Herr Dr. Lütz, Ihr Hörbuch heißt “Der Skandal der Skandale – Die geheime Geschichte des Christentums”. Was ist am Christentum skandalös und welche Geheimnisse enthüllen Sie?
Die meisten kennen die Geschichte des Christentums nur als Skandalgeschichte: Kreuzzüge, Hexenverfolgung, Inquisition. Doch die wenigsten wissen, dass die neuste Forschung zu all diesen Themen zu höchst überraschenden Ergebnissen gekommen ist. Ich habe den Text lesen lassen von führenden Historikern, damit alles stimmt, aber auch von meinem Friseur, damit es locker und allgemeinverständlich bleibt.
Warum ist genau jetzt die richtige Zeit für dieses Hörbuch?
Alle reden vom christlichen Menschenbild, von christlichen Werten, vom christlichen Abendland, aber niemand weiß so recht, was eigentlich dabei christlich ist. Das entscheidende Problem ist, dass sogar die meisten Christen selber sich ihrer eigenen Geschichte schämen – ohne sie wirklich zu kennen. Wenn die 2000 Jahre nur Mist gewesen sind, dann ist das Christentum definitiv als geistiges Fundament Europas diskreditiert und uns verbindet nur noch der Euro und die Binnennachfrage.
Ihr Hörbuch ist nicht nur kenntnisreich, sondern auch unterhaltsam, weil Sie keine Furcht vor provozierenden Aussagen kennen. Zum Beispiel bezeichnen Sie den Islam als die toleranteste der drei monotheistischen Weltreligionen – da würden Ihnen derzeit viele Menschen widersprechen. Gleichzeitig erklären Sie das Christentum zum Erfinder der Toleranz. Könnten Sie das bitte erklären?
Beides stimmt und widerspricht sich gar nicht. Warum? – Da möchte ich den Hörbuchhörern nicht die Spannung nehmen, mich hat das ja selber überrascht, als ich mich mit dem Thema näher befasste.
Ihr Werk “Der Skandal der Skandale” ist ein faktenreicher Parforceritt durch die Historie. Wenn Sie zurückblicken: An welchen Skandalen hat die heutige Kirche besonders zu knabbern?
Heute ist es natürlich immer noch der schreckliche Missbrauchsskandal, mit dem ich mich wissenschaftlich näher befasst habe, der kommt selbstverständlich auch vor. Das entscheidende Problem ist aber die erstaunliche Ahnungslosigkeit, was die Geschichte des Christentums betrifft.
Sie sind nicht nur Theologe, sondern auch Arzt. Welche Therapie empfehlen Sie in diesen Fällen?
Aufklärung, sich den Erkenntnissen der Wissenschaft stellen! Es ist ein Hörbuch für Christen, die keine Angst vor der Wahrheit haben, und für Atheisten, damit sie wissen, woher sie kommen. Das ist auch eine Frage der Allgemeinbildung. Jeder Europäer muss all das, was in diesem Hörbuch zur Sprache kommt, wissen, wenn er kompetent über seine eigene Geschichte mitreden will.
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