
© Regine Mosimann / Diogenes Verlag
Donna Leon und Commissario Brunetti – die beiden sind ein untrennbares Paar. Anlässlich des Erscheinens des 25. Falls für den venezianischen Kommissar sprechen wir mit der Bestseller-Autorin über die Magie von Zahlen, über den brandneuen Brunetti-Fall „Ewige Jugend“ und über ihr geheimes Lieblingsbuch. Außerdem verrät uns die Grande Dame des Kriminalromans wie eigentlich alles begann, vor vielen Jahren – mit ihr und Brunetti – und ob es überhaupt noch einen 26. Fall geben wird.
Frau Leon, herzlichen Glückwunsch, kürzlich ist mit „Ewige Jugend“ Brunettis 25. Fall erschienen. Diese vielen Bände zu schreiben, gleicht einem künstlerischen und literarischen Marathon, einem Marathon der Phantasie. Und doch wirkten Sie kein bisschen aus der Puste. Ist Ihnen die große Leistung, die hinter dieser großen Zahl steht, eigentlich bewusst?
Ehrlich gesagt habe ich nicht das Gefühl Großartiges erreicht zu haben. Ich schreibe jedes Jahr ein Buch; viele Krimiautoren machen das so, allen voran Ruth Rendell, die manchmal sogar zwei schrieb, und das immer in höchster Qualität. Das Schreiben hat mir stets großen Spaß gemacht und das wird so bleiben.
Was bedeutet Ihnen das Brunetti-Jubiläum?
Es bedeutet, dass das nächste Buch, das ich übrigens bereits geschrieben habe, das sechsundzwanzigste sein wird. Ich fürchte, ich glaube nicht an die Magie von Zahlen. Ich hatte bislang sechsundzwanzigmal das Vergnügen, einen Brunetti-Band verfassen zu dürfen und das ist wunderbar.
Lassen Sie uns zurückblicken: Wie fing alles an – mit Ihnen und Brunetti? Was war Ihre erste Idee und wie kamen Sie darauf?
Ich unterhielt mich mit Freunden in der Garderobe des Teatro La Fenice darüber, was passieren würde, wenn ein berühmter Dirigent während einer Vorstellung tot in der Garderobe aufgefunden werden würde. Ich dachte mir, dass es interessant sein könnte dies in einer Kriminalgeschichte zu verarbeiten. Und so machte ich mich an die Arbeit.
Hat sich der Commissario im Laufe der fünfundzwanzig Bände verändert?
Ich glaube, dass Brunetti durch seine Arbeit trauriger geworden ist, da er gesehen hat, wie böse die Menschen sein können und wie viel Schaden sie anderen zufügen können. Er ist älter geworden, in dem Sinne, dass er ernsthafter über das Leben nachdenkt und weniger der Illusion unterliegt, dass die Menschheit gut ist.
Und wie hat sich Ihr Verhältnis zu ihm verändert?
Ich kenne ihn jetzt besser; weiß, wie er denkt und was seine Meinung zu bestimmten Themen ist. Auch wurden wir von all den Büchern geformt, die wir gemeinsam lesen, während ich die Bücher schreibe; denn er liest, was ich während des Schreibprozesses lese.
Im Jubiläumsfall „Ewige Jugend“ taucht Brunetti selbst in die Vergangenheit ein: Er widmet sich einem mysteriösen Vorfall, der bereits fünfzehn Jahre zurückliegt. Ein Mädchen, Enkelin einer noblen Contessa, war seinerzeit von einer der Brücken Venedigs gestürzt und beinahe ertrunken. Seither ist es behindert. Sein Geist verharrt im Zustand einer Siebenjährigen. Brunetti aber glaubt nicht an einen Unfall. Gibt es einen Anknüpfungspunkt in der Realität für diese Geschichte?
Nein, die Einzelheiten dieses Ereignisses habe ich komplett erfunden. Ich habe das Buch geschrieben, weil ich gerade einige von Ross MacDonalds Romanen wieder gelesen hatte, ein Amerikaner, den ich sehr bewundere. Sein Ermittler, Lew Archer, entdeckt immer wieder, dass die Auslöser für die Verbrechen, die er versucht aufzuklären, oft in der Vergangenheit zu finden sind, mitunter fünfzehn bis zwanzig Jahre zurück. Ich war von dieser Besonderheit in seinen Büchern fasziniert und nahm mir vor, eine Geschichte nach eben diesem Muster zu schreiben.
An vielen Stellen Ihrer Werke finden sich kulturelle Verweise – auf Musik, Kunst und Literatur. Gibt es für Sie ein Buch, das Ihr Leben entscheidend prägte? Ein Lieblingsbuch?
Ich habe viele Lieblingsbücher. Eines ist „Stolz und Vorurteil“, das sehr schön zeigt, was für eine geniale Schriftstellerin Jane Austen war. In diesem Roman kommen weder Gewalt, laute Stimmen, noch Kämpfe vor und trotzdem schafft sie es, dass der Leser stets aufs Äußerste gespannt ist, was mit den Charakteren als nächstes passiert. Auch kommentiert sie ausgiebig und auf sehr witzige Weise die Menschen und ihre seltsamen Verhaltensweisen.
Wird es bald einen sechsundzwanzigsten Brunetti geben? Von was handelt er?
In Band 26, „Earthly Remains“, fährt Brunetti zur Entspannung hinaus in die Lagune und wird dort durch Zufall in einen seltsamen Todesfall hineingezogen. Es scheint sich um einen Unfall zu handeln. Aber als er beginnt, Fragen bezüglich des toten Mannes zu stellen, kommt heraus, dass etwas anderes die Ursache gewesen zu sein scheint.
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