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Als jüngst Plagiatsvorwürfe gegenüber Zeh laut wurden, räumte sie ein, den Ratgeber selbst gefälscht zu haben.

Mein Plagiat ist ein intertextuelles, metafiktionales Kuddelmuddel – Juli Zeh im Interview

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Juli Zeh hat einen Coup gelandet: Sie verfasste mit „Unterleuten“ nicht nur einen der erfolgreichsten und unterhaltsamsten Romane des Jahres (unsere Besprechung im Bestseller-Check), sondern entfachte damit zusätzlich noch eine interessante Diskussion über Plagiate, Kunstfreiheit und das schriftstellerische Abschreiben. Denn in ihrem Roman „Unterleuten“ zitiert sie ständig und ausführlich den Ratgeber „Dein Erfolg“ des Autors Manfred Gortz.

Frau Zeh, Sie haben sich selbst plagiiert. Das hört sich ein bisschen verrückt an. Warum haben Sie das getan?

Da stapeln sich die Gründe nur so übereinander. Vom Anfang her betrachtet, kann ich sagen: Es hat sich so ergeben. Zuerst gab es den Roman „Unterleuten“ mit dem fiktiven Manfred Gortz und den Zitaten aus seinem Buch „Dein Erfolg“. Die ersten Leser von „Unterleuten“ meinten, dass die Zitate so überzeugend klingen, dass man sofort denkt, den Gortz gibt es wirklich. Da dachte ich: Wenn das so ist, dann erschaffe ich ihn jetzt. Ich habe „Dein Erfolg“ geschrieben und die Zitate, die bereits in „Unterleuten“ enthalten waren, dafür verwendet. Es ist also gewissermaßen ein umgekehrtes Plagiat. Und Manfred Gortz benutzt viele Zitate und Szene aus „Unterleuten“ sowie auch aus „Corpus Delicti“. Ein intertextuelles, metafiktionales Kuddelmuddel.

 

Ist das denn überhaupt ein Plagiat, wenn Sie von sich selbst abschreiben?

Es ist ein Schein-Plagiat oder ein satirisches Plagiat. Im juristischen Sinn ist das natürlich in jeder Hinsicht erlaubt.

Wenn Sie auf die Plagiatsfälle der Vergangenheit zurückblicken: Welche Änderung erkennen Sie im Verhalten der Leser, der Medien und der Gerichte?

Ich glaube, das Internetzeitalter mit den vielfältigen Möglichkeiten von Copy-Paste und anderen Urheberrechtsverletzungen hat es mit sich gebracht, dass überhaupt so ein großes Interesse für Plagiate entstanden ist. Und dann natürlich die Fälle, wo Politiker ihre Doktorarbeiten abschreiben – das hat mit literarischen Zitaten nicht mal im Ansatz etwas zu tun, aber es hat das Bewusstsein der Öffentlichkeit stark geschärft.

Wenn wir uns mal von Ihrem Fall entfernen, wo ja Täter und Opfer zusammenfallen – wo fängt für Sie ein Plagiat an und wo befinden wir uns im Bereich der künstlerischen Inspiration? Droht eine rigide Plagiatsrechtsprechung und eine wachsende Angst der Medien, insbesondere der Verlage, vor Klagen, die Freiheit der Kunst zu zerstören? Droht eine rigide Plagiatsrechtsprechung und eine wachsende Angst der Medien vor Klagen – wie ja auch im Fall Böhmermann – die Freiheit der Kunst zu zerstören?

Als Autorin kann ich nur hoffen, dass wir uns den angemessenen Umgang mit der Kunstfreiheit bewahren. Eigentlich ist das ja auch nicht schwer – man darf halt fremde Texte nicht als eigene ausgeben. Wenn man wörtlich zitiert, kann man das ja kennzeichnen, zum Beispiel hinten im Buch. Und wenn man sich nur inspirieren lässt, heißt es, dass durch den Bezug auf einen anderen Text etwas Neues und Eigenes entsteht. Ich glaube, in Wahrheit hat jeder Mensch auch ein ganz gutes Gespür dafür, wo die Grenze verläuft. Wenn man sich auf dieses redliche Gefühl verlässt, wird sich hinterher auch kein Jurist einmischen.

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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