Herr Ani, in Ihrem neuen Roman „Der Narr und seine Maschine“ bekommt Ihr Ermittler Tabor Süden den Auftrag, einen Schriftsteller wiederzufinden, der beschlossen hat, zum Schatten oder sogar ganz unsichtbar zu werden. Gehen wir zu weit, wenn wir vermuten, dass Sie in dieser Geschichte so viel von Ihrem Schreiben und Leben, Denken und Fühlen offenbaren wie nie zuvor?
Vermutlich ist dies mein persönlichstes Buch bisher. Nicht in einem autobiografischen Sinn, aber die Themen, die in der Geschichte verhandelt werden, und die Art, wie sowohl Süden als auch der Schriftsteller Hallig darüber sprechen, kommt mir sehr nah. Ich erkenne mich in ihren Worten und Gedanken wieder.
Was verbindet Sie mit dem fiktiven Schriftsteller Cornelius Hallig Ihres Romans – es ist doch sicher nicht nur die Marke Ihrer ersten Schreibmaschine?
Mit Hallig, dem Autor, verbindet mich wenig, außer, dass wir beide dem Wortwerk huldigen. Ich habe zum ersten Mal eine Schriftsteller-Figur auftreten lassen, habe mich vorher nie getraut. Man neigt dazu, autobiografisch zu werden …
Besitzen Sie die „grüne mechanische Monica-Schreibmaschine“ noch?
Die grüne Monica ist fit wie nie, manchmal schreibe ich auf ihr, und es ist eine Freude.
Haben Sie – wie Ihre Hauptfigur Cornelius Hallig – auch eine Pistole?
Waffenbesitz ist verboten, deswegen …
Apropos: Wie gefährlich sind Schriftsteller in der heutigen Zeit – mit oder ohne Pistole?
Schriftsteller sollen nicht gefährlich sein, sondern ihre Arbeit so gut wie möglich machen.
Ihre Geschichte spielt mit Schriftsteller-Identitäten. Insgesamt sind es mindestens drei, denen wir begegnen: Cornelius Hallig alias Georg Ulrich, der Amerikaner Cornell George Hopley-Woolrich und Sie selbst. Was hat es mit diesem Woolrich auf sich?
Woolrich ist ein großer Kriminalschriftsteller, ich verehre ihn, ich lese ihn immer wieder, er ließ sich nie unterkriegen, er war ein mutiger Mann.
Woolrich schrieb in seiner Biographie, er habe nur versucht, den Tod zu betrügen und eine Zeitlang die Dunkelheit zu überwinden. Inwiefern fühlen Sie sich in solchen schwermütigen Gedanken zuhause?
Diese Gedanken sind für mich nicht schwermütig, sie sind klar und real und sollten Teil von uns allen sein.
Beim Lesen von „Der Narr und seine Maschine“ musste ich immer wieder an Paul Austers Geschichten denken. Wie Sie ist er ein Meister im Spiel mit den Identitäten und Schatten. Ist Paul Auster eine Assoziation, mit der Sie etwas anfangen können?
Der Vergleich gefällt mir sehr. Zeitweise habe ich Austers Geschichten und Bücher geradezu verschlungen, ein toller Autor. Muss ihn unbedingt mal wieder lesen.
Der Titel „Der Narr und seine Maschine“ bezieht sich auf den Schriftsteller und seine Schreibmaschine. Muss der Schriftsteller Narr sein?
Närrisch sein, albern, übermütig und selbstvergessen – so könnte das Schreiben gelingen.
Cornelius Hallig lebt jahrelang in einem Hotelzimmer. Doch das scheint ihm nicht unverbindlich genug zu sein. Eines Tages verschwindet er auch aus dieser Wohnumgebung. Sie selbst leben seit vielen Jahren in einer Wohnung in München-Giesing, also sehr standfest. Kommt es auch bei Ihnen vor, dass Sie zum Schreiben woanders hin verschwinden?
Ich verschwinde beim Schreiben, egal, wo ich schreibe. Während der Arbeit an einem Roman gibt es mich nur unwesentlich. Später bin ich froh, wenn mein Zimmer mich wiedererkennt.
Wenn Sie schreiben, entstehen durch die liebevolle Präzision Ihrer Sprache Filmbilder im Kopf des Lesenden. Diesem Wunder erliegt man auch in „Der Narr und seine Maschine“. Entstehen bei Ihnen selbst während des Schreibvorgangs auch solche Bilder im Kopf?
Ich schreibe, erzähle, ich lasse meine Figuren sprechen, schweigen, empfinden, ich bin da und hör mit und bleibe in der Nähe. Meine Bilder sind vermutlich andere als die im Kopf der Leser.
Viele Ecken und Kneipen und Eckkneipen Münchens werden zu Protagonisten Ihrer Erzählung. Aus Ihren Werken spricht eine große Kenntnis und Zuneigung zu dieser Stadt. Was kann München, was das gehypte Berlin nicht kann?
Das weiß ich nicht. Berlin ist eine Metropole, München eine Großstadt, die Probleme sind ähnlich, die Armut, die Wohnungsnot, das Protzen der Reichen, der Zorn der Abgehängten, die Gewalt in den Köpfen und auf der Straße, die Einsamkeit. Aber Berlin hat auf jeden Fall Glück: dort gibt es keinen FC Bayern.
Tabor Süden steht am Ende mit einer Schreibmaschine in der Hand da: Die literarische Figur hält das Gerät, das ihre Schöpfung überhaupt erst ermöglicht, in der Hand. Aber Süden ist ja Ermittler und nicht Schreiber! Wie kann es nun mit ihm weitergehen? Besteht die Gefahr, dass auch er verschwindet? Und was ist mit Friedrich Ani?
Süden wird in meinem nächsten Buch wiederkehren, und da ich es geschrieben habe, bin ich auch noch da. Mal sehen, was passiert …
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