Frau Davis, Sie haben ein wunderbar amüsantes Buch über das Altern, den Tod und Verlustängste geschrieben. Das klingt eigentlich nach einem Ding der Unmöglichkeit. Aber Sie haben es geschafft. Wie sind Sie an die Sache rangegangen?
Das Buch ist natürlich fiktiv. Gleichzeitig beruht es aber auf sehr persönlichen Erfahrungen. Vor etwa acht Jahren, ich war gerade auf Weltreise, rief ich zuhause an und erfuhr, dass meine Mutter bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Ich hatte niemals zuvor diese Art von Trauer erlebt, bei der man nicht weiß, ob man sich je wieder fangen wird. Nachdem sie gestorben war, versuchte ich herauszufinden, wie ich ohne sie leben kann und wie ich mit meinem neu erworbenen Wissen umgehen soll: dass nämlich jeder Mensch, den man liebt und von dem man abhängig ist, jeden Moment tot sein kann.
Weshalb wurde Ihr Roman trotz der ernsten Themen so lustig?
Es war keine bewusste Entscheidung, ein lustiges Buch über solch ein düsteres Thema zu schreiben. Ich fing einfach an zu schreiben, und das kam dabei heraus. Ich frage mich allerdings, ob Lachen das Gleiche sein kann wie Weinen, da beides bedeutet, dass man emotional an eine Grenze gelangt. Wie dem auch sei, ich glaube, dass Trauer aus viel mehr besteht als reiner Traurigkeit. Die Trauer resultiert aus einem tiefen Gefühl der Liebe für jemanden, aus der Bereitschaft, verwundbar zu sein und sich zu öffnen. Trauer hat mit Liebe und Spaß und Humor und Glück ebenso viel zu tun wie mit Traurigkeit und dunklen Gefühlen.
Was hat sich durch den Tod Ihrer Mutter an Ihrer Einstellung zu Leben und Tod verändert?
Ich denke viel mehr als früher darüber nach! Ich würde gerne verstehen, auf welch unterschiedliche Art die Menschen trauern und sich Gedanken über den Tod machen. Wenn wir lange genug leben, erfahren wir alle einmal den Verlust einer nahen Person und die dazugehörige Trauer. Das haben alle Menschen gemeinsam. Was sie möglicherweise nicht gemeinsam haben, ist der Umgang mit der Trauer und die Gedanken zum Tod. Wir sollten einander nicht danach beurteilen, denn jeder geht anders damit um; vielmehr sollten wir uns die Zeit nehmen, den Weg des anderen verstehen zu lernen.
Das Abenteuer in Ihrem Roman beginnt damit, dass die kleine Millie von ihrer Mutter verlassen wird. Der etwas verrückte Karl und die resolute Agatha beschließen, ihr zu helfen, um die Mutter zu finden. Es beginnt ein Roadtrip mit allerlei Schwierigkeiten. Obwohl diese drei Figuren so unterschiedlich sind, harmonieren sie auf faszinierende Weise. Können Sie sich das erklären?
Danke, das haben Sie schön gesagt! Die drei Charaktere sind definitiv ein bisschen seltsam – ich finde im Übrigen, dass wir alle ein bisschen seltsam sind; dass aber nur manche Menschen es offen zeigen, die meisten nicht. Aber jedenfalls basieren alle drei Figuren meines Romans auf einer tiefen und sehr persönlichen, emotionalen Wahrheit. Mit Millie Birds Stimme fing mein Schreiben an. Es fühlte sich sehr natürlich an, vielleicht hat das damit zu tun, dass wir ein wenig kindlich werden, wenn wir trauern. Durch sie hatte ich die Freiheit, diese richtig stacheligen Fragen über uns Menschen zu stellen; diese Art von Fragen, auf die Erwachsene nicht kommen oder sich nicht zu fragen trauen. Diese Ausgangsposition in der Welt, nämlich wie ein Kind bei null anzufangen, spiegelte sehr gut meine eigenen Empfindungen nach dem Tod meiner Mutter wider. Mir kam es vor, als müsste ich alles neu lernen.
Und wie kamen Sie auf die 82-jährige mürrische Agatha, die nichts vom Tod wissen will?
Ihr Charakter entstand aus der Notwendigkeit, einen Gegenpart zu der neugierigen und hoffnungsfrohen Millie zu entwickeln. Von Anfang an fiel es mir schwer, mit Agatha auszukommen, weil wir so gegensätzlich sind und nichts gemeinsam haben. Es war ein Kampf, sie verstehen zu wollen. Sie ist so wertend und gemein. Aber ich wusste, dass derartige Boshaftigkeit beim Menschen oft eine Folge von Hypersensibilität ist – er empfindet den Schmerz und das Leiden in der Welt als so unerträglich, dass er es weitergeben muss, um überleben zu können. Ich begriff allmählich, dass Agatha einfach nur sehr, sehr viel Angst hat. Um mit ihrer Sensibilität umgehen zu können, füllt sie sämtlichen Raum mit Selbstbespiegelung. In meinen Augen verdienen die Agathas dieser Welt all unser Mitgefühl.
In Ihrem Buch werden viele essentielle Fragen des Lebens gestellt. Eine davon: „Was passiert, wenn man stirbt?“ Was ist Ihre Antwort auf diese Frage?
Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Ich ändere meine Meinung darüber täglich. Und eigentlich gefällt mir die Tatsache, dass ich es nicht weiß; ich brauche es nicht zu wissen; es ist schön, neugierig bleiben zu können. Was mich beschäftigt, ist die Frage, was mit einem passiert, wenn jemand anderes stirbt. Man muss sich fragen: Wie soll man leben, wenn man weiß, dass jeder, den man liebt, jeden Moment sterben kann? Die Arbeit an meinem Roman hat mir gezeigt, wie wichtig diese Gedanken sind; die Gedanken darüber, wie schmal der Grat zwischen Leben und Tod ist und wie verwundbar wir deswegen sind. Diese Einstellung hilft mir dabei, mit anderen geduldig und gütig zu sein. Und es erinnert mich daran, auch mit mir selbst gütig zu sein.
Ihre Geschichte hat etwas von einem Märchen. Denn natürlich ist es vermutlich nicht so lustig und abenteuerlich, alt zu werden. Können wir dennoch etwas von Ihren drei Helden lernen?
Die Schlussfolgerung könnte sein, dass wir, weil wir alle im gleichen Boot sitzen, freundlich zueinander sein sollten. George Sanders sagte letztes Jahr in einer Dankesrede für einen Preis, dass er schreibe, um die Grenzen zwischen sich und seinen Figuren fließend zu halten. Im Optimalfall bringen die Leser meines Romans ein wenig Verständnis für die Figuren auf – und in der Folge auch für die Menschen im echten Leben, die auch manchmal neben sich stehen. Aber ich will nicht pathetisch werden. Es wäre einfach schön, wenn alle drei Figuren den Leser hin und wieder zum Lachen brächten.
Eine der lustigsten Stellen ist es, als Karl versucht, der Polizei zu entkommen, indem er sich einen Becher Wasser über den Schritt kippt, damit die Polizistin denkt, er habe in die Hose gemacht. Meinen Sie, dieser geniale Trick funktioniert auch, wenn ihn ein Mensch anwendet, der nicht uralt ist?
Das ist schön, dass Sie das lustig finden! Ich habe diese Szene in letzter Minute eingefügt, deswegen freut es mich besonders, dass sie Ihnen gefällt. Ich bin mir nicht sicher – vielleicht könnten Sie es mal ausprobieren und mir dann davon berichten.