ISBN 978-3-462-05290-9

640 Seiten

€ 10,00

Er erhielt niederschmetternde Absagen und gab doch nie auf. Syndikats-Komplize Christof Weigold erzählt die kämpferische Geschichte der Entstehung seines Krimis „Der Mann, der nicht mitspielt“.

Christof Weigold war Autor der Harald-Schmidt-Show, heute ist er erfolgreicher Krimiautor

Der Mann, der nicht mitspielt

Die Blätter sind in einer mir fremd erscheinenden Handschrift abgefasst

Viele Bücher habe eine besondere Vorgeschichte. Bei mir und meinem Debütroman „Der Mann, der nicht mitspielt“, dem ersten Band meiner historischen Hollywood-Krimis, umspannte sie dreißig Jahre: Als ich zwanzig Jahre alt war, las ich mit Begeisterung amerikanische Detektivromane, von Hammett, von Chandler. Animiert von Tonfall und Setting, setzte ich mich hin und begann selbst das erste Kapitel von einem zu schreiben. Mit der Hand. Wir befanden uns im Jahr 1986. Ich machte meinen Zivildienst in München und hatte schon immer geschrieben – Theaterstücke, das, was ich für Filmdrehbücher hielt, Gedichte, Kurzgeschichten. Jedoch außerhalb einer Schülerzeitung vollkommen unveröffentlicht. Die Blätter dieses Romananfangs haben sich erhalten, sie sind in einer mir heute fremd erscheinenden Handschrift abgefasst.

Ein erfolgloser Schauspieler wird aus Geldnot Detektiv in Hollywood

Die Sprache ist ziemlich den Originalen abgelauscht, doch die Elemente des Privatdetektivromans, den ich Jahrzehnte später daraus machen sollte, sind alle bereits da: Hauptfigur ist ein vollkommen erfolgloser, bei Castings versagender Schauspieler deutschen Ursprungs in Hollywood, der gegenüber dem Studio in einer Bar abhängt, aus Geldnot in einen Fall als Detektiv gerät und in Ermangelung eines Automobils mit der Trambahn durch die Stadt fährt. Irgendwoher wusste ich, dass das Straßenbahnnetz in Los Angeles sehr gut ausgebaut war, und das hatte es mit München gemeinsam: Direkt vor meinem Haus – in dem sich früher einmal ein legendärer Schwabinger Puff befunden hatte, Hohenzollernstraße 112 – fuhren zwei Linien vorbei, was ich mitsamt dem Quietschen der Gleise atmosphärisch in den Text übernahm. Mein Romananfang spielte in den späten 40er-Jahren, also dem „Goldenen Studiozeitalter“ Hollywoods, in dem auch die klassischen amerikanischen Vorbilder angesiedelt sind.

Dann wechselte ich als Autor zur Harald-Schmidt-Show

Ich ließ das Ganze liegen, so wie ich damals vieles begann und ausprobierte. In den nächsten Jahren las ich es immer wieder und dachte darüber nach, doch ich schrieb andere Sachen. 1988 wurde mein Theaterstück „Links der Isar“, das ich mit neunzehn geschrieben hatte, beim Münchner Autorentheaterwettbewerb des Gasteig uraufgeführt (wenngleich leider sehr schlecht). Danach arbeitete ich für Film und Fernsehen. Mit dreißig wechselte ich 1996 als Autor zur gerade gestarteten „Harald-Schmidt-Show“ in Köln, die dann zu einem anfangs von uns unerwarteten Erfolg wurde. Ich spielte auch vor der Kamera mit. In dieser Zeit las ich die Biographie des größten Komödianten aller Zeiten: über Charlie Chaplin von David Robinson. Die Begeisterung für die Stummfilmzeit, die bei mir auch schon durch die Laurel & Hardy- und „Männer ohne Nerven“-TV-Sendungen meiner Kindheit geweckt worden war, brachte mich dazu, über diese Zeit noch mehr zu recherchieren. Sowieso las ich jede Hollywood- und Film-Biographie, die ich in die Finger kriegen konnte, und besaß mittlerweile eine große Sammlung davon.

