„Es lief überhaupt nicht so, wie die Chefin der Investmentabteilung sich das vorgestellt hatte.“
Einen Roman wie Isabel Bogdans „Der Pfau“ haben Sie noch nicht gelesen. Natürlich hat man gleich eine Vorstellung von der Geschichte, wenn man erfährt, dass es im Kern um ein Teambuilding-Wochenende einer Bankergruppe in den schottischen Highlands geht. Das hört sich doch sehr nach Komödie an, oder nach Thriller – oder nach beidem zusammen. Auf jeden Fall erwartet man peinliche Investmentbanker, die sich gegenseitig ein Wochenende zur Hölle machen. Aber wer mit dieser Erwartung in die Story einsteigt, gerät schon bald ins Staunen: Zwar erzählt Bogdan durchaus von komischen Menschen in komischen Situationen, aber sie tut dies auf eine eigenwillig stille Art, die sehr schön ist.
„Sie waren Banker. So ein Banker war doch kein Biber!“
Alles beginnt damit, dass um den etwas heruntergekommenen Gutshof herum, in dem das Teambuilding stattfinden soll, eine Gruppe Pfaue lebt, von denen einer aggressiv auf blau glänzende Gegenstände reagiert. Die Besitzer des Gutshofs, ein älteres Ehepaar, wissen um diesen Umstand, hoffen aber, dass alles gut gehen wird. Dem ist nicht so. Kaum sind die Banker angekommen, beschädigt der Pfau den Wagen der Abteilungsleiterin. Die bekommt davon allerdings zunächst nichts mit. Doch Gutsherr Hamish McIntosh sieht sich zum Handeln gezwungen, erschießt den Pfau und lässt ihn – damit niemand etwas merkt – samt Gewehr im Wald liegen.
„Wie peinlich. Im Schlafanzug vor der Chefin auf dem Boden zu liegen und flennend nicht mehr hochzukommen.“
Der Hund der Abteilungsleiterin findet den toten Pfau auf einem Spaziergang und apportiert ihn. Die Banker sind entsetzt, sie glauben, der Hund habe den Pfau getötet. So beschließen sie, das vermeintliche Verbrechen zu vertuschen. Der Tod des Pfaus und diese erste Vertuschungsaktion, die natürlich von den Städtern aus London mit herrlichem Dilettantismus vollzogen wird, ziehen notwendigerweise weitere Vertuschungen nach sich. Und zwar auf allen Seiten und in unterschiedlichsten Koalitionen. Bogdan gelingt es, das Mitwissen über die einzelnen, mitunter skurrilen Aktionen, stets neu auf das gute Dutzend Figuren und Tiere zu verteilen. Jeder weiß etwas, aber keiner weiß alles. Jeder hat irgendwann einen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben und doch meinen alle es nur gut. Als Leser verfügen wir Einblick in alle Köpfe, teilweise sogar in die der Tiere, was merkwürdigerweise kein bisschen aufgesetzt wirkt.
„Dafür, dass er nackt mit einem Kollegen und einer fremden Frau in der Wanne lag, fühlte er sich erstaunlich gelöst.“
Man kann nun nicht behaupten, dass man bei der Lektüre dieses Romans vor Spannung stirbt, dazu ist das Geschehen zu harmlos. Aber dadurch, dass Bodgan die Figuren und ihre Motive, ihre teils überraschenden Handlungen, ihre Komplexe, Wünsche und Ängste, ihre Selbstzweifel, Sehnsüchte und Enttäuschungen mit großer Einfühlsamkeit und liebevoller Genauigkeit erzählt, bleibt man beim Lesen doch ständig dabei; man will einfach wissen, wer als nächstes eine kleine Dummheit begeht und freut sich schon im Voraus darüber. Letztlich können all die Situationen, in die die Helden geraten, jedem von uns passieren. Sie sind nicht spektakulär, aber unterhaltsam. Dies dürfte auch der Grund für den anhaltenden Erfolg dieses Bestsellers sein: „Der Pfau“ hielt sich seit viele Monate stabil auf den Ranglisten, weil es ein Buch ist, das man in fast jeder Lebenssituation gut lesen kann – ganz gleich, ob man gerade am Strand sitzt, im Krankenbett liegt oder am Kaminfeuer eines Gutshofs in den schottischen Highlands.