Frau Bluhm liest: „Eine andere Vorstellung vom Glück“ 5 von 5 Blu(h)men
Marc Levys „Eine andere Vorstellung vom Glück“ strotzt vor echten Gefühlen
Von dem französischen Autor Marc Levy kannte ich bisher nur „Solange du da bist“, ein Roman, der im Übrigen auch wundervoll verfilmt wurde. Reese Witherspoon und Marc Ruffalo … einfach wunderschön. Nun kommt „Eine andere Vorstellung vom Glück“ in die Buchläden – und ich muss sagen: Auch hier glänzt der Autor wieder mit einer Geschichte voller echter Gefühle und kleiner Gesten, die den großen Unterschied machen.
Agatha bricht aus dem Gefängnis aus – und Milly wird zu ihrer Helferin
Wir begegnen der Hauptfigur Agatha am Tag ihres Ausbruchs aus dem Gefängnis. Seit 30 Jahren saß die ehemalige politische Aktivistin in Haft. Wir begleiten sie bei ihrem ersten Gang zurück in die reale Welt. Was die 50-Jährige dazu veranlasst, ausgerechnet kurz vor Ablauf ihrer Haftstrafe zu fliehen, das erfahren wir erst sehr viel später. Zunächst einmal lernen wir eine andere Heldin kennen: Milly ist Anfang 30, bodenständig und berechenbar. Um nicht zu sagen langweilig. Ach ja, und unfreiwillige Fluchthelferin. Zumindest am Anfang.
Die beiden Frauen sind sehr verschieden, haben aber eines gemeinsam
Denn ab dem Moment, in dem Agatha (scheinbar) zufällig in Millys Oldtimer steigt, beginnt sich das Leben der jungen Frau zu verändern und bei ihrem Roadtrip durchs ganze Land beginnen die beiden zu begreifen, dass sie viel mehr verbindet, als die spontane Begegnung an einer Tankstelle in Philadelphia. Denn irgendwie sind sie beide neu in dieser Welt: Agatha, die sie nach 30 Jahren wieder für sich entdeckt und erst mal mit den ganzen Neuerungen der Moderne komplett überfordert ist, und Milly, die zwar alle Möglichkeiten hatte, das Leben zu entdecken, aber keine davon nutzte. Ich bin mir gar nicht sicher, welche der beiden sich in dieser Situation mehr überfordert fühlt.
Für Milly bietet sich mit dem Roadtrip die Befreiung aus einem öden Leben
Aber natürlich ist es unglaublich ulkig, wie Agatha versucht an der Tankstelle einen “Kanister Elektrizität” für das gestohlene Elektroauto zu kaufen. Gleichzeitig beginnt man beim Lesen die Welt Schritt für Schritt mit ihren Augen zu sehen und erkennt ziemlich schnell, dass nicht alle Neuerungen unbedingt zur Verbesserung der Lebensqualität geführt haben. Milly dagegen, die aufgrund ihrer eigenen Furcht und Antriebslosigkeit in einem absolut langweiligen Leben gefangen war, nutzt diesen Roadtrip als Befreiungsschlag. Und realisiert allmählich, dass alles, was für sie so erfüllend und selbstverständlich war, irgendwie nie dazu beigetragen hat, sie wirklich glücklich zu machen.
Sie reisen von Philadelphia über Nashville bis nach Santa Fe
In jedem Fall ist der Roadtrip auf den Spuren von Agathas Vergangenheit für beide Frauen eine große Chance. Und auch wenn Milly anfangs eher Geisel als Fluchthelferin ist, so entsteht zwischen den beiden sehr schnell ein Band, das von Philadelphia über Nashville bis nach Santa Fe immer mehr stabiler wird. Wir Leser sitzen bei diesem Roadtrip stets auf der Rückbank des alten Autos, das schon Millys Großmutter gehört hat und ich persönlich habe jede Minute davon genossen.
Ein wunderbarer Roman für alle, die gelegentlich das Fernweh plagt
Marc Levys „Eine andere Vorstellung vom Glück“ ist ein wunderbarer Roman für alle Menschen, die gelegentlich das Fernweh plagt. Es ist Buch über Gefühle, Familie und Freundschaft. Es ist spannend und lustig und greift zusätzlich ernste Themen der 70er Jahre auf. Ich fand es interessant diese durch die Augen der beiden unterschiedlichen und dabei sich doch ähnelnden Frauen und ihrer zahlreichen illustren Reisegefährten zu sehen. Und ja, bereits ab Seite 20 hatte ich den beiden einen Platz in meinem Herzen frei gemacht. Ich bin froh, dass ich durch Agatha eine neue Perspektive auf das, was Glück sein kann, erkennen durfte und spreche deshalb für „Eine andere Vorstellung vom Glück“ eine absolute Leseempfehlung aus.