Was mich bei der Lektüre von „Hotel Laguna“ wirklich ärgert
Es ist vor allem eines, was mich bei der Lektüre von Alexander Gorkows Buch „Hotel Laguna – Meine Familie am Strand“ ärgert: Dass ich nicht ein einziges Mal mit dieser sympathischen, gleichermaßen normalen wie total schrägen Familie nach Mallorca reisen durfte! Nein, genau genommen ärgert mich noch mehr: Auch dass ich nicht mit Alexander Gorkow auf der Terrasse des Hotels Laguna sitzen und alkoholhaltige Getränke schlürfen und den herrlichen Blick in die Bucht genießen konnte, ist eine Zumutung. Und dass bereits zwei Helden dieses mitreißenden Erinnerungsbuchs schon nicht mehr leben, macht mich traurig. Mit ihnen, so scheint es, ist eine ganze Epoche untergegangen: Eine Ära, in der man nicht permanent über die möglicherweise ungesunden Auswirkungen von Lebensfreuden nachdachte, sondern sie sich einfach gönnte.
Wer tot gefahrene Hasen essen darf, braucht kein Animationsprogramm
Ja, die Lektüre von „Hotel Laguna“ fühlt sich in großen Etappen an wie ein Sommerurlaub voller Genüsse und schönem Irrsinn. Mit überbordender Erzähllust entführt uns Alexander Gorkow zu Hummergelagen und zu ganz selbstverständlich lebensgefährlichen Vater-Sohn-Schwimmausflügen in salzige Gewässer. Er fabuliert mit ins Schwarze treffenden Worten von pubertären Jungs-Blicken (es sind seine eigenen als Teenager) auf hübsche Mädchenoberkörper (es war der eines Urlaubermädchens, von dem er hingerissen war); und von durch einheimische Restaurantbetreiber absichtlich totgefahrenen Hasen, die vom mallorquinischen Koch herrlich politisch unkorrekt hinterher zu einem schmackhaften Mahl zubereitet werden. Wer so etwas erleben darf, braucht kein Hotel mit Animationsprogramm. Das echte Leben in diesem Fall ist animiert genug.
Die Dialoge, die uns Alexander Gorkow kredenzt, sind umwerfend komisch
Im Plauderton lädt uns der Autor ins Herz seiner Familie ein und erzählt mit liebevoller Boshaftigkeit von seinen dauerrauchenden und im Urlaub selbstverständlich den ganzen Tag über Alkohol trinkenden Eltern (so war das eben damals); und von seiner großen Schwester, die Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger so linksradikal war, wie es sich eben für eine Familie gehörte, deren Vater sich über Nacht vom Schauspieler in einen Kapitalisten und Kaufmann (für Werkzeuge aus Amerika) verwandelte. Die Dialoge, die Alexander Gorkow in „Hotel Laguna“ an Tischen, in Autos, in Gärten, auf Terrassen und sonstwo inszeniert, sind garantiert nicht genauso gesprochen worden wie er sie aufschreibt, dazu sind sie zu pointiert; aber sicher waren sie so ähnlich – und vor allem lesen sie sich derart amüsant, dass man häufig laut losmachen muss.
Was dieses Mallorca-Buch angeht, haben wir nur einen Wunsch
So ist dieses Buch beste Unterhaltung, es ist ein Zeitdokument, weil es eine Epoche festhält, die vermutlich unwiederbringlich vorbei ist; es ist eine Komödie voller wahrer Geistesblitze eines großen Schlaumeiers, voller aktueller gesellschaftlicher Beobachtungen und kultureller Querverweise; es ist eine Hommage an alle Familien, an Mallorca mit all seinen gruseligen Hässlichkeiten und umwerfenden Schönheiten; es ist ein Schelmenroman, ein Kommentar auf die vergangenen fünfzig Jahre und auf unsere Gegenwart. Es ist ein kleines Schmuckstück. Und wenn wir uns eines wünschen dürften, dann wäre es, dass wir bald ein zweites Buch zu lesen bekommen, in dem zum Beispiel – nach dem Vater – nun die Mutter dieser Familie (oder auch die große Schwester) die Hauptrolle spielt. In welches Land dann die Reise geht, ist eigentlich egal. Wir sind dabei. Und werden es genauso lieben lernen wie Mallorca, das wir so noch nie gesehen haben.
Über Alexander Gorkow