„Was man von hier aus sehen kann“ hat eine beeindruckende Hauptperson
Die beste Zusammenfassung ihrer Situation gibt Luise, die ziemlich beeindruckende Hauptperson von Mariana Lekys Roman „Was man von hier aus sehen kann“, selbst. Nach einem guten Drittel der Geschichte sagt Luise: „Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt. Mein bester Freund ist gestorben, weil er sich an eine nicht richtig geschlossene Regionalzugtür gelehnt hat. Das ist erst zwölf Jahre her. Immer, wenn meine Großmutter von einem Okapi träumt, stirbt hinterher jemand. Mein Vater findet, dass man nur in der Ferne wirklich wird, deshalb ist er auf Reisen. Meine Mutter hat einen Blumenladen und ein Verhältnis mit einem Eiscafébesitzer, der Alberto heißt. Diesen Hochsitz da hat der Optiker angesägt, weil er den Jäger umbringen wollte. Der Optiker liebt meine Großmutter und sagt es ihr nicht. Ich mache eine Ausbildung zur Buchhändlerin.“
Mariana Leky kreist um die großen Themen des Lebens
Damit ist umrissen, worum es in diesem luziden Roman geht: um Freundschaft und die Gewalt des Schicksals, um Fernweh und Nähe, um Liebe und Wut, um Ehrlichkeit und die Lügen des Alltags. Der Mensch, dem Luise die Erklärung ihrer Situation derart komprimiert auseinandersetzt, ist Frederik. Ein Deutscher, der sich in ein buddhistisches Kloster nach Japan zurückgezogen hat, um dort zu sich zu finden. Dass er zufällig in Luises Dorf landet und auf diese besondere Person und Ich-Erzählerin trifft – man kommt sich auch körperlich näher – stellt sein Mönchsdasein in Frage. Und so ist eine der spannendsten Fragen in „Was man von hier aus sehen kann“, ob dieses Paar trotz der vielen gegen eine Liebe sprechenden Umstände zusammenfinden wird. Zunächst einmal jedenfalls verschwindet Frederik so plötzlich aus Luises Leben wie er aufgetaucht ist.
Ein Okapi spielt in „Was man von hier aus sehen kann“ eine wichtige Rolle
Neben dieser „Liebesgeschichte“ gibt es noch ein anderes Motiv, das die Handlung über den gesamten Roman trägt: Es ist die Tatsache, dass Luises Großmutter Selma, wie bereits erwähnt, gelegentlich von einem Okapi träumt und wenn sie dies tut, das wissen die Menschen im Dorf, wird binnen eines Tages jemand sterben. Wer dies sein wird, weiß jedoch niemand. So setzen die tickende Uhr und die bangemachende Ungewissheit allerlei sonderliche Aktivitäten in Gang, von denen Mariana Leky mit einem menschenliebenden Humor zu erzählen weiß.
Obendrein ist Mariana Lekys „Was man von hier aus sehen kann“ lustig
Würden diese beiden großen Geschichten von „Was man von hier aus sehen kann“ schon locker genügen, um den Leser zu fesseln, fährt Mariana Leky zusätzlich noch Lebensweisheiten und Beobachtungen auf, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt. Ganz nebenbei macht sie dies und man fragt sich, aus welchem Handgelenk diese unglaublich talentierte Autorin das nur immer wieder schüttelt. Derart locker kommt das nämlich rüber. Das Okapi ist übrigens – O-Ton Mariana Leky: „ein abwegiges Tier, das im Regenwald lebt. Es ist das letzte große Säugetier, das der Mensch entdeckt hat. Es sieht aus wie eine Mischung aus Zebra, Tapir, Reh, Maus und Giraffe“. Ja, lustig ist Mariana Lekys Roman bei aller Weisheit obendrein. Der Optiker zum Beispiel trägt ein kleines Schild am Pullunder, auf dem steht: „Mitarbeiter des Monats“. Der Optiker ist sein einziger Mitarbeiter.