Seit jeher sind Buchhandlungen mein Wohlfühlort Nummer eins“, sagt der Autor Torsten Woywod. „Sie sind Ruhepole, Schatzkammern und Inspirationsquellen.“ Die schönsten wirken wie aus einer verlorenen Zeit: Der Boekandel Dominicanen in der ältesten gotischen Kirche der Niederlande wird liebevoll „Bookshop made in Heaven“ genannt. Wie im Bücherhimmel fühlt man sich auch bei Cook and Book in Brüssel, wo über 500 ausgewählte Exemplare von der Decke herabhängen. Und Livraria Lello in Porto inspirierte J.K. Rowling angeblich zu „Harry Potter“: Diese in einem Jugendstil-Gebäude aus dem 19. Jahrhundert beheimatete „Kathedrale der Bücher“ bietet Stammkunden ein Jahresabo, das ihnen die Touristenschlange erspart.
All das erzählt Woywod in seinem bebilderten Reisebericht „In 60 Buchhandlungen durch Europa“ (Eden Books), für den er zwölf Länder besuchte. Buchläden berauben den gelernten Buchhändler „zuverlässig jeglichen Zeitgefühls und beschenken mich im Gegenzug mit den schönsten Geschichten“. Wie die vom Shakespeare and Company in Paris: In den 1920ern Treffpunkt der Lost Generation rund um Ernest Hemingway und F. Scott Fitzgerald, bot ihr Ableger später Fremden freies Logis – wenn sie täglich ein Buch lasen, in der Buchhandlung aushalfen und etwas
über sich schrieben.
Dass sich manche Geschichte bis heute weiterschreibt, zeigt der Erzählband von Zelda Fitzgerald. Sie und Scott waren das Glamourpaar der Roaring Twenties, wobei der ebenfalls schreibenden Ehefrau die Rolle der „erratischen Muse“ zufiel. Zeldas eigene Kurzgeschichten wurden meist unter Scotts Namen veröffentlicht – bestenfalls mit ihr als Koautorin. Knapp 70 Jahre nach ihrem Tod kommt der späte Ruhm: „In Himbeeren mit Sahne im Ritz“ (Manesse) erzählt Zelda von selbstbewussten Frauen, die über ihr Schicksal hinauswachsen. „Im Stillen erwartete sie Großes vom Leben“, heißt es über eine von ihnen, „und zweifellos war das einer der Gründe, warum das Leben ihr Großes gewährte.“
Zu den ganz Großen zählt auch Ida Perkins. Für viele Fans war es „Liebe aufs erste Gedicht“, und als die Lyrikerin am 4. November 2010 mit 85 Jahren starb, erklärte Präsident Obama diesen Tag, der auch Perkins Geburtstag war, zum Nationalfeiertag. In Ihrem persönlichen Lieblingsbuchladen werden Sie dennoch vergeblich nach Ida Perkins fahnden. Lesen Sie stattdessen „Die Muse von Jonathan Galassi“ (S. Fischer). Dieser Roman führt in die Verlage und Buchläden New Yorks zu einer Zeit, „als Bücher unzählige Räume füllten und ihr Innenleben – magische Worte, Prosa und Poesie – ihren Liebhabern wie Wein war, wie Parfüm und Sex und Ruhm“. Damals konnte eine Dichterin wie Ida Perkins die Welt verzaubern, und sei es auch nur in der Phantasie des Autors …
Tina Rausch, Süddeutsche Zeitung, Wohlfühlen, 4 2016