ISBN 978-3-257-06955-6

400 Seiten

€ 22,00

Ein herausragender Roman – ernst, witzig, unterhaltsam

Vom Zauber der Liebe – Emanuel Bergmann im Interview

Herr Bergmann, mit Ihrem Roman „Der Trick” gelingt Ihnen ein kleines Kunststück: Denn obwohl Sie eine Geschichte erzählen, in der auch die dunklen Kapitel des vergangenen Jahrhunderts nicht ausgespart bleiben, ist das Buch witzig und unterhaltsam. Im Mittelpunkt steht ein Junge, der in der Gegenwart lebt. Als sich seine Eltern scheiden lassen wollen, bittet Max in seiner Verzweiflung den Großen Zabbatini um einen Liebeszauber. Zabbatini ist ein alter jüdischer Trickkünstler, der das KZ überlebte und seine beste Zeit längst hinter sich hat. Wissen Sie noch, wie Sie ganz zu Beginn Ihrer Arbeit auf diese beiden Helden gekommen sind, die man sofort ins Herz schließt?

Max bin im Grunde ich selbst. So in etwa war ich als Kind. Trottelig, leichtgläubig, stur wie ein Bock und ansatzweise zickig. Es hat sich nicht viel geändert, an diesen Werten halte ich immer noch fest. In den Zauberkünstler Zabbatini ist natürlich auch viel von mir eingeflossen, im Grunde besteht er aus zwei Charakteren: Einmal als ein noch etwas naiver junger Mann im Europa des finsteren zwanzigsten Jahrhunderts und einmal als alter Mann in Los Angeles. Alte Menschen haben mich schon immer fasziniert. Sie sehen aus wie Muppets und meckern immer, das finde ich witzig. Ich freue mich schon drauf, selber alt zu sein und schamlos rummaulen zu dürfen.

Der alte Zabbatini ist eine sehr vielschichtige Person …

Für ihn gab es verschiedene Impulse: Einen alten und etwas traurigen Varieté-Künstler, den ich mal auf einer Bühne in einem heruntergekommenen Theater in Los Angeles gesehen habe, dessen zugegebenermaßen dämliche Show vom Publikum ignoriert wurde und der mir leid tat. Dann noch einen verschmitzten älteren Herrn, der einen entstellten Arm hatte … und einige andere. Ich kannte viele Zauberkünstler in Los Angeles, und von denen ist viel in die Figur mit eingeflossen. Beide Charaktere waren, nachdem sie jahrelang irgendwo in meinen Gedanken vor sich hinschlummerten, eines Tages einfach da, sie waren völlig greifbar. Manchmal erscheinen mir meine Charaktere im Traum und sprechen mit mir. Besonders Max hat mir eine Weile lang keine ruhige Nacht gegönnt, der Bengel!

 

Gibt es auch ein historisches Vorbild für den Großen Zabbatini?

Erich Weiss, auch bekannt als Houdini. Von dessen Leben war ich stets fasziniert. Hier in Los Angeles stehen noch die Ruinen seiner Villa, die irgendwann abgebrannt ist. Ich war oft dort und habe versucht, mit seinem Geist Kontakt aufzunehmen. Er hat mich aber ignoriert.

Ihr Roman ist auch ein Buch über alle möglichen Formen der Liebe – etwa jener zwischen Mann und Frau oder jener zwischen Eltern und Kindern. Wenn es einen Liebeszauber wie ihn der Große Zabbatini verspricht, wirklich gäbe – wie fänden Sie das?

Zeit meines Lebens habe ich mir nichts so sehr gewünscht, wie einen Liebeszauber, mit dem man tolle Frauen gefügig machen kann. Aber irgendwann habe ich ihn entdeckt, und das hat in der Tat alles verändert: Man muss einfach nett zu ihnen sein.

Sie schildern die Gedanken des elfjährigen Max ebenso glaubwürdig wie alles, was die Erwachsenen denken. Dadurch entsteht viel Witz. Aber woher wissen Sie das nur alles so genau?

Komischerweise ahne ich nie, was andere Menschen denken. Wenn mir jemand seine Gedanken verrät, bin ich immer wieder überrascht. Max denkt wie ich. Wie gesagt, ich habe mich seit meiner Kindheit nicht nennenswert weiterentwickelt. Auf die Fragen, die mir damals schleierhaft waren, habe ich immer noch keine überzeugenden Antworten, zum Beispiel, warum es überhaupt die Sterblichkeit gibt und wozu sie eigentlich gut sein soll.

