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Vermutlich würden auch Sie so jemanden einen Idioten nennen.

Philip Pullman hat Recht

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Stellen Sie sich vor, Sie sind Sekretärin und man bietet Ihnen einen neuen Job an: Sie sollen einerseits Geschäftsbriefe schreiben, das wird bezahlt. Ferner sollen Sie Kundengespräche führen, dafür bekommen Sie aber kein Geld. Denn erstens ist dafür leider (!) keines da und zweitens bekommen Sie da ja auch ganz viel Positives zurück, wenn Sie es gut machen. Was würden Sie zu jemandem sagen, der Ihnen so einen Job anböte? Idiot?

Philip Pullman ist nun von der Leitung des Oxforder Literaturfestivals zurückgetreten, weil er kein solcher Idiot sein wollte. Pullman ist ein weltbekannter Autor, er schrieb erfolgreiche Bücher wie „Der Goldene Kompass“ und wurde u.a. mit dem Astrid-Lindgren-Preis ausgezeichnet. Warum riskiert so einer seinen Ruf, indem er eine ehrenvolle Aufgabe zurückweist?

Nun, es ist so, dass Pullman herausgefunden hat, dass viele der Autoren, die auf seinem Literaturfestival auftreten sollen, dafür kein Geld bekommen. Da sagte Pullman: „Ich finde es ungeheuerlich, zu erwarten, dass Autoren umsonst arbeiten.“

Dies zu lesen, hat mich berührt und gibt mir den Mut, diese Kolumne zu verfassen. Denn ich werde regelmäßig zu Lesungen eingeladen. Und wenn ich dann sage, dass das etwas kostet, ernte ich immer wieder staunende Blicke und höre Sätze wie: „Sie müssen doch froh sein, wenn Sie bei uns auftreten dürfen! Wir haben wirklich ein tolles Publikum! Da werden Sie viel Dankbarkeit und Begeisterung spüren! Das Vorlesen macht doch auch Spaß! Das wird eine tolle Werbung für Ihr Buch! Und eine Buchhandlung laden wir auch ein, dann werden Ihre Bücher sogar noch verkauft!“

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich bin ich froh, wenn ich vor einem tollen Publikum auftreten darf. Das macht in der Tat Spaß. Aber lassen Sie uns mal über Zahlen sprechen: Wenn eine meiner Lesungen sensationell gut läuft, dann verkauft der Buchhändler, der den Büchertisch macht, 60 Bücher am Abend. Einmal hat einer sogar 100 verkauft. Meist sind es aber eher nur 20 oder 30. Pro verkauftes Taschenbuch bekomme ich 50 oder 60 Cent. Hört sich wenig an, ist aber Standard in deutschen Verlagsverträgen. Ich bin übrigens bei einem der Topverlage unter Vertrag und ich verkaufe gar nicht so wenige Bücher. Die Gesamtauflage meiner Krimireihe liegt bei weit über 100.000 Exemplaren. Trotzdem: Gehen wir von einem sensationellen Abend aus, dann verkauft der Buchhändler 60 von meinen Büchern. Das heißt ich bekomme 60 mal 60 Cent, ist gleich: 36 Euro.

Würde ich also kein Honorar für meinen Auftritt verlangen, dann würde ich in tagelanger Vorarbeit die schönsten Stellen aus meinem Buch heraussuchen und arrangieren; ich würde das Vorlesen und Vorspielen üben, damit es kein Gestammel, sondern unterhaltsam wird; ich würde vielleicht sogar noch einen Musiker und eine Schauspielerin mit dazunehmen; wir würden monatelang proben; dann würden wir tanken, ein, zwei, drei Stunden im Auto sitzen, auf der Bühne alles geben – und am Ende könnten wir uns 36 Euro teilen. Gut, ich könnte das Ganze auch allein machen, dann wären die 36 Euro für mich allein. Vielleicht würde es fürs Benzin reichen.

Dass Philip Pullman vom Festivalvorsitz zurückgetreten ist, finde ich stark. Unsere britische Kollegin Amanda Craig schloss sich seinem Boykott sofort an und äußerte folgenden richtigen Satz: „Wir Autoren sind die einzigen, die nicht bezahlt werden, obwohl die Festivals ohne uns nicht existieren würden.“

Ich hoffe, Sie finden auch, dass das so nicht geht. Wir Autoren werden sonst alle Sekretärinnen. Schreiben können wir nämlich auch ganz gut.

P.S.: Es gibt zum Glück auch viele Veranstalter, die ganz selbstverständlich vernünftige Gagen bezahlen.

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