlich liebe Krimis, in denen die Vergangenheit eine Rolle, wenn nicht sogar: die Hauptrolle spielt. Wir ernten, was wir säen, daher ja auch der durchaus im doppelten Wortsinn zu verstehende Titel „Karma“. Mich hat das bunte Treiben auf Kreuzfahrtschiffen inspiriert und die vielen Möglichkeiten, die es dort vermutlich immer noch gibt, um unterzutauchen oder gar zu verschwinden.
Sie beschreiben die Milieus und Schauplätze sehr anschaulich. Ist das alles erfunden? Wie wahr ist Ihre Geschichte?
Wie gesagt: Die Gastronomie und ihre Schattenseiten, sowie das rege Treiben auf Kreuzfahrtschiffen kenne ich aus erster Hand. Personen, die große Ähnlichkeiten mit einigen der Protagonist*innen haben könnten, sind mir da durchaus begegnet. Auch das tragische Geheimnis, das Gerry Hofinger hütet, beruht auf einer wahren Geschichte.
In Major Metz‘ zweitem Fall „Dame vernichtet“ ist die Grundsituation etwas anders: Die Ermittler können nicht sofort von einem Mordfall ausgehen.
Genau: Hier hat jemand dem Rechtsmediziner Professor Hagedorn eine besondere Freude und Herausforderung bereitet. Sein Hobby sind nämlich Treppenstürze, genauer gesagt: ihre methodische Klassifizierung. Gefunden wird die Leiche von Linda Ledec am Fuße der Prunktreppe in der Villa ihrer schwerreichen, angeheirateten Familie. Ausgerechnet ihr Ehemann findet sie, der morgens nach seiner Nachtschicht als Notfallsanitäter nach Hause kommt. Auf den ersten Blick deutet nichts auf einen Mord hin.
Die Familie der Toten ist nicht sehr kooperativ. Es scheint, die Gräfin De La Warenne, die aus einer Cognac-Dynastie im Elsass stammt, hat eine Schweigepflicht verordnet?
Ja, natürlich! Noblesse oblige! Die Dame hat es nicht gern, wenn einfache Polizist*innen sich in ihre Familienangelegenheiten einmischen. Und siehe da: Wie sich herausstellt, hat diese Familie auch allen Grund dazu.
Wie kommt Major Metz auf die Idee, dass es Mord sein könnte?
Das Obduktionsergebnis ist eindeutig: Unter UV-Licht zeigt sich auf dem Nacken der Toten eine deutliche Druckstelle. Ihre Luftröhre wurde zerquetscht, während sie hilflos am Boden lag und um Hilfe bettelte.
Alle Familienmitglieder haben vom Tod der Linda Ledec profitiert.
Ja, das Opfer war die Horror-Schwiegertochter par excellence: Die alte Gräfin wurde von ihr erpresst – mit einer weit zurückliegenden Geschichte, die jedoch der ganzen Familie hätte schaden können. Auch ihre Schwägerin Chantal, die Frau des jüngsten Sprosses, ist froh, Linda los zu sein. Sie wurde auf das Schlimmste von ihr terrorisiert, gemobbt und ebenfalls erpresst. Sämtliche teuren Geschenke, die ihr hingebungsvoller Ehemann ihr verehrt hat, musste sie an Linda abgeben. Der älteste Sohn, Martin, ein eiserner Junggeselle, war drauf und dran, sich erstmalig in seinem Leben zu verlieben. Und auch hier hatte Linda vor, ihm ordentlich in die Parade zu fahren. Und dann gibt es noch die Hausangestellte Mira, die vermutlich das dunkelste Geheimnis von allen Beteiligten hütet.
Ein Schlüssel am Hals von Linda Ledec führt die Polizei zu einem Bankschließfach …
Eine analoge und auch altbackene und ignorante Person wie das Mordopfer, hat natürlich auch ein analoges Geheimnis. Sie führt akribisch Notizen darüber, wie sie innerhalb der Familie ihre Intrigen spinnt. Auch die erbeuteten Schätze, die sie der labilen Schwägerin abknöpft, um deren erneutes Abdriften in psychische Untiefen vor der Familie zu verheimlichen, hütet das Bankschließfach. Der eigentliche Schatz für die Ermittler aber ist Lindas Notizbuch. Blöd nur, dass es selbst Kevin nicht auf Anhieb entschlüsseln kann.
Keiner scheint der Toten eine Träne nachzuweinen. Was spricht für welchen Verdächtigen?
Ich liebe es, wenn niemand um ein Mordopfer weint. Was mich am Schreiben von Krimis so fasziniert, ist die Frage: Was muss alles passieren, damit man Menschen zu einem Mord treibt? Linda Ledec ist ein Paradebeispiel dafür. Sie gefährdet die Liebesbeziehungen der beiden Brüder, den Seelenfrieden der alten Frau Gräfin und die Sicherheit von Mira und ihren Eltern obendrein. Ein unsichtbarer Dritter kommt aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen im Haus nicht in Frage. Also muss die Täterin oder der Täter innerhalb der Familie zu suchen sein. Martin hätte die Kraft, die Möglichkeit und natürlich auch ein Motiv. Die alte Frau Gräfin hätte guten Grund, sitzt aber im Rollstuhl und ist sehr gebrechlich. Stefan, der Ehemann hätte sich und die Kinder gerne von Linda befreit. Aber er hat als einziger ein wasserdichtes Alibi. Und die beiden Jungen – Amon und Chantal – geben sich gegenseitig ein solches. Mira, die Hausangestellte, würde alle Anforderungen erfüllen. Sie hätte allerdings jemand von der Familie ins Haus lassen müssen.
Irgendwann geraten die Ermittlungen in eine Sackgasse. Major Metz will dem Familienoberhaupt, Gräfin De La Warenne, mitteilen, dass man den Fall einstellt. Doch da gesteht ihm die Alte, die demnächst in einer Seniorenresidenz wohnt, etwas Ungeheuerliches.
Die alte Gräfin lässt es sich nicht nehmen, geschickt ihre Karten auszuspielen. Ganz Dame von Welt, bittet sie Metz zu einem gediegenen Mittagessen in die Villa. Er gibt offen zu, dass die Ermittlungen aufgrund der mangelnden Beweise eingestellt werden müssen. Die alte Dame wurde inzwischen von ihren Kindern entmündigt und verlässt Wien demnächst Richtung Schweiz, wo sie ihren Lebensabend in einer gediegenen Residenz verbringen soll. Sie genießt die Gesellschaft von Metz, der mit seinen Umgangsformen punkten kann, so sehr, dass sie sich dazu hinreißen lässt, ihm ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Im Anschluss ist Metz alles klar. Nur leider nützen ihm die Informationen, die die Frau Gräfin ihm zum Nachtisch serviert, absolut nichts.
Sie haben „Karma“ und „Dame vernichtet“ binnen nur eines Jahres veröffentlicht. Werden Sie in diesem hohen Tempo weitermachen?
Wenn es nach mir geht: Unbedingt! Ich bin selbst überrascht davon. Aber die Geschichten schreiben sich praktisch von selbst. Inzwischen vermisse ich meine Romanfiguren sogar, wenn ich mich ihnen länger nicht widmen kann. Ich möchte auch nächstes Jahr auf jeden Fall zwei Bände herausgeben, da es noch so viel zu erzählen gibt.
Was brauchen Sie, damit Sie gut schreiben können?
Ich bin seit meiner Selbständigkeit als Autorin überraschenderweise ein sehr disziplinierter Mensch geworden. Und glauben Sie mir: Das hat niemanden mehr überrascht als mich! Ich schreibe die Krimis immer in den ersten Stunden am Morgen, meistens so zwischen sechs und sieben Uhr. Diese Zeit ist fix dafür reserviert. Ruhe brauche ich unbedingt, ansonsten nur Kaffee. Diese Passion teile ich mit Metz und Hilde.
Machen Sie auch Lesungen?
Das würde ich grundsätzlich gerne, vor allem dann, wenn man es mit einem guten Zweck verknüpfen könnte. Mal schauen, was die Zukunft hier bringt.
Was bedeutet Ihnen Wien als Schauplatz?
Auch auf die Gefahr hin, Klischees zu bedienen: Wien hat eine alte Seele. Der Totenkult rund um den Zentralfriedhof, die vielen Kirchen und die verwinkelten Gassen, wo jeder Pflasterstein Geschichte und Geschichten erzählen könnte: Das bietet sich als Schauplatz für Krimis natürlich großartig an. Die Stadt ist groß genug, um alle möglichen Handlungsstränge zu erlauben. Aber sie ist immer noch lieblich und überschaubar genug, um mit Charme punkten zu können.
Haben Sie einen Lieblingsort in Wien?
So ziemlich jedes Museum. Und davon hat Wien eine ganze Menge zu bieten.