Herr Künzel, eben ist Ihr farbenfroh illustriertes und munter gereimtes Bilderbuch „Familie Krause reist nach Mallorca“ erschienen. Sie beschreiben darin augenzwinkernd die Missgeschicke, die ein Familienurlaub auf Mallorca mit sich bringen kann. Waren Sie denn auch im Sommer auf Mallorca?
Ich habe immer die Nebensaison bevorzugt – auch in diesem Jahr. Und zwar genau aus den Gründen, die im Buch Seite für Seite beschrieben werden.
In Ihrer Geschichte erlebt Familie Krause allerlei Abenteuer: vom Bier auf der Netzstrumpfhose der Gattin über den fehlgeleiteten Koffer in Ecuador bis hin zum überbuchten Hotel, der Baustelle auf dem Nachbargrundstück und dem Ballermann-Rausch. Haben Sie all diese Reiseabenteuer selbst erlebt?
Fast alle, aber nicht zur gleichen Zeit und am gleichen Ort. Schon die erste Mallorcareise mit meinen Kindern begann mit einer deftigen Flugverspätung und nächtlicher Ankunft im Hotel. Und vom Kofferverlust bis hin zum Baustellenlärm könnte ich noch mehr berichten, als im Buch steht. Aber wahrscheinlich gilt das auch für Tausende andere Pauschalreisende. Insofern ist das Buch ja für viele Leser (und ihre Kinder) ein Déja-Vu: Mensch, so etwas haben wir doch auch erlebt!
Nachdem Vater Krause seinen Rausch ausgeschlafen hat, gelüstet es ihn nach Kultur. Aber auch hier ereilt ihn das Urlaubspech …
Ja, er steckt voller Reue über seinen Fehltritt und möchte seinen Kindern wieder ein Vorbild sein. Und was könnte dieses Ansinnen überzeugender vermitteln, als der Besuch einer Kulturstätte, nämlich der berühmten Kathedrale von Palma? Leider hat Papa Krause diese Rechnung ohne den Wirt, sprich Polizist, gemacht, der ein saftiges Knöllchen an der Windschutzscheibe befestigt. Oder wie es im Buch heißt: „Leider teure Strafe droht, / denn man parkt im Parkverbot.“ Auch dieses Thema – Bußgeld im Ausland – wird für viele Leser einen hohen Wiedererkennungswert besitzen!
Die heiter gereimten Verse stammen aus Ihrer Feder, aber die Illustrationen hat Margit Lessing angefertigt. Bitte schwärmen Sie ein wenig von Frau Lessings Bildern.
Das fällt mir nicht schwer. Schon für unser erstes gemeinsames Buch – „Gregors Erbsen“ – hatte sie eigens eine Erbsenzucht angelegt, um die berühmten Kreuzungsversuche Gregor Mendels aus eigener Anschauung illustrieren zu können. Noch eindrücklicher sind ihre Bilder in unserem Buch „Florian verschwindet im Computer“. Es geht hier um einen computersüchtigen Jungen, der letztendlich in seiner virtuellen Welt verschwindet. Hier merkt man, wie gut sich Margit Lessing als gestandene Mutter in eine solche Situation nicht nur hineinversetzen, sondern sie auch in eindrücklichen Bildern wiedergeben kann.
Und da Frau Lessing ebenfalls zahlreiche Familienurlaube hinter sich hat, konnte sie die Mallorcareise von Familie Krause zeichnerisch sehr überzeugend untermalen – fast so, als wäre sie selbst dabei gewesen. Und das immer in ihrem eigenen, unverwechselbaren Stil, der auch kleinste Details zur Geltung kommen lässt.
„Nach dem Frühstück, schnell im Steh‘n, / soll es nun ans Wasser geh‘n. / Man folgt nur der Urlaubs-Meute, / höchstens fünfzehnhundert Leute, / bis zum Highway-Straßenrand, / denn dort steht ein Schild: zum Strand!“ Wenn wir solche Verse lesen, fragen wir uns: Ist Ihr Buch ein Plädoyer fürs Reisen oder eher fürs Daheimbleiben?
Weder noch. Es ist ein Plädoyer fürs Nachdenken mit der ganzen Familie: Was erwarten wir von unserem gemeinsamen Urlaub? Für Kinder ist ja manchmal der Ponyhof im Nachbarort attraktiver als ein Ziel, das nur nach langer ermüdender Fahrt („Wann sind wir denn da?“) erreicht werden kann. Aber auch die Eltern haben ihre Bedürfnisse – und es wäre schön, wenn man darüber im Familienkreise ins Gespräch käme.
Wohin reisen Sie selbst gerne?
Meine Frau und ich sind da sehr flexibel. Von der Antarktis bis nach Norwegen haben wir schon einiges von der Welt gesehen. Stichwort: Entdeckerfreude. Aber zur Erholung fahren wir von Berlin aus auch gern an die Ostsee oder in die Oberlausitz, und das inzwischen ökologisch und ökonomisch verträglich oft mit dem Deutschland-Ticket.
Warum ist Mallorca die Lieblingsinsel der Deutschen?
Mit dieser Frage kommen wir wieder zum Buch zurück. Es müssen ja nicht immer 13 Stunden Flugverspätung sein. Bei gut zwei Stunden Flugzeit ist man manchmal schneller auf der Insel, als wenn man im Stau Richtung Brenner oder Ostsee stünde. Und, nun ja, das gut erreichbare Mallorca erfüllt eben die unterschiedlichsten Bedürfnisse: Von der Strandliege mit Getränkeservice bis zum einsamen Bergwanderpfad ist wirklich alles vorhanden. Und man hat die Wahl zwischen dem krachvollen Ballermann in der Haupt- und seinem friedlichen Pendant in der Nebensaison. Um nur einiges zu nennen!
„So verstreichen, ohne Frage, / turbulente Urlaubstage. / Vieles lässt sich noch berichten, / unvergessliche Geschichten. / Etwa: 40 Grad im Schatten / und am Auto einen Platten.“ Sollen wir uns bei diesen Aussichten auf den nächsten Sommer freuen?
Die erwähnten 40 Grad (und mehr) werden ja offenbar immer realistischer. Freunde von mir haben bei solchen Temperaturen ihren Mittelmeer-Urlaub schon einmal abgebrochen und sind regelrecht nach Hause geflüchtet. Das sind keine schönen Szenarien. Die Vorfreude auf den nächsten Sommer sollte man sich deshalb nicht nehmen lassen – es kommt eben ganz darauf an, wo und wie man ihn verbringt. Auch auf Mallorca wird der Schatten dann wichtiger als die Sonne, und das wäre für die Haut nicht das Schlechteste!
An einer Stelle heißt es: „Mama Krause seufzt verstohlen: / ‚Würd‘ mich gern einmal erholen!‘“ Kann es sein, dass ein Mallorca-Urlaub gar nicht als Erholung gedacht ist, sondern etwas ganz anderem dienen sollte?
Mama Krause hat das ja am eigenen Leibe erlebt: Am Pool stundenlang in der Sonne zu liegen, ist alles andere als erholsam. Aber die Gleichung Sonnenstrahlung = Gesundheit steckt eben tief in uns drin, auch wenn sie falsch ist. Hinzu kommt noch der Erlebnisaspekt, siehe Ballermann. Die kostbarsten Wochen des Jahres müssen bei vielen Menschen mit Events, oft auch alkoholischen, gefüllt werden, und da bietet sich Mallorca eben als Synonym an.
Sie reimen all die Geschichten so elegant. Ist das für Sie harte Arbeit oder geht Ihnen das leicht von der Hand?
Das Reimen bereitet mir seit der Kindheit ausgesprochene Freude. Natürlich bedeutet es Arbeit. Aber wenn das Versmaß stimmt und auch die Reime, ist das eine schöne Belohnung. Der Text beginnt dann sozusagen zu schwingen und zu atmen. Ganz anders als Prosa.
Können Sie immer reimen und schreiben oder brauchen Sie dafür eine besondere Atmosphäre?
Wenn Motivation und Zielsetzung erst einmal da sind, braucht das Schreiben keinen besonderen Ort. Und was die Atmosphäre angeht: Die entsteht beim Reimen ganz von selbst!
Wären Sie damit einverstanden, wenn auch erwachsene Leser mit Ihrem Kinderbuch Freude hätten?
Wenn das nicht der Fall wäre, wäre es ein schlechtes Buch! Als gelernter Papa/Opa hatte ich immer Probleme mit Büchern à la „Hoppel und Poppel im Zauberwald“ oder so. In „Familie Krause reist nach Mallorca“ hingegen geht es ausschließlich um Realitäten, die viele Kinder und Erwachsene schon selbst erlebt haben – egal, ob es sich um Stiche des Seeigels oder der Sonne handelt. Und wenn Eltern wie Kinder Freude an den Bildern und Reimen dieses Buches haben und dadurch ins Nachdenken über einen guten Urlaub kommen – dann hätte sich die Reise von Familie Krause auf jeden Fall gelohnt!
Noch einen Vers zum Abschluss unseres Gesprächs?
Ich will’s versuchen:
Manch eine(r) kennt die böse Regel:
im Urlaub steigt des Stresses Pegel!
Von dem, was vorher man erträumt,
wird nicht ein Augenblick versäumt!
Ob Sonnen-Braten auf der Liege,
ob Biken in der Sportler-Riege –
erst wenn die Liste abgehakt,
ist’s Urlaubs-Ende angesagt!
Das Buch beim Verlag bestellen:
Illustrationen:
Bild 1: S. 4/5 („Papa Krause…“)
Bild 2: 20/21 („Nach dem Frühstück…“)
Bild 3: 26/27 (Der Herr Nachbar…“)
Aus dem Buch „Familie Krause reist nach Mallorca“