Jörg Steinleitner: Herr Bach, ist Fleischessenaufhören genauso schwer wie Rauchenaufhören?
Dirk Bach: Bei mir war es definitiv ein Prozess. Ich kann definitiv sagen, dass ich nie wirklich gerne Fleisch gegessen habe. Ich mochte zwar den Geschmack, konnte mich aber nie damit abfinden, dass für mein Tellergericht ein süßes Tier sterben musste. Also wurde ich überzeugter Sichtvegetarier und habe – neben Kartoffeln, Nudeln und ausgewähltem Gemüse – nur die Dinge gegessen, denen man nicht ansehen konnte, dass sie von einem Tier stammten, wie z.B. Frikadellchen, Würste, Pasteten und Aufschnitt. Über die Absurdität des Ganzen müssen wir hier nicht reden. Ich habe mir wirklich vorgemacht, ein Brot mit dick Leberpaté bestrichen würde weniger moralisches Unheil anrichten als ein halbes Imbiss-Hähnchen, dem man ansah, dass es sich dabei wirklich um einen ehemaligen Vogel handelte. Wenn’s Hähnchen gab, wurde das vor dem Auftragen bis zur Unkenntlichkeit seziert und zerrupft und mit köstlichsten Soßen übergossen bzw. unter Kartoffeln oder Nudeln versteckt, dass ich es beruhigt mitessen konnte. Das war gelebter Sichtvegetarismus in höchster Vollendung! Mitte der 90er dann habe ich auch den letzten für mich entscheidenden Schritt getan und die einzig logische Konsequenz gezogen: nämlich zur Gänze auf Fisch und Fleisch zu verzichten. Im Kopf war die Entscheidung längst herangereift. Ich bin jetzt seit gut zehn Jahren Vegetarier. Und das aus vollem Herzen.
Jörg Steinleitner: Sie lieben, im Gegensatz zu anderen, militanter das Messer schwingenden Vegetariern den Geschmack der Currywürste, Hackfleischbällchen und des Chili con Carne – und behelfen sich nun mit vegetarischen Würstchen und Veggie-Hack. Schließen Sie es dennoch aus, sich jemals wieder ein echtes Wurstbrot zu schmieren? Weshalb?
Dirk Bach: Wer braucht denn Wurst, wo es doch so unglaublich leckere Fleischersatzprodukte gibt. Die erlesensten Brotaufstriche, die besten – aber rein pflanzlichen – Wurstimitate. Chutneys, Pasten und Patés, die mein Vegetarierherz höher schlagen lassen. Derlei Produkte machen es doppelt leicht, meine Überzeugung auch zu leben, ohne das Gefühl zu haben, Entbehrungen zu erleiden. Ich bin allerdings kein Veganer, denn auf die Produkte, die die lieben Tierchen freiwillig abgeben (wie Milch, Eier und Käse), mag ich bis heute nicht verzichten. Bei Käse allerdings achte ich immer darauf, dass dieser definitiv ohne Lab (auch Rennin oder Chymosin genannt) hergestellt wurde. In der industriellen Käseherstellung nämlich wird ganz häufig Kälberlab als Gerinnungsenzym verwendet. Und da die kleinen Kälbchen das ganz sicher nicht so mir nichts dir nichts zur Verfügung stellen, sollte man immer auf Lab-freien Käse bestehen, der in gut sortierten Supermärkten, Käsefachgeschäften, Bioläden und Reformhäusern erhältlich ist.
Jörg Steinleitner: Welche Nationalküche ist aus Ihrer Expertensicht die vegetarierfreundlichste?
Dirk Bach: Zweifelsohne die fernöstliche. Der Asiate weiß eben, wie er uns Vegetarier glücklich macht. Und er hat auch großen Spaß am Frittieren, was ich ihm doppelt hoch anrechne. Selbst aus einem höchst geschmacksneutralen Tofublock zaubern asiatische Küchenchefs die unglaublichsten Köstlichkeiten. Davor habe ich höchsten Respekt!
Jörg Steinleitner: In Ihrem Buch schwärmen Sie auch von einer Pizza mit Birne, Gorgonzola, Nüssen und Rucola. Das ist doch in Wahrheit eine Dschungelprüfung!?
Dirk Bach: Im Gegenteil – diese Pizza ist ein wahres Geschenk – ich bedanke mich von Herzen beim „California Pizza Kitchen“ in den USA. Da habe ich diese Pizza-Variante zum ersten Mal auf der Karte gesehen, gegessen und zu einem meiner Leibgerichte erklärt. Schon die Beschreibung der Zubereitung lässt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen: Ein Honigteig, bestrichen mit Zwiebeln und zugedeckt mit himmlischen Birnenstücken und Gorgonzolabröseln. Herrlich. Diese Pizza ist übrigens einer der wenigen wirklich funktionierenden Wege, mir gesunden grünen Salat zu verabreichen.
