Frau Bluhm liest „Cari Mora“: 2 von 5 Blu(h)men
Thomas Harris ist der Schöpfer von „Das Schweigen der Lämmer“
Nicht nur in Buchform ist Hannibal Lecter seit mehr als 30 Jahren einer der bekanntesten Protagonisten der Welt. Natürlich ist es auch der grandiosen Leistung von Anthony Hopkins in der Verfilmung von „Das Schweigen der Lämmer“ zu verdanken, dass der Gentleman unter den Mördern eines der berühmtesten Exemplare seiner Zunft ist. Nun schickt Thomas Harris nach vielen Jahren der literarischen Abwesenheit einen weiteren blutrünstigen Mann ins Rennen.
Der Aufbau der Geschichte kommt mir überkonstruiert vor
Schon auf dem Klappentext als Nachfolger von Hannibal Lecter angepriesen, erwartetet man natürlich Einiges vom sogenannten Reptilienmann. Leider muss ich sagen, dass „Cari Mora“ meine Hoffnungen auf ein weiteres grandioses Buch von Thomas Harris gnadenlos enttäuscht hat. Letzten Endes hat der Thriller inhaltlich gesehen kaum etwas mit dem Klappentext zu tun, und auch wenn die für den Autor ganz eigene Art Szenerien zu beschreiben durchblitzt, so kommt einem der Aufbau der Geschichte überkonstruiert und fast schon abgehandelt vor.
Die Handlung findet schlicht zu keinem roten Faden
Überladen mit viel zu vielen Protagonisten, die alle auch noch ähnlich klingende Namen haben, gelingt es der Handlung überhaupt nicht, einen roten Faden zu finden. Die Perspektivwechsel innerhalb der Erzählung erfolgen zu schnell und unkontrolliert. Nicht nur wird jedes Kapitel aus einer anderen Richtung erzählt, manchmal wechseln Schauplatz und Protagonist sogar innerhalb eines Kapitels. Der oben erwähnte Reptilienmann, auf dessen Persönlichkeit laut Klappentext die Geschichte aufgebaut sein soll, bleibt blass und unterrepräsentiert, und auch die 25-jährige Ex-Guerilla-Kämpferin Cari Mora, die als Titelheldin des Thrillers dient, bleibt, bis auf wenige Passagen, undurchsichtig und farblos.
Drogenkartelle, Bandenkriege und ein Serienmörder-Monster
Wer einen Thriller über einen neuen Serienmörder erwartete, der wird überflutet von einer Geschichte über Kriege unter rivalisierenden Drogenkartellen. Der Krimi „Cari Mora“ kann sich nicht entscheiden, was er sein will. Zu viele Handlungsstränge werden angerissen, keiner wirklich zu Ende gebracht. Ein wenig abartiges Serienmörder-Monster hier, ein wenig Bandenkrieg da … Letzten Endes ist das nicht Fisch und nicht Fleisch, und es wirkt gerade so, als hätte der Autor das Material für drei verschiedene Bücher einfach in eines gepackt.
Aber die größte Frechheit habe ich noch gar nicht verraten
Was ich aber als wirklich größte Frechheit empfinde, ist es, ein Buch mit 336 Seiten auszuschreiben, das eigentlich nur knapp 280 Seiten hat. Gerade als man denkt, dass die Handlung Fahrt aufnimmt und an Spannung gewinnt, erreicht einen das Ende frühzeitig, denn obwohl man noch gut 50 Seiten in der Hand spürt, endet der Thriller, und eine 50-seitige Leseprobe von „Das Schweigen der Lämmer“ beginnt.
„Cari Mora“ ist aus meiner Sicht eine Mogelpackung
Fazit: Natürlich kann man auf jeder Seite die sprachliche Hochwertigkeit erkennen, für die Thomas Harris so bekannt ist. In der Vergangenheit wurde er für seine literarische Finesse zurecht vielfach ausgezeichnet. Sein Mut, dem Ekelhaften und Schrecklichen ins Auge zu sehen und detailgenau zu beschreiben, ist nach wie vor bewundernswert. Doch leider denke ich, er hätte es bei seiner großartigen Reihe um Hannibal Lecter belassen sollen, denn „Cari Mora“ ist einfach eine Mogelpackung, die nicht hält, was ihr Klappentext verspricht.