Es war der deutsche Chef von Universal, der Hollywood mitgründete

Ich entdeckte, dass ein Deutscher Hollywood in der Anfangszeit mitgegründet hatte – der Schwabe Carl Laemmle, der Chef der Universal-Studios. Durch ihn war auch eine deutsche Kolonie in Hollywood von Anfang an präsent. Irgendwann kam mir die Idee, meine Privatdetektivgeschichte genau hier anzusiedeln, also eben nicht in der üblichen Zeit des „Golden age“ zwanzig Jahre später, als Hollywood bereits die Filmhauptstadt der Welt und Los Angeles ein Moloch war, sondern davor, und das Sittenbild mitzuerzählen, wie aus einem staubigen Dorf erst die Stadt entstand, in der Stars gemacht wurden, in der Glamour und ebenso Verbrechen zu Hause waren. Erneut setzte ich mich hin und schrieb das erste Kapitel eines Privatdetektivromans, der in Hollywood spielte. Doch mit einem ganz anderen Anfang und in einem ganz neuen, eigenen Tonfall, diesmal mit Mitte dreißig als geschulter „Harald-Schmidt-Show-Autor“, mit einem Ich-Erzähler, der durch seine Erfahrungen im Showbusiness einen gewissen Zynismus entwickelt hat. Es machte mir Spaß, schien mir richtig und gelungen, ich hatte meine „Stimme“ gefunden.

Mein Antiheld bekommt einen Auftrag von einer rothaarigen Schönheit

Dieses erste Kapitel, in dem mein Antiheld einen Auftrag von einer rothaarigen Schönheit erhält und dadurch erst zum Privatdetektiv wird, würde später – mehr oder weniger genauso wie damals geschrieben – das erste Kapitel meines ersten Romans sein. Doch noch war ich nicht soweit, diesen wirklich zu schreiben, ich war ja stark eingespannt, als Autor der Schmidt-Show und danach als freier Autor für Filmdrehbücher – Komödien, womit ich sehr gut ins Geschäft kam. Das Kapitel blieb dreizehn Jahre lang in der Schublade liegen.

Der Literaturagent entmutigte mich eher und ließ mich hängen

Drehbuchautor ist ein harter Job, das Ergebnis – die Filme – sieht nie so aus wie das, was man in seinem Kopf entworfen hat, da zu viele Leute in der weiteren Entstehung mitmischen. Irgendwann begann ich doch, darüber nachzudenken, einen Roman zu schreiben, als etwas, das ich nur für mich schreiben könnte. Erste Versuche betrafen ganz andere Geschichten und Genres, ich schrieb Romananfänge neben den Drehbüchern. Lange hing ich damit in der Warteschleife eines Literaturagenten, der mich eher entmutigte. Jahrelang diskutierte ich mit einem Freund, der ebenfalls Drehbuchautor war und einen Roman veröffentlicht hatte, wie ich diese Hollywoodgeschichte in den Griff bekommen könnte.

Mein 50. Geburtstag rückte näher, ich würde bald tot sein – also schrieb ich

Ich konzentrierte mich dabei nun auf authentische Skandale und Mordfälle der Stummfilmzeit, sie waren fast alle unaufgeklärt, so könnte mein deutscher Detektiv eigene Auflösungen ermitteln und das Ganze eine Romanreihe werden. Aber lange Zeit sah ich keinen Weg, diese echten Fakten und meine fiktive Figur zu einem schlüssigen Ganzen zu verbinden. Zudem hatte ich noch nie in meinem Leben einen Krimi geschrieben, auch nicht als Drehbuch. Als ich schließlich neunundvierzig war und mein fünfzigster Geburtstag in Reichweite kam – ein böses Datum, ich machte mir sehr existentielle Gedanken – beschloss ich, nun einen wirklich ernsthaften Versuch zu machen und den Roman zu schreiben. (Es war ja sowieso alles egal und ich bald tot.) Und zwar nicht nur den Romananfang, sondern diesmal den kompletten Roman, denn das schien nötig, um als unbekannter Autor den Verlagen zeigen zu können, dass man einen solchen Text auch hinbekäme. Er würde 600 Seiten haben müssen, denn so lang müssten historische Romane sein, hatte mein erfahrener Freund mir gesagt, um in die Zeit einzutauchen.

