ISBN 978-3-518-43031-6

236 Seiten

€ 22,00

Der neue Klient kommt der Anwältin Susane seltsam vor. Nach und nach findet sie den erschütternden Grund heraus. Marie NDiayes „Die Rache ist mein“ ist ein so ungewöhnlicher wie lesenswerter Roman.

Marie NDiaye wurde mit wichtigen Literaturpreisen ausgezeichnet, darunter der Prix Goncourt

Titelbild Die Rache ist mein

Marie NDiayes Roman „Die Rache ist mein“ ist kulturell wertvoll

Das Institut Français Deutschland hat seit Jahren ein Unterstützungsprogramm für französischsprachige Autorinnen und Autoren. Damit unterstützt es französische Schriftstellerinnen und Schriftsteller, ihre Werke auch in anderen Ländern zu veröffentlichen und fördert somit deren Reichweite. Dieses Jahr hat sich der Ausschuss für Marie NDiayes Roman „Die Rache ist mein“ entschieden.

Eine Anwältin bekommt es mit einem bedrohlichen Klienten zu tun

Maître (Me) Susane ist Anwältin, aber ihre Auftragslage ist bei weitem nicht so gut wie erhofft. Eines Tages liest sie in der Zeitung von einer Mutter, die ihre drei Kinder brutal ermordet haben soll. Me Susane ist überrascht, als der Ehemann dieser Frau ausgerechnet sie als Anwältin beauftragt. Von Anfang an wird Me Susane das Gefühl nicht los, ihren Klienten Gilles Principaux aus ihrer Kindheit zu kennen. Daher fragt sie ihre Eltern. Während ihre Mutter vehement abstreitet den Namen jemals gehört zu haben, deutet ihr Vater an, dass Gilles gegenüber Me Susane seinerzeit übergriffig geworden sei. Je mehr die Anwältin um ihr Gedächtnis ringt, umso tiefer gerät sie in einen Sog aus falschen Erinnerungen, Unwahrheiten und Verschleierungen. Dennoch beschließt sie den Fall zu übernehmen.

Gibt es einen Zusammenhang zur Haushälterin der Anwältin Susane?

Privat beschäftigt Me Susane eine Haushälterin. Sharon stammt aus Mauritius und hat keine offizielle Arbeitserlaubnis. Da sie aber mit ihrer Arbeit sehr zufrieden ist, beschließt Me Susane Sharon und ihre Familie beim Stellen der notwendigen Anträge zu unterstützen. Zu Me Susanes großer Verwunderung blockt Sharon aber jegliche Unterstützung ab. Zudem scheint sie über die notwendigen Unterlagen zu lügen. Die Haushälterin reagiert gegenüber allen Annäherungsversuchen von Me Susane reserviert und kalt. Als die Anwältin herausfindet, dass Sharon zusätzlich für eine Frau Principaux arbeitet, vermutet sie einen Zusammenhang zwischen der Hausangestellten, ihrem Erlebnis in der Kindheit und dem neuen Klienten.

Der Gesellschaftsroman gewährt tiefe Einblicke in die Psyche

Marie NDiayes Roman „Die Rache ist mein“ ist eine gelungene Mischung aus kritischem Gesellschaftsroman, Einblicken in die menschliche Psyche und packenden Beschreibungen der Gefühlswelt der Protagonistinnen. Der Schreibstil ist dabei nüchtern, ermöglicht jedoch gute Einblicke in Me Susanes Gefühls- und Gedankenwelt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen vergleichbaren Roman gelesen zu haben – ich war tatsächlich von Anfang bis Ende gefesselt.

Genial beschrieben – die Gedankenspirale der Hauptfigur

Der Plot an sich klingt spannend, steht aber überraschenderweise nicht im Vordergrund. Ganz im Gegenteil gehen die Anwaltstätigkeiten rund um den Mord in der Handlung beinahe unter. Das Hauptaugenmerk liegt auf Me Susanes Recherchen rund um das Erlebnis in ihrer Kindheit. Hier zieht Marie NDiaye ihre Leserinnen und Leser so tief in die Gedankenspiralen der Hauptfigur, dass man selbst irgendwann an allem zweifelt und jeden Charakter und dessen Motive hinterfragt. Die Autorin schafft ein rundum gelungenes Verwirrspiel.

Die Dialoge sind stark, aber ich habe auch einen Kritikpunkt

Das Highlight von „Die Rache ist mein“, sind die authentischen Dialoge und die Beschreibungen von Me Susanes Gedankenwelt. In den Gesprächen mit Gilles Principaux sowie dessen Frau hat man stets den Eindruck einem tatsächlich stattfindenden Gespräch zu lauschen. Es gibt zahlreiche Wortwiederholungen, lange Schachtelsätze, kleinere Widersprüche und fehlende Zusammenhänge, fast so als würde tatsächlich jemand über ein Erlebnis frei und ohne jegliche Vorbereitung erzählen. Für manche Leserinnen und Leser könnten diese oftmals mehrere Seiten langen Konversationen vielleicht auch etwas ermüdend und anstrengend sein.

Über MDiayes Roman habe ich noch lange nachgedacht

Aber auch die Beschreibungen von Me Susanes Gefühlswelt gewähren tiefe Einblicke in die menschliche Psyche. So gerät die Anwältin zunehmend in einen Gedankensog, der sie dazu bringt, ambivalente Schlüsse zu ziehen. Anfangs hinterfragt sie jede neue Information noch genauer, aber nach und nach werden ihre Vermutungen immer wahnhafter, bis sie beinahe etwas paranoid wirkt. Es ist äußerst interessant zu beobachten, wie sich Me Susane aus dieser Gedankenspirale wieder zu lösen versucht. Die offenen Fragen der Geschichte laufen beinahe alle ins Leere. Am Ende bleibt man etwas ratlos zurück, was dazu führt, dass man nach der Lektüre noch einige Zeit über Marie NDiayes Roman nachdenkt.

 


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Stephanie Pointner

Geboren 1992 in Traunstein, zog Stephanie Pointner nach dem Abitur nach Innsbruck, studierte und arbeitet seit 2014 als Sozialarbeiterin in der Behindertenhilfe. Sie lebt gemeinsam mit ihrem Partner und ihrer gemeinsamen Tochter in Tirol. Stephanie Pointner mag Sport, die Berge und natürlich: Bücher!

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