
Herr Hirschhausen, es scheint, dass Sie Pinguine lieben. Warum?
Ja, ich liebe Pinguine! Ich kenne auch niemanden, der sie nicht mag (lacht). Sie haben etwas unmittelbar Komisches. Durch die intensive Arbeit an dem Buch habe ich sie noch einmal neu lieben gelernt. Pinguine sind für mich ein wunderbares Symbol dafür, wie wichtig die richtige Umgebung ist. An Land wirken sie unbeholfen, fast tollpatschig – aber im Wasser sind sie wahre Meister der Bewegung, schnell, elegant und voller Energie. Das zeigt uns: Vieles wird leichter, sobald du in deinem Element bist!
In Ihrem Buch „Der Pinguin, der fliegen lernte“ geht es darum, herauszufinden, was wir wirklich wollen und können und dies dann umzusetzen. Aber wie findet man das denn heraus?
„Der Pinguin, der fliegen lernte“ ist kein „Selbsthilfebuch“, auch kein Ratgeber. Es ist eine inspirierende poetische Geschichte, die bei vielen Menschen schon dazu geführt hat, dass sie ihr Element gefunden haben. Wir haben ja in Deutschland das Klischee, dass für jeden Schritt in der persönlichen Entwicklung immer hart an sich gearbeitet werden muss, so als ob es nur über Tränen und Entbehrungen geht, sich zu ändern. Dabei hat doch jeder schon die Erfahrung gemacht, dass man zum Beispiel im Urlaub plötzlich neue Seiten an sich entdeckt, oder an anderen. Und das mit Leichtigkeit.
Ihre Geschichte war als Video aus dem Bühnenprogramm ein viraler Hit, hat Millionen von Menschen erreicht und berührt. Was hat sie bewogen, daraus ein neues Buch zu gestalten?
Ja, der Erfolg der Pinguingeschichte ist ein Phänomen. Sie hat mich auf der Bühne begleitet und bei meinem Bestseller „Glück kommt selten allein“. Welche Kraft in der Pinguingeschichte steckt, ahnte ich nicht, als ich sie das erste Mal erzählte. Kurz danach kam ein Bekannter auf mich zu und sagte: „Weißt du eigentlich, dass ich wegen dir den Job gewechselt habe?“ Ich bekam einen Schreck. Hatte ich ihm mit dem Pinguin einen Floh ins Ohr gesetzt? Wusste er, was er tat? War das nicht ein bisschen überstürzt? Dann erklärte er: „Ich möchte dir Danke sagen, weil du echt was ausgelöst hast. Ich habe jahrelang in der Beratungsbranche gearbeitet, mich aber nie so richtig wohl dabei gefühlt. Als du die Geschichte vom Pinguin erzählt hast, fiel mir das wie Schuppen von den Augen: Ich muss hier weg! Und dann ging alles ganz schnell. Ich habe gekündigt, mich selbstständig gemacht und habe jetzt endlich das Gefühl, mein Ding zu machen, in meinem Element zu sein!“ Und als ich immer mehr von diesen persönlichen Erlebnissen erzählt und zugeschickt bekommen habe, dachte ich: Das sollen nicht nur Menschen auf ihrem Handy entdecken, sondern auch alle, die gerne ein liebevoll gestaltetes Buch in den Händen halten.
Mit dem Naturfotografen Stefan Christmann haben Sie jemanden gefunden, der zwei harte Winter in der Antarktis verbracht hat, und sensationelle Bilder von Pinguinen gemacht hat. Welche Rolle spielen die Fotografien für ihr Buch?
Alle meine Bücher sind so gestaltet, dass man sie gerne in die Hand nimmt, und durch Zitate, Bilder oder andere Überraschungen mehrere Sinne angesprochen sind. Die Fotos von den Pinguinen sind überwältigend schön. Rührend. Erzählen die Pinguingeschichte weiter. Von Stefan habe ich so viel gelernt über die Pinguinliebe. Zum Beispiel, dass die Partner sich unter all den vielen Individuen einer Kolonie nach monatelanger Trennung wiedererkennen durch einen gemeinsam einstudierten Tanz und eine Art Lied. Ist doch irre! Und wie die Küken unter der warmen Bauchfalte hervorschauen und sich später dann mit den anderen Küken gegenseitig gegen die Kälte schützen, ist trotz der eisigen Umgebung im wahrsten Sinne herzerwärmend.
In Ihren Texten gehen Sie zum Teil auf die Fotos ein, auf die Spuren, die wir hinterlassen wollen, auf die Überlebensstrategien und den Sprung ins Kalte. Gleichzeitig überraschen Sie mit psychologischen Aha-Momenten wie: „Wir halten uns vor allem deshalb für schlechter als die anderen, weil wir von uns selbst mehr wissen als von den anderen!“ Das müssen Sie bitte erklären!
Wir kennen von unserem „Mist“ im Kopf 100 Prozent, wir sind automatisch Zeuge aller dummen Gedanken, die uns zwischendurch das Hirn zumüllen. Und das darf man halt nicht allzu ernst nehmen. Jeder Mensch kennt seine eigenen Zweifel, Unsicherheiten und Fehler – die der anderen sehen wir aber nur von außen. Wir vergleichen also unser „Making-of“ des Selbstbewusstseins mit dem Hochglanz-Endprodukt der anderen. Das führt dazu, dass wir oft schlechter von uns denken, als es tatsächlich der Fall ist. Wenn man das einmal verstanden hat, geht man hoffentlich ein bisschen liebevoller mit den eigenen Macken um.
