Jörg Steinleitner: Herr Späth, wie beurteilen Sie die gegenwärtige wirtschaftliche Lage in Deutschland? Können wir von einem Licht am Ende des Tunnels sprechen oder gar schon von Sonnenschein?
Lothar Späth: Wir sehen auf der ganzen Welt ein Stück Sonnenschein – wenn man die Entwicklungen in den USA und Asien betrachtet, aber auch in einigen europäischen Ländern – kann man sagen: Die Lage bessert sich. Auch in Deutschland sieht es gut aus. Wir erzielten im Frühjahr diesen Jahres einen Exportrekord. Aber jetzt kommt die negative Nachricht – wir beobachten weltweit einen Boom, und dennoch kommt Deutschland nicht über 2 Prozent Wachstum. Das heißt, wenn die Weltkonjunktur abflaut, was nicht unwahrscheinlich ist, sind wir schnell wieder unter 1,4 Prozent Wachstum. Das reicht nicht. Wir Deutschen haben noch eine ganze Durstrecke vor uns.
Jörg Steinleitner: Ihr Projekt TOP 100, dessen Arbeit sich auch in dem gleichnamigen Buch widerspiegelt, fordert unternehmerische Innovation. Warum ist Innovation so wichtig?
Lothar Späth: Weil wir augenblicklich vornehmlich rationalisieren. Damit schaffen wir es zwar, die gleiche Menge an Produkten mit immer weniger Arbeitsstunden herzustellen. Doch beseitigt der Rationalisierungseffekt nicht unser Arbeitslosigkeitsproblem. Um dieses zu lösen, brauchen wir Innovation. Die kann zum Beispiel von Unternehmern im Sektor der Telekommunikation, IT oder der Finanzdienstleistungen kommen, gerade in diesen Bereichen hinken wir Deutschen noch weit hinterher. Wir brauchen Unternehmen mit neuen Ideen und Konzepten, durch die neue Produkte entstehen.
Jörg Steinleitner: Was macht die Elite der TOP 100 besser?
Lothar Späth: Diese Unternehmen treffen mit ihren Produkten die Marktnachfrage. Sie entwickeln neue Verfahren. Sie machen etwas viel schneller als andere oder lösen ein Kundenproblem. Diese Unternehmen stellen sich außerdem der Prüfung durch die TOP 100-Jury und zeigen damit ihren Mut zum Benchmarking. Sie stellen sich offen dem Wettbewerb.
Jörg Steinleitner: Weshalb ist gerade der Mittelstand für den Standort Deutschland so wichtig?
Lothar Späth: Er ist das Herzstück der deutschen Wirtschaft, das Feld, in dem wir wachsende Arbeits- und Ausbildungsplatzzahlen verzeichnen. Und dort werden auch die meisten neuen Ideen geboren – in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmern oder mit Wissenschaftseinrichtungen. Im Mittelstand wird nicht über eine 40-Stundenwoche diskutiert. Seine Bereitschaft, 60 oder 70 Stunden zu arbeiten ist ganz selbstverständlich. Diese Hingabe des Mittelständlers ist der innovative Background Deutschlands.
Jörg Steinleitner: Was zeichnet den deutschen Mittelstand im Vergleich zu anderen Staaten aus?
Lothar Späth: Seine Vielfalt – von der Ich-AG bis hin zu dem Mittelständler, der einen Milliardenumsatz macht, aber ein Familienunternehmen mit voller Haftung des Unternehmers ist – diese Breite gibt es nur in Deutschland. Wenn wir die Rahmenbedingungen wieder hinbekommen – vor allem bessere Steuerverhältnisse und einen flexibleren Arbeitsmarkt, dann ist das die Maschine, die den Arbeitsmarkt wieder antreiben kann.
Jörg Steinleitner: Welche Rahmenbedingungen muss die Politik schaffen, damit der Aufschwung vollends in Fahrt kommt?
Lothar Späth: Wir brauchen ein besseres Unternehmerklima in Deutschland, weniger Bürokratie. Für den Mittelständler muss sich sein Einsatz wieder lohnen. Man sollte junge Unternehmen erst einmal ihrer Entwicklung überlassen, bevor man sie lauter Ordnungsvorschriften unterwirft. Außerdem sollten wir wissen, dass wir unsere letzten Geldreserven in Forschung und Entwicklung investieren müssen, weil nur eine junge, hoch ausgebildete Generation in der Lage sein wird, den Wohlstandsstandard in Deutschland zu halten.
Jörg Steinleitner: Herr Späth, vielen Dank für das Gespräch!
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