Jörg Steinleitner: Viele Ihrer köstlichen Rezepte leben auch vom Hinzufügen von Nüssen – was ist der Nuss zu eigen, dass Sie sie so sehr als Zutat schätzen?
Dirk Bach: Sie ist einfach das i-tüpfelchen. Der letzte aber entscheidende Schliff. Das Sahnehäubchen. Und immer auch eine geschmackliche Überraschung. Vor allem Macadamia-Nüsse haben es mir angetan. Und Cashew-Kerne, die ja gerade in asiatischen Gerichten immer wieder gerne verwendet werden. Außerdem knuspern Nüsse so herrlich. Und eine knackig-knusprige Überraschung kann so manches Gericht im wahrsten Sinne veredeln. Bestes Beispiel: ein selbst gemachter Tsatsiki. Ist ja per se schon lecker. Rühren Sie aber noch ein paar knackige Walnüsse unter, schmeckt der Tsatsiki doppelt gut. Der Grieche möge mir diese infame Abwandlung seiner Nationalspeise nicht übel nehmen!
Jörg Steinleitner: Ihr „vortrefflicher Ehemann“, wie Sie ihn nennen, ist kein Vegetarier, sondern liebt blutige Steaks. Führt dies gelegentlich zu wüsten Diskussionen am Esstisch?
Dirk Bach: Längst nicht mehr. Getreu dem Motto „Leben und leben lassen“ gestehen wir uns beide unsere kulinarischen Überzeugungen und Begehrlichkeiten zu, ohne dem anderen das jeweilige Essen madig zu machen. Glücklicherweise achtet er aber beim Fleischeinkauf auf hochwertige (meist Bio-) Produkte, da er glücklicherweise auch ein großes Herz für Tiere hat. Und spätestens bei Fritten mit Majo oder Ketschup naschen wir dann aus derselben Friteuse!
Jörg Steinleitner: Werden Sie ihn noch bekehren oder halten Sie die Bekehrung Ungläubiger ohnehin für sinnlos?
Dirk Bach: Selbsterkenntnis ist immer noch der beste Weg. Jeder muss doch für sich selbst entscheiden, was er wie und wann und wieso überhaupt isst. Natürlich ist es manchmal schon anstrengend, dass ich im Kreise meiner zumeist Tier-essenden Freunde immer die kleine dicke Aussätzige am Tisch bin. Während sich die übrige Meute jedes Mal über schwerste Fleischberge hermacht, kredenzt man mir immer ein extra für mich zubereitetes Veggie-Mahl. Was mich einerseits natürlich total freut, weil sich meine Freunde immer riesige Mühe für mich machen. Andererseits wurmt es mich natürlich auch ein wenig, dass keiner meiner mir Nächsten auch so ohne weiteres auf tierisches Gut auf dem Teller verzichten mag. Obwohl ich mich ja eigentlich nicht beschweren darf. Ich mag ja auch nicht auf den Fleischgeschmack verzichten – er darf halt nur nicht wirklich tierischen Ursprungs sein. Aber vielleicht kommen ja Fleischfans nach dem Schmökern in meinem Buch auch mal auf die Idee, ein Fleischersatz-Produkt auszuprobieren. Dann wäre ich schon sehr happy!
Jörg Steinleitner: Wann ist jemand zu dick?
Dirk Bach: Wenn ihm oder ihr das Gewicht ernstliche Probleme bereitet, ob nun physischer oder psychischer Natur. Ich weiß zum Beispiel, dass ich nach einer längeren Fernsehproduktion garantiert zugelegt habe und für meine Verhältnisse zu dick bin. An einem Film- oder Fernsehset herrscht nämlich fast so etwas wie Ess-Zwang, weil doch an jeder Ecke die herrlichsten Köstlichkeiten angeboten werden, an denen man einfach nicht vorbei gehen kann, ohne mal kurz zu naschen. Den ganzen Tag über kann man beim Drehen essen, denn 75% so eines Tages besteht aus Warten. Warten auf die nächste Einstellung, das Einleuchten oder auf das richtige Wetter. Und dann präsentiert wieder ein gut gelaunter Caterer den Süßigkeitsteller oder man geht wie zufällig am Catering-Buffet vorbei und – schwupps – wiegt das Hüftgold wieder ein paar Pfund mehr.
Jörg Steinleitner: Verraten Sie uns zum Nachtisch noch Ihr vegetarisches Lieblingsmenü für einen sonnigen Sommer 2005?
Dirk Bach: Da würde ich mit einem wunderbaren Rukola-Birne-Camembertsalat starten, als Zwischengericht eine kleine Portion Vodka-Penne zubereiten, danach Fajitas mit Portobellopilzen kredenzen – die Pilze lassen sich nämlich auch vorzüglich grillen – und mit einer mächtigen, aber auch mächtig leckeren Bayerisch Crème abschließen. Und wer dann noch in Partystimmung ist, dem seien sommerliche Jelly-Shots ans Herz gelegt, wobei die ganz schön hochprozentig sind.