Frau Bluhm liest: „Das neunte Haus”: 4 von 5 Blu(h)men
Börsenkurse aus den Eingeweiden lebender Opfer vorhersagen
Alex Stern, die Hauptfigur in Leigh Bardugos Roman „Das neunte Haus“, bekommt unverhofft eine zweite Chance im Leben geboten, als sie auserwählt wird, sich der Verbindung „Lethe“ anzuschließen. Diese Gemeinschaft soll die Machenschaften der acht großen Studentenverbindungen, die die Elite-Universität Yale regieren, überwachen. Die Macht der Verbindungen beruht auf uralter, dunkler Magie: So können die Mitglieder der „Skull & Bones“ die Börsenkurse aus den Eingeweiden lebender Opfer vorhersagen, während Haus Aurelian durch Blutmagie Einfluss auf das geschriebene Wort nehmen kann – ebenso hilfreich für Juristen wie für Bestseller-Autoren.
„Der Tod besiegt alles“ lautet der Wahlspruch des neunten Hauses
Der Wahlspruch des neunten Hauses Lethe: „Mors vincit omnia.“ Zu Deutsch: „Der Tod besiegt alles.“ Schon in ihrem ersten Semester in Yale muss Alex erfahren, dass das nicht stimmen kann, denn erst verschwindet ihr Ausbilder Darlington in einem schwarzen Portal, dann ereignet sich ein grausamer Mord. Wie hängt alles mit den Ereignissen rund um die acht Häuser zusammen? Und wie kann Alex Darlington zurückholen?
Ein regelrechter Kaltstart und ein komplexer Aufbau
Leigh Bardugo stößt ihre Leser*innen von Anfang an mitten in die Geschichte hinein. Ohne Erklärung, wie die einzelnen Häuser aufgebaut sind und ohne eine Vermittlung der Zusammenhänge. Die Autorin erzählt ihren Roman in drei Zeitzonen, beginnend mit dem Frühjahr – und springt dann zurück in den Winter, um die Handlung von dort wieder in den vorhergehenden Herbst, und zu Alex‘ Anfängen in Yale zurückzuführen. Schließlich landet sie wieder im Frühjahr, mit dem sie begann. Dieser Aufbau ist komplex, doch Leigh Bardugo beantwortet wirklich jede Frage, die sie im Laufe der Geschichte aufwirft. Dennoch ist es genau diese Komplexität, die den Start in die Handlung zäh und schwierig gestaltet. Trotzdem lohnt es sich, durchzuhalten, denn im Laufe der Geschichte wird man von Leigh Bardugos erzählerischem Talent nahezu überrollt.
Leigh Bardugos Hauptfigur Alex Stern ist ein starker Charakter
Vor allem mit der Entwicklung ihrer Hauptfigur Alex Stern beweist Leigh Bardugo ein glückliches Händchen. Wie auch schon Kaz aus „Das Lied der Krähen“, ist Alex ein mehrdimensionaler Charakter. Mit ihrer Fähigkeit die Geister toter Menschen sehen zu können, ist sie schon in ihrer Kindheit als Freak verschrien, durch einige falsche Entscheidungen kommt sie auf die schiefe Bahn; nun wird ihr durch Lethe die zweite Chance verwehrt. Soll ein Mitarbeiter Lethes jetzt eigentlich durch und durch ehrenwert und gut sein, ist Alex weit von diesem Idealbild entfernt. Doch sind es vielleicht gerade die Eigenschaften, die sie in ihrer schweren Jugend erworben hat, die ihr nun helfen über den Tellerrand zu sehen. Mir gefällt diese Grau-in-Grau-Darstellung sehr.
Urban-Legends, viel Fantasie und ein College in Yale
Die Idee, ein bestehendes Setting wie das Ivy-League-College Yale zu wählen, und dann mit eigenen Ideen, ein paar Urban-Legends und ein wenig Magie in etwas ganz anderes zu verwandeln, finde ich interessant und von Leigh Bardugo ebenso authentisch wie fantasievoll umgesetzt. Die Handlung ist spannend aufgebaut und unvorhersehbar. Mehr als einmal blieb mir beim Lesen vor Überraschung der Mund offen stehen.
„Das neunte Haus“ ist authentische, spannende Fantasy
Überhaupt muss ich sagen, dass die Autorin, die ich mit der „Grisha-Trilogie“ kennen, und mit der „Krähen-Duologie“ lieben gelernt habe, mit diesem Roman beweist, dass sie die Fantasy, die sie so wundervoll auszuschmücken weiß, mühelos in unsere Welt bringen, und mit Authentizität und Spannung füllen kann. Mehr und mehr wird sie zu einer meiner Lieblingsautorinnen und wird in ihrem Genre nur noch von meiner All-Time-Favourite Joanne K. Rowling übertroffen. Naja, was nicht ist, kann ja noch werden, Mrs. Bardugo!