Neun Monate brauchte ich für das Rohmanuskript meines ersten Krimis

Ich recherchierte noch einmal ausgiebig, legte mir mit meinem autodidaktisch erlernten Drehbuch-Handwerk alles für den langen Roman zurecht – ich ging es so an, wie ich es für ein TV-Seriendrehbuch mit mehreren Folgen tun würde – und dann begann ich über das vorliegende erste Kapitel hinaus zu schreiben. Ich brauchte neun Monate für das Rohmanuskript, insgesamt circa anderthalb Jahre für die Fertigstellung. Nach der ersten Hälfte dachte ich darüber nach, diese einem Agenten zu zeigen, doch ich entschied mich dagegen, um mich nicht beeinflussen, den Text nicht verwässern zu lassen. Stattdessen rekrutierte ich aus meinem Freundeskreis vier Testleser (drei Frauen und einen Mann), die die einzelnen Teile des Manuskripts während des Entstehens sukzessive als Fortsetzung erhielten. Mit ihren Anmerkungen als Korrektiv ausgestattet, schrieb ich immer weiter, bis zum Ende. Zwei Wochen vor meinem 50. Geburtstag am 27. Februar 2016 hatte ich das Rohmanuskript fertig und meine Zielmarke erreicht.

„Das können Sie komplett vergessen. Kein Verlag wird das veröffentlichen.“

Ich bearbeitete den langen Text noch intensiv bis Mai, dann kontaktierte ich einen neuen Agenten, der mir empfohlen worden war, um die erste professionelle Meinung aus der Branche einzuholen. Ich pitchte ihm die Geschichte am Telefon und er sagte dazu, noch ohne etwas gelesen zu haben: „Das können Sie komplett vergessen. Kein deutscher Verlag wird jemals eine Hollywoodgeschichte veröffentlichen, Sie müssen das nach Deutschland verlegen, nach Babelsberg in die Filmstudios, vielleicht am besten in die 50er Jahre!“ Ich sagte, das ginge nicht, denn ich hatte ja einen authentischen Hollywoodskandal aus der Stummfilmzeit erzählt, mit allen Details, und noch dazu ein Sittenbild der Zwanziger.

Zur Frankfurter Buchmesse bot meine Agentin das Manuskript Verlagen an

Ich schickte das Manuskript an zwei weitere Agenten. Einer meldete sich niemals, der andere vertröstete mich immer wieder. Ich schickte es einer vierten Agentin. Nach zwei Wochen hatte Hanne Reinhardt von der Literarischen Agentur Simon es gelesen und sagte, sie fände es sehr gelungen und wolle mich damit vertreten. Erst in genau diesem Moment – und nachdem ich mich nicht mit der ersten Meinung zufrieden gegeben hatte – wusste ich wirklich, dass ich offenbar einen gelungenen Text hinbekommen hatte und Krimis schreiben konnte. Kurz darauf, zur Frankfurter Buchmesse, bot sie das Manuskript zahlreichen Verlagen an und wartete auf Angebote. Am 15. November 2016 rief sie mich an und sagte mir, es gäbe ein erstes Angebot. Es war vom Verlag Kiepenheuer & Witsch, genau dem Verlag, zu dem ich mit meiner historischen Krimireihe wollte.

Mittlerweile sind zwei weitere Bände meiner Hollywood-Serie erschienen

„Der Mann, der nicht mitspielt“ erschien dort am 15. Februar 2018 im Hardcover, wurde für den Friedrich-Glauser-Preis des Syndikats als bester Debütroman nominiert und gewann ebenfalls dafür den Preis des Mordsharz-Festivals, den „Harzer Hammer“. Der zweite Band der Reihe, „Der blutrote Teppich“, erschien am 11. April 2019, der dritte Band, „Die letzte Geliebte“, am 20. August 2020.

Davon handelt Christof Weigolds „Der Mann, der nicht mitspielt“:

Hollywood in den Roaring Twenties – die Zeit der Stummfilme und der Prohibition, ein wahres Sündenbabel. Rätselhafte Todesfälle erschüttern die Stadt und bedrohen die noch junge Filmindustrie. Mittendrin: ein deutscher Privatdetektiv. Hardy Engel, ein gescheiterter Schauspieler, wird von der schönen Pepper Murphy beauftragt, das stadtbekannte Starlet Virginia Rappe zu finden. Kurz darauf stirbt Virginia unter mysteriösen Umständen, nachdem sie eine Party des beliebten Komikers Roscoe „Fatty“ Arbuckle besucht hat. Dieser wird beschuldigt, sie brutal vergewaltigt und tödlich verletzt zu haben. Angefacht von den Boulevardzeitungen entwickelt sich der Fall zu einem Skandal, der ganz Hollywood in den Abgrund zu ziehen droht. Hardy Engel ermittelt in rivalisierenden Filmstudios und in der Kolonie der Deutschen rund um Universal-Gründer Carl Laemmle. Als er schließlich die Wahrheit herausfindet, die allzu viele Leute vertuschen wollen, ist nicht nur sein Leben in Gefahr.

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