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Brie Larson wurde mit einem Oscar für die weibliche Hauptrolle in „Raum“ ausgezeichnet. Ausgedacht hat sich die haarsträubend spannende Geschichte, auf der der Erfolgsfilm basiert, aber Emma Donoghue.

Der Oscarpreisträger-Film – Emma Donoghue im Interview

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Mit ihr sprechen wir über die Seelen fünfjähriger Kinder, Mütter und Verbrecher, das Schreiben und über spektakuläre Entführungen wie die Fälle Kampusch und Fritzl.

Entsetzt, berührt, amüsiert – die Autorin von „Raum“ erklärt die Hintergründe ihres Meister-Thrillers.

Mrs. Donoghue, in Ihrem Roman „Raum“ erzählen Sie die Geschichte des jungen Jack. Er wächst als Sohn einer gekidnappten Mutter in einem winzigen Raum auf, den er für die einzig wahre Welt hält. Inwieweit dienten Ihnen für Ihr Buch wahre Verbrechen wie die Fälle Fritzl oder Kampusch als Quelle der Inspiration?

Der Fall Fritzl war anfangs der Auslöser, letztendlich verwendete ich aber nur das Bild einer gefangen gehaltenen jungen Frau, die versucht unter erschreckenden Umständen so gut wie möglich ein Kind aufzuziehen; ich veränderte die Fakten und Schauplätze des Falls Fritzl so stark wie möglich, weil ich nicht über real existierende Personen schreiben wollte. Ich wollte auf etwas Einfaches und Universelles hinaus, das atmosphärisch fast märchenhaft wirken sollte. Bei meiner Recherche stieß ich auf viele Fälle – auch den von Natascha Kampusch –, konzentrierte mich aber auf keinen bestimmten. Seltsamerweise ähnelt meine Geschichte im Buch am ehesten dem Fall von JayCee Duggard aus Kalifornien, die aber erst nach der Fertigstellung meines Buchs entdeckt wurde: Manchmal imitiert das Leben die Kunst!

Sie haben für den kleinen Jack eine völlig eigene Sprache entwickelt, eine Sprache von ungeheurer Authentizität und Aussagekraft. Wie haben Sie diese Sprache gefunden – und war es leicht, sie so konsequent durch den ganzen Roman hindurch durchzuhalten?

Diese Sprache musste ich sehr sorgfältig konstruieren – ich studierte meinen damals fünfjährigen Sohn. Dabei achtete ich darauf, jene grammatikalischen Fehler von Kindern einzubauen, die für Erwachsene verständlich sind, nicht aber diejenigen, die verwirren. Außerdem fügte ich Eigenarten hinzu, wie etwa seine sonderbare Angewohnheit, die wichtigsten Gegenstände im Raum zu personalisieren. Als ich mir einmal über die Sprache im Klaren war, war es nicht mehr schwierig sie beizubehalten. Während des Schreibprozesses sah ich die Welt durch Jacks Augen, war also nie versucht in Erwachsenensprache zu verfallen.

Es ist beeindruckend, wie sehr es Ihnen gelingt, in die Perspektive des kleinen Jack zu schlüpfen. Gab es irgendetwas, das Ihnen half, den Blick des Kindes einzunehmen? Einen Trick oder Kniff?

Es half mir, dass ich meinen Sohn sehr gut kannte. Allerdings bin ich für andere Bücher auch schon in einen englischen Grafen aus dem 18. Jahrhundert geschlüpft, oder in eine Kinderprostituierte. Ich denke, eine der Stärken, die ich mir im Laufe meiner 20-jährigen schriftstellerischen Tätigkeit erarbeitet habe, ist es, mit aller Hingabe einen bestimmten Standpunkt zu verinnerlichen.

„Ich genieße es, meinen Leser auf einer Art ‚tonaler Messerschneide’ balancieren zu lassen.“

Erstaunlich an Ihrem Werk ist, dass Sie dem Leser, obwohl Sie eine erschreckende Geschichte erzählen, viele Momente des Humors und der Komik schenken. Inwiefern war Ihnen dies beim Schreiben bewusst?

Meine Freunde könnten ihnen berichten, dass ich keine fünf Minuten ohne Lachen verstreichen lasse. Humor ist ein äußerst wichtiger Bestandteil meiner Arbeit und ich weiß wie hilfreich er sein kann, besonders bei einem finsteren Thema wie diesem. Im Fall von „Raum“ genoss ich es richtig, meinen Leser auf einer Art „tonaler Messerschneide“ balancieren zu lassen: Ich entwarf Momente in denen er hoffentlich gleichzeitig entsetzt, berührt und amüsiert ist.

Jack, der sein Leben lang auf ein paar Quadratmetern eingesperrt war und mit niemand anderem als mit seiner Mutter sprechen konnte, ist so unglaublich klug. Er blickt den Menschen in die Seele. Meinen Sie, ein solches Kind könnte es in Wirklichkeit geben? Meinen Sie, ein kleiner Mensch kann ein derart beengendes Verlies mit einem so weiten Horizont verlassen?

Seine Mutter ist für ihn gewissermaßen das Portal in eine andere Welt: Sie ist es, die ihm alles vermittelt, was sie hat und weiß – vom Einblick in Werte bis hin zum Geist der Hoffnung. Ich bin also der Meinung, dass jedes Kind aufblühen kann, das in den ersten fünf Lebensjahren das bekommt, was es wirklich braucht, nämlich nicht nur Kalorien, sondern Gespräche mit einem liebenden Erwachsenen.

Das Wunderbare an Ihrem Roman ist, dass es Ihnen gelingt, anhand einer packenden Kriminalgeschichte, die auf engstem Raum spielt, unsere ganze Welt mit all ihren Widersinnigkeiten abzubilden. War Ihr Roman von Anfang so groß angelegt?

Ich habe nicht nur den Bachelor sondern auch den Doktor in Englisch gemacht. Das gibt mir eine gewisse Selbstsicherheit als Schriftstellerin, ich bin mir stets darüber bewusst, was ich anstrebe – und ich weiß auch, wann ich versagt habe! Meine Herausforderung bei „Room“ bestand darin, viele große Themen in eine lesbare, spannende Geschichte zu packen; ich wollte Zwölfjährige und Professoren gleichermaßen ansprechen.

„Room“ ist ein weltweiter Bestseller. Sie ernteten zurecht hymnische Kritiken. Wie schwer fällt es Ihnen nach diesem Erfolg, an einem neuen Roman zu arbeiten?

Einen Treffer gelandet zu haben kostet Zeit, das stimmt. Aber ich will mich nicht beschweren! Bei einem Roman ist es wichtig, längere Blöcke am Stück zu schreiben und abzuhaken, das fällt mir nun schwer. Aber ich arbeite an einem neuen Text, wenn auch langsamer als zuvor.

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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