Sie sagen sogar, dass wir unsere eigenen Stärken oft gar nicht gut kennen.
Was ich oft erlebt habe: Viele Menschen wissen gar nicht, worin sie richtig gut sind. Weil ihnen so selbstverständlich vorkommt, was sie tun. So ging mir das auch lange mit dem Talent, beim Erzählen auf der Bühne auf neue Ideen zu kommen. Ich fand das normal, andere wären in der Situation vor Angst gestorben. Ich habe viel mehr Angst, ständig Dinge zu verpassen. Auch bekloppt. Was ich sagen will: Frag andere, wer du bist. Schau nicht zu lange nach deinem Bauchnabel oder in den Spiegel. Selbsterkenntnis funktioniert im Dialog mit einem echten Gegenüber oft besser als im stillen Kämmerlein. Und wenn dir etwas leichtfällt, ist das kein Grund, es für wertlos zu halten oder gar sein zu lassen. Vielleicht wird davon gerade mehr gebraucht, weil es anderen eben nicht leichtfällt.
Sie wollen uns zu Lebensänderungen ermuntern. Wieviel Risiko sollte man dabei in Kauf nehmen? Für manche Menschen kann ein beruflicher oder privater Neustart bedeuten, dass sie ihre sichere Existenz komplett verlieren.
Jede Veränderung bringt ein gewisses Risiko mit sich. Aber es gibt smarte Wege, dieses Risiko zu minimieren: Erst kleine Schritte ausprobieren, Nebenprojekte starten, ein Sicherheitsnetz aufbauen. Klar, man kann auch bei dem großen Sprung auf die Schnauze fallen. Aber das viel größere Risiko ist doch, ein Leben lang unglücklich zu bleiben.
In „Der Pinguin, der fliegen lernte“ deuten Sie an, dass Sie zu Beginn Ihrer Karriere noch nicht so selbstbewusst waren, wie Sie es heute sind. Was hat Sie dazu gebracht, trotzdem Ihren eigenen Weg zu gehen – nicht den vermeintlich sicheren Karriereweg als Arzt, sondern den etwas Unplanbaren des Vermittlers von medizinischem Wissen in Shows, Büchern und Fernsehen? Wie haben Sie Ihre Bedenken oder vielleicht sogar Ängste gebändigt?
Ich habe sehr gerne als Arzt gearbeitet, hatte aber bei vielen Erkrankungen das Gefühl Jahre oder Jahrzehnte zu spät zu kommen. Deshalb habe ich mich entschlossen, Menschen im Idealfall länger gesund zu halten, körperlich und seelisch. Es war ein Prozess – ich habe es schrittweise ausprobiert, nicht von heute auf morgen alles hingeworfen. Natürlich hatte ich Zweifel, aber ich habe gelernt, dass Angst oft ein Hinweis darauf ist, dass etwas wirklich wichtig für uns ist. Leben kann man nur vorwärts, verstehen kann man es nur rückwärts.
Wieso ist Dankbarkeit eine Schlüsselfähigkeit in Ihrem Pinguin-Prinzip?
Dankbarkeit verändert unseren Blick auf das Leben. Statt uns immer nur auf das zu fokussieren, was fehlt oder schiefgeht, erkennen wir, was bereits gut ist. Das gibt uns Kraft, Mut und eine positivere Grundhaltung – und das ist enorm hilfreich, wenn man neue Wege gehen will. Dafür habe ich auch kleine Übungen im Buch, die ich übrigens auch selbst mache. Ich empfehle nichts, was mich nicht überzeugt. Apropos. Kurzer Warnhinweis: Im Internet gibt es gerade gefälschte Medikamentenwerbung mit gefälschten Fotos und sogar mit Künstlicher Intelligenz erstellter falscher Stimme. Vorsicht. Ist Betrug. Ich gehe dagegen juristisch vor, das ist aber bei der Menge von Fälschungen sehr mühselig. Ich verkaufe Ihnen nie Tabletten – und Sie müssen auch mein neues Buch nicht lesen. Es reicht, wenn Sie es verschenken! (Lacht) Sie dürfen es sich aber auch selbst schenken.
Herr Hirschhausen, springen Sie heute noch – Pinguin-like – in irgendein kaltes Wasser? In welches?
Ja, immer wieder! Ich habe für meine Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen tolle neue Projekte. Ich gehe nicht mehr auf Tournee, mache aber ausgewählte Auftritte mit Lesungen oder mit dem Programm „Musik macht glücklich – und rettet die Welt“. Damit trete ich am 31.3. sogar in der Berliner Philharmonie auf. Davon habe ich lange geträumt. An diesem magischen Ort, wo ich seit Kindertagen großartige Konzerte erlebt habe, selbst einmal Musik zu machen. Das fühlt sich auch erstmal an wie ein Sprung ins Kalte, weil ich auch eigene Lieder singen werde. Aber Pinguine singen ja auch. Also nur Mut! Warum versuchen, so zu sein wie andere – andere gibt es doch schon genug.