Frau Buchholz, Ihre Heldin Chastity Riley geht ins achte Jahr. Was ist typisch für sie? Hat sie sich im Laufe der Jahre verändert?
Typisch für Riley ist ihre Unabhängigkeit, gepaart mit Verlässlichkeit. Ob sie sich verändert hat? Sie wird mit jedem Jahr, das sie älter wird, eigensinniger. Sie redet immer weniger. Sie raucht auch weniger. Dafür trinkt sie mehr.
Haben Sie 2008 damit gerechnet, eine Serienfigur zu etablieren?
Na klar. Das war von Anfang an der Plan. Hätten Sie mir allerdings 2006 erzählt, dass 2016 der sechste Band meiner eigenen Reihe erscheint, hätte ich Sie ausgelacht. Ich dachte immer, ich sei nicht der Typ, der lange an Dingen festhält. Aber offensichtlich bin ich sesshaft geworden.
Was ist St. Pauli für Sie – eine Kultur? Ein Zustand?
Ein Organismus, der sich ständig verändert. Ein buntes Wesen, manchmal sehr laut, manchmal ganz still, mit Sommersprossen im Gesicht und Möwen auf dem Kopf. Am Hafen besteht es zu 80 Prozent aus Wasser, und der Rest ist Alkohol.
Wie recherchieren Sie am liebsten?
Ich gehe raus und schaue mir die Dinge an. Außerdem liebe ich es, mit Polizisten zu reden.
In Ihren Krimis setzen Sie Ihre Helden Ängsten aus. Sind Sie selbst auch ängstlich?
Ja, zum Beispiel habe ich große Angst, dass meinem Kind etwas zustoßen könnte; und ich habe in letzter Zeit eine merkwürdige Angst vor dem Fliegen entwickelt. Ansonsten bin ich nicht besonders ängstlich. Ich nehme das Leben, wie es kommt, bereite mich aber mit regelmäßigen Kung-Fu-Kursen darauf vor.
Bei welchen Gelegenheiten finden Sie Ihre Ideen?
Entweder ich starre so lange aus dem Fenster, bis sich die Maschine in meinem Kopf vor lauter Langeweile von selbst anschmeißt, oder ich gehe spazieren. Draußen passiert ja immer was, das muss man nur bemerken.
Gibt es eigentlich ein real existierendes Vorbild für die Kneipe „Blaue Nacht“?
Ja, eine Eckkneipe am Hans-Albers-Platz. Früher war das mal so ein herrlich klebriger Schuppen, in den man nur in Begleitung von St.-Pauli-Spielern reinkam. Nachdem der Besitzer gestorben war, haben die Nachfolger den Laden leider gleich mit zu Tode renoviert. Die Blaue Nacht im Buch ist so, wie ich sie gerne renoviert hätte, wenn sie meine Bar gewesen wäre.
Dies ist der sechste Band Ihrer Serie. Würden Sie sagen, dass man als Leser Vorkenntnisse braucht, um alles zu verstehen?
Für „Blaue Nacht“ überhaupt nicht. Der Band ist eine Art Neustart meiner Chastity-Riley-Reihe. Chas hat einen neuen Job, und ich habe mir erlaubt, einfach mal alle wichtigen Figuren ihre Geschichte erzählen zu lassen. Insofern bekommt man als Einsteiger die ersten Bände quasi auf dem Silbertablett serviert.
Was erklärt Ihrer Meinung nach den Erfolg von Regionalkrimis?
Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was diese Kategorie soll. Das Genre heißt „Kriminalroman“, und als solcher ist ein Buch entweder gut oder schlecht. Nebenbei bemerkt: Hamburg ist keine Region wie die Eifel oder das Allgäu, sondern eine Hafenstadt. Wenn es also unbedingt eine Unterkategorie braucht, dann würde ich sie „Großstadtkrimi“ nennen. Aber im Grunde ist das doch totaler Schwachsinn. In den 80er Jahren wäre ja auch niemand darauf gekommen, Jakob Arjounis in Frankfurt spielende Kayankaya-Romane als Hessen-Krimis zu bezeichnen. Die Geschichte muss halt irgendwo spielen. Also, ich wüsste wirklich gerne, welches Marketing-Hirn sich diesen Regio-Scheiß eigentlich ausgedacht hat.
Welchen Ihrer Krimis mögen Sie selbst am liebsten?
Tatsächlich die „Blaue Nacht“. Ich habe das Gefühl, mit diesem Buch endlich den Krimi geschrieben zu haben, den ich mir immer vorgestellt habe.
Könnten Sie sich vorstellen, Ihre Heldin in einer anderen Region anzusiedeln?
Im Prinzip könnte Riley auch durch Berlin, Glasgow oder Madrid stapfen, sie ist eine Frau, die überall irgendwie klarkommt. Aber ich lebe in Hamburg, und deshalb spielen meine Geschichten zum großen Teil hier.
Bleiben Sie auf dem Laufenden und lesen Sie unsere Interviews und andere exklusive Neuigkeiten stets als Erster. Gleich anmelden.
Mehr zu: