Irgendwie küssen wir doch alle saugut
Just an dem Tag, an dem Angelina und Brad das Ende ihrer Ehe verkünden, bringt meine Frau Helena vom Schreibwarenladen eine Papiertüte mit nach Hause. Auf der Tüte steht: „Wer schreibt, küsst besser!“ Natürlich freut sich da der Kolumnist, aber sicherlich auch die Sekretärin, die Buchhalterin, der Chatter, die Projektmanagerin, der Richter, der Grundschüler, der kleine Mann und Charlotte Link. Irgendwie leben wir ja alle vom Schreiben und küssen deshalb total saugut.
Wer nachfragt, bekommt 15 Prozent Rabatt
Aber wieviel Wahres ist dran an dieser Schreibwarenladenbehauptung? Schließlich lassen sich auf Papiertüten allerlei kühne Thesen drucken: „Wer pupst, spart Geld“, „Wer nachfragt, bekommt 15 Prozent Rabatt“, „Wer Wurstsalat isst, fährt schneller Zug“, „Wer früher stirbt, ist länger tot“ …
Wer richtig küsst, hat den besten Beischlaf
Gibt man den Satz „Wer schreibt, küsst besser!“ bei den Suchmaschinen ein, landet man auf wissenschaftlichen Seiten wie gofeminin.de, freiepresse.de und rockundliebe.de. Hier wird die Problematik systematisch aufgearbeitet: Bitte nicht zu nass küssen. Unbedingt vorher tief in die Augen schauen. Man sollte auch keinen Mundgeruch haben. Und, sehr wichtig: Wer richtig küsst, hat den besten Sex. Denken wir diese letzte Aussage logisch zu Ende, so müsste, wer schreibt, den besten Sex haben. Dürfen wir schreibenden Sekretärinnen, Buchhalter, Projektmanager also optimistisch in die Zukunft blicken?
„Guter Sex braucht Freiheit“, sagt Peter Sloterdijk
Peter Sloterdijk, Autor des druckfrischen erotischen Romans „Das Schelling-Projekt“ ist als Philosoph Experte für Sex und Schreiben. Betrüblicherweise sagt er: Nein! Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, das mit vielen, pornografisch leider entschärften Tittenfotos bebildert wurde, erklärt er, dass guter Sex Freiheit brauche. Und dass er bedaure, dass Intellektuelle, die größere Fortpflanzungsergebnisse an den Tag legten – wie Günter Grass (6 Kinder, 3 Frauen, 2 Ziehkinder), Martin Walser (5 Kinder), Wolf Biermann (4 Frauen, 9 Kinder) – selten geworden seien. Natürlich unterliegt Sloterdijk hier einem Denkfehler: Die Intellektuellen von heute sind schlicht besser informiert über die Möglichkeiten der Geburtenplanung als die alten Hasen.
Ein ostdeutscher fauler Sack
Immerhin sagt Sloterdijk in diesem insgesamt sehr lesenswerten Interview, angesprochen auf Heiner Müllers immerwährende „Sehnsucht nach der dummen Frau“, noch einen anderen schönen Satz: Heiner Müller sei ein „ostdeutscher fauler Sack gewesen“, der soff und rauchte. „Er ließ sich gehen und meinte, die Kunst verlange das von ihm. Hätte er westdeutsch Sport getrieben […], hätte er das Verlangen nach Dummheit mit bordeigenen Mitteln befriedigen können.“
Angelina und Brad hilft dies nun alles nichts mehr. Zu wenig geschrieben, mies geküsst, Ende aus.
P.S.: Wer liest, liebt übrigens auch besser. Denn Lesen vermindert die bordeigene Dummheit. Was wiederum die Erotik beflügelt. Probieren Sie es aus!