Enni ist frech und elf und lebt in einer Pflegefamilie in Berlin
Mein Sohn sagt, mit „Die Unausstehlichen & ich – Das Leben ist ein Rechenfehler“ gibt es eigentlich nur ein Problem, aber dazu später. Vanessa Walders Roman stellt eine außergewöhnliche Heldin in den Mittelpunkt: Enni ist elf Jahre alt und hat keine Familie, Flugzeugabsturz. Deshalb landet sie in einer Pflegefamilie – bei den Haagens in Berlin. Und so erzählt Enni davon: „Raten Sie mal, wie viele Pflegekinder die gehabt haben? Eins! Mich! Sonst keins. Ist mir noch nie passiert, so was. Sonst waren wir immer drei, manchmal fünf. Aber nicht bei den Haagens.“
Die Haagens schenken Enni sogar ein neues Apfel-Handy
Auch sonst geht es Enni bei den Haagens gut: Sie bekommt ein eigenes Zimmer – „nur für mich! Die haben sogar gefragt, was meine Lieblingsfarbe ist, weil sie’s neu streichen wollten. Ich hab dann gesagt: Weiß, damit sie nicht so’n Aufriss machen wegen mir. Die Wohnung war megaschön – immer sauber, immer frische Blumen in den Vasen, immer Eislutscher in der Tiefkühltruhe. Und ein eigenes Handy für mich. Nicht gebraucht, nicht irgendein Schrott oder so’n Uraltteil, wie Sie’s haben – nee, das neueste mit dem Apfel drauf.“
Enni hat Wutanfälle, aber ihren Pflegebruder Noah mag sie sehr gerne
Zusätzlich zum Handy gewinnt Enni in der Pflegefamilie einen Bruder hinzu. Noah ist zwölf, spielt Fußball, fährt Snowboard und Skateboard, macht Judo und Karate. Enni mag ihn und Noah mag Enni. Obwohl Enni eine Besonderheit hat: Wenn sich jemand benimmt wie das letzte …, dann sieht sie rot. Dann kribbelt es auf Ennis Kopfhaut und alles läuft rot an. Ihr Herz schlägt rasend schnell und plötzlich denkt sie nicht mehr. „Was dann passiert, erzählen mir immer die anderen. Dass ich ein Fenster zerschlagen hab oder einen Mülleimer zertreten“; oder dass Enni einen angegriffen hat, der zwei Köpfe größer war als sie selbst. Enni wird leicht wütend.
Eines Tages teilen die Eltern Enni und Noah eine schlimme Nachricht mit
Trotzdem könnte Ennis Leben bei den Haagens einfach so weitergehen. Tut es aber nicht. Denn eines Tages laden die Eltern Enni und Noah zur Familienbesprechung. Der Vater Ralf erklärt, was Enni ziemlich erschüttert: Die Familie wird in die Schweiz ziehen. Aber ohne Enni. Die muss in ein abgelegenes Internat in den Bergen. Wegen ihrer Wutanfälle. „Heißt im Klartext: ein Knast für Psychos. ‘ne Klapse. Ein Freakschuppen.“
Vanessa Walders schnoddriger Heldin bleibt nur ein Ausweg
Klar, was Enni vorhat: ausbrechen und zurück zu Noah. Zum Glück wollen ein paar andere Jungs auch aus dem Internat ausbrechen. Allerdings stellt sich heraus, dass die Jungs nur für einen Tag abhauen wollen. Enni aber will für immer weg. Ob das gut geht?
Ein einziges Detail ist überflüssig an „Die Unausstehlichen & ich“
Vanessa Walders erzählt ihre Geschichte in einem derart sympathisch schnoddrigen Enni-Ton, dass man dieses Mädchen gleich ins Herz schließt. Die Story ist spannend und thematisiert wichtige Themen wie soziale Unterschiede und Toleranz. Das einzige, was an „Die Unausstehlichen & ich“ nervt – und hier sind sich mein Sohn und ich einig: Enni verwendet im Rahmen ihrer Ich-Erzählung sehr viele Schimpfwörter. Die werden nicht abgedruckt. Stattdessen findet sich an diesen Stellen immer eine Durchstreichung bzw. ein Gekritzel. Wir hatten beim Lesen das Problem, dass uns gar nicht so viele passende Schimpfwörter einfielen, wie da vorgesehen waren. Diese unsichtbare Schimpfwort-Orgie wirkt pseudocool und ist – angesichts der wirklich mitreißenden Geschichte und ihrer hinreißenden Hauptfigur – vollkommen überflüssig.
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