ISBN 978-3-8398-1413-0

€ 19,95

Sean Brummel’s Anti-Ratgeber für ein fauleres Leben

„Einen Scheiß muss ich“ – Interview mit Tommy Jaud

Zunächst eine wichtige Frage, Herr Jaud: Wer beantwortet uns jetzt in diesem Interview die Fragen – der weltberühmte US-Ratgeberautor Sean Brummel oder der vermutlich noch im Teufelskreis des Müssenmüssens gefangene Bestsellerautor Tommy Jaud?

Entscheiden Sie. Mit wem würden Sie denn lieber sprechen?

Ganz ehrlich? Mit Sean Brummel.

Super, ist mir auch lieber.

Herr Brummel, Sie wenden sich mit Ihrem Ratgeber massiv gegen die Kultur des permanenten Müssens.

Absolut. Und deswegen ist mein Buch auch nichts anderes als bestens gelaunte Propaganda gegen unser derzeit liebstes Hobby: das hektische Verheddern in viel zu vielen Aufgaben, Zielen und Vorstellungen, wie der Tag, die Beziehung und das Bankkonto auszusehen haben. Wir haben eben nichts falsch gemacht, wenn wir mit 40 noch keine Villa mit Pool, Weinberg und Elektro-Sportwagen haben, keinen unfassbar attraktiven Partner und keine zwei hochtalentierten Kinder dazu. Eventuell haben wir ja sogar alles richtig gemacht! Das Problem ist das schlechte Gewissen. Es prasseln heute so viele Gebote auf uns herab, dass uns ganz schwindelig wird: Wir müssen weniger Fleisch essen, mehr Sport machen und gut aussehen. Rausgehen, wenn die Sonne scheint, aber trotzdem die Minionsgesehen haben im Kino. Und genau hier komme ich ins Spiel und sage: einen Scheiß müssen wir!

Ganz ehrlich: Ihre Philosophie überzeugt in weiten Strecken. Dennoch behaupten Sie schier Unglaubliches, zum Beispiel, dass Sport fett macht. Könnten Sie das bitte genauer erklären?

Es gibt in der Tat nichts, was fetter macht als Sport. Nehmen wir nur mal das beliebte Jogging, wo wir in einer halben Stunde gerade mal 400 Kalorien verbrennen. Danach gönnen wir uns eine Saftschorle (+200 Kalorien), futtern Energieriegel (+150 Kalorien) und schlagen beim Abendessen mal so richtig zu (+500 Kalorien), denn hey, wir haben ja Sport gemacht! Richtig, wir haben aber deswegen auch mehr gegessen. Und genau deswegen sind wir am nächsten Tag noch ein bisschen fetter. Also wenn ich schon zunehme, dann doch wenigstens wegen eines saftigen Burgers und leckerem Bier und nicht weil ich mich in enganliegender Sportswear durch den Wald schleppe.

Welche Therapie empfehlen Sie statt Sport?

Bier trinken und Fernsehen natürlich! Damit verliere ich nicht nur an Gewicht, ich hab auch mehr Spaß, spare bares Geld und muss nicht mal duschen. Der Trick heißt Grundumsatz plus Bewegung! Grundumsatz heißt: Nur um mich am Leben zu halten, verbrennt mein Körper circa 2.400 Kalorien am Tag, also 100 die Stunde. Weitere 50 Kalorien verbrenne ich durch komplexe Bewegungsabläufe wie Umschalten, Pinkelngehen und Bierholen. Ein Beispiel: schaue ich eine ganze Staffel True Detectives (acht Stunden zu je minus 150 Kalorien = 1.200 Kalorien) auf meiner Couch und trinke drei Bier dazu (drei Bier zu je 200 Kalorien = plus 600 Kalorien), habe ich ohne Sport 600 Kalorien abgebaut und damit 200 mehr als der schwitzende Jogger vor seiner ekelhaften Saftschorle.

Auch dem Kampf gegen den Alkohol haben Sie den Kampf angesagt. Aber bitte, Herr Brummel – jeder Arzt sagt, dass Alkohol lebensgefährlich ist?

Also zunächst mal ist Alkohol nur für den lebensgefährlich, der ihn mir verbietet. Alkohol verbessert die Libido, denn er verhilft Menschen zu Sex, die nüchtern einfach chancenlos wären. Alkohol hilft im Kampf gegen Erkältungen – viele Erkältungsmittel enthalten Alkohol – und dann habe ich neulich eine Studie gelesen, in der es heißt, dass Alkohol gut fürs Herz sei. Ich sag Ihnen ganz ehrlich: Dazu brauch ich keine Studie, ich weiß ja, wie mir die Pumpe geht, wenn kein Bier mehr im Haus ist.

