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Martin Calsow legt mit „Quercher und das Seelenrasen“ einen spannenden Tegernsee-Krimi vor, in dessen Mittelpunkt die Familie einer Pharmaerbin steht.

Die Schwarze im Dirndl und andere Tegernseer Archetypen – Martin Calsow im Interview

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LKA-Mann Quercher vermutet als Motiv für die Übergriffe auf Nina Poschner zunächst Ninas Engagement, ein Internat für Flüchtlingskinder zu gründen. Doch dann findet Quercher heraus, dass Nina vor Jahren medizinische Versuche in Afrika durchführte und dabei über Leichen ging. Im Interview spricht Calsow über die Schwierigkeiten, die es in sich birgt, am paradiesischen Tegernsee zu leben, über eine schöne schwarze Frau im Dirndl und seinen neuen Krimi.

„Menschen, die im Paradies wohnen, mögen keine Kritik.“

Herr Calsow, Ihre Kriminalromane um den Kripomann Quercher spielen am Tegernsee. Für Menschen, die nicht in dieser Idylle leben, ist es kaum zu glauben, dass Quercher manchmal der Tegernsee-Blues befällt. Sie selbst leben dort. Bitte erklären Sie uns: Wie und weshalb kann man am paradiesischen Tegernsee den Blues bekommen?

Menschen, die im Paradies wohnen, mögen keine Kritik. Das stört. Sie wollen dauerhaft bestätigt werden, wie Köche, die dauernd den Gast fragen: „Schmeckt’s, schmeckt’s wirklich?“ Das ist anstrengend, führt halt zum Blues.

Wie auch in Ihren drei anderen drei Quercher-Romanen, bewegt sich die Handlung sehr nah an der Realität. Sie benennen Örtlichkeiten und beschreiben Personen so genau, dass jeder, der sich ein wenig auskennt, sofort weiß, wer gemeint ist. Sie bezeichnen politische „Speichellecker“ als solche und nehmen auch sonst kein Blatt vor den Mund. Wurden Sie schon einmal bedroht?

Ach, die üblichen Schnappatmungen gibt es schon mal. Bayerische Politik bevorzugt das Monarchische. Da wird Kritik schnell zur Majestätsbeleidigung. Dieses Erdoganeske hat aber zuweilen ganz heitere Momente.

Über den Tegernsee kursieren so viele Klischees. Wenn Sie drei typische Figuren des Tegernseer Tals beschreiben sollten, welche wären das?

Die Tal-Aboriginie, zweite Vorsitzende im Trachtenverein, die gern das Geld der Zuagroasten nimmt, aber sie mit tiefer Verachtung betrachtet.

Das zuagroaste Ehepaar mit zu viel Gesichtsbräune, das gerade die Schraubenfabrik in Nordhessen einer „Heuschrecke“ oder dem debilen Sohn vermacht, ein überteuertes Landhaus gekauft hat, Tracht von Loden-Frey trägt, beim Holnburger „Brezeln und weiße Würste“ mit lauter Stimme bestellt.

Und last but not least: der Esoteriker. Kennt Kraftorte, verdingt sich bei reichen Damen mit viel Tagesfreizeit und Hitzewallungen als Engelssucher und lebt bei Mutti in der Ferienpension.

In „Quercher und das Seelenrasen“ lassen Sie eine schöne schwarze Frau im Dirndl auftreten, die perfektes Bairisch redet und vom Ministerpräsidenten den Bayerischen Verdienstorden verliehen bekommt. Da mussten Sie jetzt aber tief in die Trickkiste der Phantasie greifen, oder?

Überhaupt nicht. Guggst Du: merkur.de/lokales

Es gibt den Tal-Aboriginie, den Zuagroasten und den Esoteriker.

Die schwarze Diara Poschner wird ausgezeichnet, weil Sie sich für Flüchtlinge einsetzt. Wie war das im vergangenen Jahr, als die Flüchtlingswelle auch das Tegernseer Tal ergriff? Waren die Tegernseer gastfreundlich?

Wie immer und überall. Am Anfang war die Angst, die Sorgen und auch die Hysterie. Dann kam das Engagement sehr vieler. Still und effizient. Es rumpelt, es ist nicht einfach. Aber es wird sich gesorgt, auf vielfältige, sehr rustikale Art und Weise. Das gilt, und es fällt mir schwer, es zu sagen, auch für die meisten CSU-Bürgermeister, die sich wohltuend von ihrem hetzenden Führungspersonal abheben.

Die Hündin stand Pate für Lumpi aus den Quercher-Krimis.

Wenn Sie in Ihrem Roman von dem Innenleben eines Pharmaunternehmens erzählen, klingt das sehr realistisch. Woher beziehen Sie Ihre Kenntnisse?

Unternehmen, ob Pharma, Finanzen oder Medien, funktionieren, so glaube ich, von einer gewissen Managementebene an völlig gleich. Die handelnden Personen sind erschreckend banal, meist frei von moralisch-ethischen Überzeugungen, intellektuell überschaubar und einfach gierig. Nur: Diese Menschen beeinflussen uns in erheblicher und nachhaltiger Weise, weit mehr übrigens als Millionen Flüchtlinge.

In Ihrem Roman gibt es auch Menschen, die Flüchtlingen helfen, weil sie damit ein Geschäft machen. Finden Sie das moralisch in Ordnung – im Sinne von „Hauptsache helfen“?

Ich bin mittlerweile sehr vorsichtig geworden, die Hilfsleistungen anderer moralisch zu bewerten. Die Migranten haben uns doch vor allem eins gelehrt: Spül Deine einfachen Antworten ins Klo.

Quercher ist Oberbayer, damit ist Wahnsinn mit einem Schuss Visionen sowohl genetisch als auch kulturell gesetzt. Das macht den Tegernsee ja sympathisch.

Der Fall setzt Quercher derart zu, dass er selbst plötzlich mit Visionen und Angstattacken zu kämpfen hat. Müssen wir uns um seine Zukunft Sorgen machen?

Er ist Oberbayer, damit ist Wahnsinn mit einem Schuss Visionen sowohl genetisch als auch kulturell gesetzt. Das macht meine Heimat hier ja sympathisch. Wollen Sie mal meinen Aluhut aufsetzen?

Sie haben mit „Atlas-Alles auf Anfang“ eine weitere Krimireihe, die in ihrer alten Heimat spielt, begonnen. Wie geht es da weiter?

Ich habe einen Krimi geschrieben, der in der Gegend spielt, in der ich aufwuchs. Völlig naiv, wie ich spätestens bei den Lesungen vor Ort feststellen durfte. Da ist man nicht nur Autor, sondern Sohn, Ex-Freund, Mitschüler und Ministrant. Aber ich habe das sehr genossen. Im September 2016 kommt der nächste Teil: „Atlas – frei zum Abschuss“. Dann kommt der nächste Quercher.

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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