Sie sind in Saarbrücken geboren, leben aber seit vielen Jahren in Los Angeles, wo auch ein wichtiger Teil der Geschichte spielt.

Ich liebe es, in Kalifornien zu leben, ich liebe das tolle Wetter, die Menschen aus aller Welt, das Chaos der Eindrücke und Kulturen. Aber mir fehlt Deutschland sehr. Außer wenn ich Deutschland bin, dann geht mir nach einer Weile alles auf den Keks. Die Deutschen sind immer so knurrig in der U-Bahn. Ich habe immer das Gefühl, zwischen zwei Stühlen zu sitzen.

Wie Sie von der Zauberkunst erzählen, ist sehr faszinierend. Können Sie selbst auch ein wenig zaubern?

Mein Vater hat mir, als ich noch sehr klein war, einen Trick gezeigt, bei dem er vermeintlich seinen Daumen von der Hand abgetrennt hat. Das verfolgt mich noch heute. Ich habe meine Eltern bekniet, mir einen Zauberkasten zu kaufen und konnte diese Forderung auch irgendwann durchsetzen. Dann mussten meine Verwandten stundenlang meine miserablen Zauber-Aufführungen ertragen. Aber irgendwann ließ mein Interesse daran nach, heute liebe ich zwar die Zauberei, aber nur als Zuschauer. Es ist viel schöner, nicht zu wissen, wie das alles funktioniert. Nur dann ist es zauberhaft. Übrigens war meine Ex-Frau zeitweise die Assistentin eines Zauberkünstlers, so hatte ich Zugang zur Welt der Zauberer in Los Angeles, das war der Grundstein für dieses Buch.

Ihre beiden Helden – der Junge Max und der alte Zauberer Zabbatini – sind altersmäßig sehr weit auseinander. Trotzdem verstehen sie sich sehr gut, wie dies ja oft zwischen Kindern und Großeltern der Fall ist. Warum ist das so?

Ich glaube, dass man in der Kindheit seinem wahren Kern am nächsten ist, und dass man im Alter wieder die Leichtigkeit entwickelt, dorthin zurückzukehren. Ich vermute, dass alte Menschen im Grunde wie Kinder sind. Sie wollen gefüttert werden, Fernsehen gucken und rummosern.

Ihre eigene Biographie ist auch sehr bewegt. Wie kamen Sie eigentlich nach Amerika?

Als ich noch sehr klein war, haben meine Eltern sich scheiden lassen, das hat mich tief geprägt. Meine Mutter hat sich irgendwann in einen Texaner verliebt, weshalb ich als Kind oft in Texas war. Der Texaner hat sie allerdings betrogen und wir sind nach Frankfurt gezogen, wo ich den Rest meiner Kindheit und Jugend verbracht habe. Ich liebe Frankfurt noch heute. Nach dem Abi bin ich nach Berlin gezogen und habe ein paar Monate dort gelebt, dann bin ich nach Los Angeles gegangen, um Film zu studieren. Viele Jahre lang habe ich am Rande der Filmindustrie vor mich hingeschuftet und habe so ziemlich alles in dem Bereich mal ausprobiert.

“Ich habe eigentlich immer geschrieben, schon als Kind, aber ich hatte diesen Teil von mir viele Jahre ausgeblendet. Das war ein Fehler, so habe ich Jahre mit Unsinn vertan.”

Haben Sie Familie?

Ich war viele Jahre lang mit einer Amerikanerin verheiratet, die eine Tochter aus erster Ehe hatte, aber ich habe selbst noch keine Kinder, aber das kommt noch, hoffe ich. Ich werde dieses Jahr erneut heiraten, dann kann ich hoffentlich all das richtig machen, was ich damals falsch gemacht habe.

Sie haben so großes Talent zur Schriftstellerei. Warum veröffentlichen Sie Ihr erstes Buch erst jetzt, mit 43 Jahren?

Ich habe eigentlich immer geschrieben, schon als Kind, aber ich hatte diesen Teil von mir viele Jahre ausgeblendet. Das war ein Fehler, so habe ich Jahre mit Unsinn vertan. Schließlich fing ich an, Krimis zu übersetzen, Filmbücher zu schreiben, und jetzt schreibe ich Artikel, hauptsächlich für die Filmmagazine Widescreen und SFT, ebenso für das Musikmagazin Intro in Köln, aber auch Politisches für die Wochenzeitung Jungle World in Berlin.

Was bedeutet es heute für Sie und Ihr Leben, zu lesen und zu schreiben?

Lesen und schreiben ist ein Grund zu leben.

ISBN 978-3-257-06955-6

400 Seiten

€ 22,00

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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