Wir gehen davon aus, dass Ihre These, Essen sei das „neue Vögeln“ , auf starken Widerspruch stoßen wird …

Im Ernst: Der ein oder andere sollte sich schon mal fragen, ob Essen noch den richtigen Stellenwert in seinem Leben hat. Ich hab Freunde, die kommen unter einer Stunde nicht mehr aus dem Supermarkt – weil sie die Hälfte der Zeit mit dem Lesen von Etiketten beschäftigt sind. Wenn sich das ganze Leben nur noch darum dreht, was man isst, ist der Weg zur Essstörung nicht mehr weit, die dann sogar noch zu einer Kulturstörung führen kann, nämlich dann, wenn man aufgrund seiner Essgewohnheiten normale Restaurants nicht mehr betreten kann und frühere Freunde meidet.

Sie zitieren immer wieder Ihren Freund Wayne, der an der Salatbar im Wholefoods arbeitet. Wayne hat eine herrliche Standardantwort gegen den Spruch „Wenn die Wände von Schlachthäusern aus Glas wären, wären alle Veganer!“

Genau, Wayne sagt nämlich: „Wenn die Veganer wüssten, was wir mit ihrem Salat machen, wären alle Metzger!“

Jetzt mal ehrlich: Diesen Wayne gibt‘s doch gar nicht, oder?

Klar gibt es Wayne, ich seh ihn jede Woche auf der Free-Til-U-Pee-Nite.

Wo bitte?

Die Free-Til-U-Pee-Nite im Mollys. Da gibt´s jeden Donnerstag so lange Freibier, bis der Erste auf´s Klo muss. Ist immer ein großer Spaß.

Na ja. Aber zurück zum veganen Essen. Sie schieben ja richtig Hass auf Veganer?

Mich nervt die Selbstgerechtigkeit dieser Gemüse-Taliban. Es kann doch nicht sein, dass ich ein schlechter Mensch bin, weil ich Fleisch und Eier esse und überhaupt an allem schuld bin auf der Welt und der Veganer nicht. Veganer sind keine Heiligen, sie essen einfach nur keine tierischen Produkte. Schuld am Tod von Tieren sind sie natürlich trotzdem, ja manchmal klebt an den gar nicht mal so leckeren fleischfreien Gerichten genauso viel Blut wie an meinem T-Bone-Steak, schließlich müssen auch für den Anbau von Pflanzen sehr viele süße Tiere ihr kleines Leben lassen. Die putzige Feldmaus zum Beispiel. Eben noch wohlgemut durch die Halme geflitzt und tags darauf qualvoll verendet an einer üblen Pestizid-Ver-giftung. Wofür sie ihr kleines Leben lassen musste? Für einen ökologisch korrekten Bissen in einen handwerklich gefertigten Vollkorn-Dinkel-Keks.

Haben Sie eigentlich Personenschutz?

Nee. Mir fallen jetzt spontan auch gar keine Leute ein, die ich schützen wollte.

Und dann gibt es ja noch diese Fuck-It-Liste, die Sie uns ans Herz legen. Was hat es damit auf sich?

Die Fuck-It-Liste kommt von der Bucket-Liste, das eine Liste ist, auf der man abhakt, was man noch so alles erlebt haben muss, bevor man den Löffel abgibt. Auf die Fuck-It-Liste notiert man, was man im Leben auf keinen Fall machen wird. Fließend Spanisch lernen zum Beispiel, einen Marathon laufen oder ein veganes Hacksteak probieren. Das befreit!

Bitte geben Sie uns zum Abschluss dieses inspirierenden Gesprächs noch Ihren Erfolgstipp: Wie können wir erfolgreicher werden nach Sean Brummel?

Hören Sie auf, sich irgendwelche Ziele zu setzen. Ziele sind nämlich nichts anderes als mutwillige Glücksverschiebung, denn was ist ein Ziel anderes als die Aussage: So, wie es jetzt ist, bin ich nicht zufrieden, ich muss erst dies oder das erreichen! Wissen Sie, wie viele Amerikaner ihre Vorsätze fürs neue Jahr auch tatsächlich umsetzen? Es sind acht Prozent! Und jetzt überlegen Sie mal, wie die anderen 92 Prozent sich fühlen. Richtig, sie fühlen sich als Versager. Deswegen sage ich: Keine Ziele zu haben ist jedenfalls besser, als seine Ziele nicht zu erreichen – oder noch kürzer: Wer keine Ziele hat, kann auch nicht scheitern.

ISBN 978-3-8398-1413-0

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Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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