Die echtere Wirklichkeit

ISBN 978-3-608-96630-5

448 Seiten

€ 28,00

eBook: € 21,99

Raphaela Edelbauers Roman „Die echtere Wirklichkeit“ seziert Medien, Universitäten und Aktivismus – ein packender Blick auf Wahrheit und Manipulation.

Raphaela Edelbauer rechnet in „Die echtere Wirklichkeit“ bitterböse mit Österreichs Medienlandschaft ab

Die echtere Wirklichkeit

Raphaela Edelbauers neuer Roman „Die echtere Wirklichkeit“ ist eine schonungslose Abrechnung mit Österreichs Medienpolitik, dem Universitätsbetrieb und Aktivistengruppen. Im Vergleich zu ihren früheren Werken ist er etwas leichtere Kost – ohne dabei an Tiefe einzubüßen.

Wer Raphaela Edelbauer kennt, weiß: Die studierte Philosophin und Sprachkünstlerin scheut sich nicht, komplexe Inhalte populärwissenschaftlich zuzuspitzen. Ob die Aufarbeitung der österreichischen NS-Vergangenheit in Das flüssige Land, das erste künstlich intelligente Bewusstsein in DAVE oder parapsychologische Experimente im okkulten Wien um 1900 in Die Inkommensurablen – Edelbauer beherrscht die Verbindung von anspruchsvoller Idee und packender Erzählung. Auch „Die echtere Wirklichkeit“ steht seinen Vorgängern in philosophischer Dichte in nichts nach. Doch die Handlung ist zugänglicher und trotz des Umfangs stets unterhaltsam.

Eine Terrorgruppe, die Wahrheit predigt und selbst scheitert

Im Zentrum steht die österreichische Terroristengruppe Aletheia (griechisch für „Wahrheit“). Ihr Ziel: ein Exempel gegen Fake News und gesellschaftliche Lügen zu statuieren. Doch innerhalb der Gruppe scheitern die Mitglieder an ihrem eigenen Wahrheitsanspruch und reproduzieren die Machtmechanismen, die sie eigentlich bekämpfen wollen.

Die Figuren sind scharf gezeichnet:

  • Byproxy, eine obdachlose Rollstuhlfahrerin und Programmiererin, deren Name nicht zufällig sowohl an das Münchhausen-Stellvertretersyndrom als auch an einen Anonymisierungsserver im Internet erinnert.
  • Eine senile Sprengstoffexpertin mit mutmaßlichen RAF-Kontakten.
  • Paul, ein Philosophieabsolvent unter Bewährungsauflagen.
  • Bernward, der es nie zum Philosophieprofessor gebracht hat.
  • Brigitte, Tochter eines Rohstoffmilliardärs, die sich ohne Privilegien behaupten möchte.

Medienpolitik und aktuelle Schlagzeilen im Hintergrund

Edelbauer greift keine konkreten politischen Skandale auf, dennoch hallen Ereignisse der letzten Jahre durch: die Verurteilung von Sebastian Kurz im Ibiza-Ausschuss, Inseratenaffären der Boulevardzeitungen, das Ende der gedruckten Wiener Zeitung, ORF-Gebühren-Debatten oder die Aktionen der Klimakleber. Österreichs Medienpolitik bleibt nicht ungeschoren.

Universitäten als zweite Zielscheibe

Aletheia rüstet sich in verpflichtenden Lesegruppen mit Philosophie von der Antike bis Derrida aus. Fake News erscheinen der Gruppe als Folge eines viel tiefer liegenden Problems: des Poststrukturalismus. Dieser leugne, so die Kritik, eine objektive Wahrheit und schaffe damit keine Basis für Wissenschaft, Moral und Politik.

Die geisteswissenschaftlichen Fakultäten – wie die Universität Wien – geraten ins Fadenkreuz. Drei Gruppenmitglieder, ebenso wie Edelbauer selbst, sind ehemalige Philosophiestudenten. Die Autorin zeigt Machtkämpfe, fragwürdige Betreuungsverhältnisse und elitäre Strukturen im Uni-Betrieb, ohne die Radikalisierung der Gruppe zu legitimieren.

Aktivismus oder Terrorismus?

Die Gruppe verliert sich in theoretischen Diskussionen und persönlichen Traumata. Sie manipuliert sich gegenseitig, verfolgt private Ziele und bleibt gesellschaftlich wirkungslos – ähnlich wie Teile des modernen Klimaaktivismus. Genau darin liegt die Ironie: Aletheia bezeichnet sich selbst als Aktivisten, doch die Grenze zum Terrorismus wird überschritten.

Wahrheit bleibt eine Frage des Lesers

Edelbauer erzählt in fragmentarischen Zeitsprüngen und durch die unzuverlässige Stimme von Ich-Erzählerin Byproxy, die psychisch und körperlich instabil ist. Diese Distanz zwingt den Leser, selbst zu entscheiden, was Wahrheit ist – und das macht den Roman so stark.

ISBN 978-3-608-96630-5

448 Seiten

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/christina-janousek-2/" target="_self">Christina Janousek</a>

Christina Janousek

Geboren und aufgewachsen in Wien, studiert Christina Janousek, Jahrgang 1993, Vergleichende Literaturwissenschaft. Nachdem sie praktische Erfahrungen in Verlagen, einem Literaturverein und in einer Zeitungsredaktion sammeln konnte, hat sie ihre Liebe für das Schreiben entdeckt, mitunter auch creative writing für englischsprachige Zeitschriften. Zu ihren Interessen zählen in Vergessenheit geratene Autoren sowie moderne Interpretationen von Texten und Filmen im Theater.

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