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Ein Lagerfeuer an der Chinesischen Mauer und E-Mails wie aus dem Krieg. Fremd duftende Körper und uralte Braukunst.

Ai Weiweis blaue Badeschlappen – Jörg Steinleitner kauft in China ein

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Viel Knoblauch mit Feinstaub und kein Gespräch ohne Missverständnis. Wer etwas erleben will, der reist nach China. Eine Kolumne mit köstlichen Nudeln, schlitzohrigen Bauern und wenig Holz für viel Geld.

Ohne Deo riecht man auch in einer Megacity schon nach Stunden wie ein Wilder

Wir kamen mit einem Tag Verspätung in Peking an. Angeblich wegen mechanischer Probleme im Flugzeugmotor. Aber ein Tag Verspätung – das war noch schnell: Unsere Koffer brauchten vier Tage. Sie flogen von München nach Amsterdam, von Amsterdam nach Travemünde; von Travemünde nach Amsterdam, von Amsterdam nach Düsseldorf, von Düsseldorf nach München und schließlich von München nach Peking. Oder so ähnlich.

Wenn man vier Tage lang im Wesentlichen dieselben Kleider trägt, stellt sich unweigerlich ein abenteuerliches Gefühl ein. Man verströmt den Geruch der Wildnis. Zudem führt das Experimentieren mit fremden Deos zu einer Verwandlung. Ich bin jetzt ein Indiana Jones der Großstadt. Auch die E-Mails, die ich an die Fluggesellschaft schicke, werden kriegerischer. Aber das ist kein Problem, denn die Maschine, die die Antworten verfasst, kennt keine Gefühle und ihre Antwort kommt ohnehin erst nach sieben Tagen, Da sind die Koffer längst da.

Viel Knoblauch und viel Feinstaub, auch das ist Peking

Derweil stürzen wir uns in die fremde Kultur. In China bedeutet dies vor allem: Essen. Die Chinesen brauten ja bereits vor 5.000 Jahren Bier. Da saßen wir Europäer noch auf Grashügeln und kauten Baumwurzeln. Entsprechend ist uns der Chinese voraus, was die kulinarische Vielfalt angeht. Es gibt hier Gemüsesorten, die gibt es eigentlich gar nicht. Die Nudeln werden von Hand geschabt, gezogen, gerollt, gefaltet, ihre Konsistenz ist göttlich.

Ein ausgewogenes Essen besteht aus vielen Gerichten, die auf einen runden Tisch drapiert werden. Jedes repräsentiert eine eigene Geschmacksrichtung, Schärfe, Milde und Gaumendichte. Auch wenn der Pekinger Tag für Tag bei Feinstaubwerten lebt, die in Deutschland zu einem sofortigen Autofahrtotalverbot führen würden, ist er gesundheitsbewusst. Viel Gemüse und kein Gericht ohne Knoblauch. Immer Fisch und Fleisch und Tofu.

Aber der chinesische Mensch liebt das Geld ebenso sehr wie der Deutsche. Als wir in unserem Ferienhaus bei der Chinesischen Mauer ein Lagerfeuer machen wollen, bietet uns der Nachbarbauer sofort ein kleines Bündel Holz an. „Nehmt euch einfach, was ihr braucht.“ Wir sind beeindruckt von seiner Großzügigkeit. Als das Feuer brennt, kommt er und verlangt 100 Yuan, das sind etwa 15 Euro. Dies wäre auch im teuren Deutschland ziemlich viel Geld für wenig Holz. Doch jetzt brennt es schon. Was tun?

„You can put your bag Ai Weiwei“ – was meint er damit nur?

Wer reist, braucht Humor. Aber Missverständnisse können ja auch lustig sein: Ganz gleich, von was mir mein chinesischer Freund Xi Lantao begeistert auf Englisch erzählt, in jedem Satz kommt der Name des Künstlers Ai Weiwei vor. Auch, wenn wir uns gar nicht über Kunst unterhalten! Eigentlich glaube ich zu verstehen, was Xi Lantao erzählt, aber dass er so oft Ai Weiwei erwähnt, verwirrt mich. „Ai Weiwei in China are people“, sagt Xi Lantao zum Beispiel. Oder: „You can put your bag Ai Weiwei.“ Ich benötige Stunden, um auf die Lösung des Rätsels zu kommen: Xi Lantao meint gar nicht den berühmten Künstler, er meint „everywhere“!

Als wir beim Abendessen alle gemeinsam anstoßen, rufen Xi Lantao und sein chinesischer Nachbar laut „serious!“. Nach mehreren Trinkrunden dämmert mir, dass sie „cheers“ rufen. Tage später kehre ich stolz von meinem ersten Einkauf ohne ortskundige Begleitung zurück. Ich habe mir blaue Badeschlappen mit richtig schönen Schriftzeichen gekauft. Jedes Mal, wenn ich sie zuhause beim Saunieren trage, werden sie mich an die wunderbaren Tage in China erinnern. Als Xi Lantao die Schuhe sieht, lächelt er und sagt, dass das Koreanisch ist. Verstehe, auch Korea scheint Ai Weiwei zu sein.

P.S.: Zum Haareschneiden werde ich zukünftig immer nach Peking fliegen. Mein Frisör heißt 慕尼黑. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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