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Jedes Kind in Deutschland bekommt irgendwann Sexualkundeunterricht. Aber wie klärt man als Familie über die rätselhaften Vorgänge auf, aus denen Babys entstehen? Aufklärung bei Steinleitners Woche!

Aufklärungsunterricht an der Schule? Wir machen das lieber zu Hause beim Mittagessen!

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Kolumne Steinleitners Woche Aufklärung

Sexualkunde: Da kommen zwei alte Frauen in die Schule und erklären das

Am Mittagstisch teilte mein Sohn Leonhard jüngst mit, dass sie in der Schule demnächst die Sexualkunde durchnähmen. Diese Ankündigung versetzte meine Tochter Elsa in albernes Kichern, woraufhin Leonhard etwas wütend fragte, was es denn da zu lachen gäbe. „Da kommen zwei alte Frauen und erklären, wie die Kinder gemacht werden.“ Nun kicherte auch Isabella los.

Wie man Kinder macht, scheint Leonhard bislang nicht zu interessieren

Verstört sah Leonhard mich an. Darüber, wie Kinder gemacht werden, scheint er noch nicht so richtig nachgedacht zu haben. Allerdings hat er dazu auch keine Zeit. Man muss wissen, dass sich Leonhard augenblicklich mit ganzer Leidenschaft der Kunst des Schlösserknackens verschrieben hat. Und die hat er zu erschreckender Perfektion gebracht. Das Vertrackte an dieser Kunst ist, dass er mit seinen Dietrichen auch Türen versperren kann, für die es keine Schlüssel mehr gibt. Wir anderen, die wir schlösserknackmäßig Totalausfälle sind, stehen dann mitunter vor verschlossener Tür. Gerade bei Toiletten ist dies, wenn man mal muss, ungünstig. Aber zurück zur Sexualkunde.

Ich hatte die Meta-Ebene des Lieds über Säcke und Eier nicht durchdrungen

Natürlich möchte ich vermeiden, dass es meinem Sohn ergeht wie mir seinerzeit, der ich – etwa im selben Alter wie er heute – ein Lied nachsang, das ich von einem zwei Jahre älteren Nachbarbuben erlernt hatte. An Melodie und genauen Text erinnere ich mich nicht mehr. Aber dass es von Eiern und Säcken und Schwänzen handelte, das weiß ich noch. Und dass ich das Lied nichts ahnend auch vor den Ohren meines Vaters fröhlich sang – ich dachte ja währenddessen wirklich an Eier und Säcke und Schwänze, und nicht an Hoden und Penisse! Mein Vater reagierte zunächst ungehalten. Dann aber fand er heraus, dass ich die Meta-Ebene des von mir inbrünstig intonierten Songs textlich noch nicht vollständig durchdrungen hatte. Ich weiß noch, dass er mir das Ganze dann ziemlich liebenswürdig erklärt hat und dass meine Wangen hochrot geworden waren, weil es mir so peinlich war, dieses fröhliche Lied so vollkommen falsch verstanden zu haben.

So sehe ich mich veranlasst, meinem Sohn zu erklären, wie es funktioniert

Diese Erinnerung veranlasste mich, das Gekichere am Mittagstisch zu beenden und Leonhard mitzuteilen, was Sache ist zwischen Mann und Frau. „Es ist ja schön“, eröffnete ich das Gespräch, „wenn euch in der Schule zwei alte Frauen erklären, wie die Kinder entstehen, aber ich möchte eigentlich, dass du das schon vorher erfährst und zwar so wie ich das sehe. Es ist nämlich ganz einfach.“ Erstaunlicherweise hörten Elsa und Isabella zu kichern auf. Vermutlich ist es auch für extrem erwachsene (!) Elf- und Vierzehnjährige interessant, die Vorgänge noch einmal aus väterlich souveräner Sicht erklärt zu bekommen. „Damit Kinder entstehen können“, hob ich also an, „muss der Mann seinen Penis in die Scheide der Frau hineinstecken und dort eine Flüssigkeit hineinspritzen, in der Samen drin sind. Diese Samen flitzen dann in Richtung einer Eizelle, die bei der Frau drin ist, und der schnellste Samen befruchtet dann diese Eizelle der Frau. Wenn das geklappt hat, wächst daraus ein Baby im Bauch.“ Weil von meinen Zuhörern keine Reaktion kam, ergänzte ich noch: „Das ist übrigens ein ganz normaler Vorgang, den viele als ‘miteinander schlafen’ bezeichnen.“

Mein Sohn empfand den von mir beschriebenen Vorgang als nicht ganz normal

An Leonhards Gesichtsausdruck erkannte ich, dass er diesen Vorgang als nicht ganz normal empfand. Und so fragte er schon gleich, wieso man denn bitte seinen Penis in die Scheide einer Frau hineinstecken solle? Bei den Stellen, die an diesem Vorgang beteiligt seien, handle es sich ja wohl um genau jene, mit denen man auch pinkle! Ich erklärte Leonhard, dass man dies mit dem Penis und der Scheide nur tue, wenn man sich wirklich sehr, sehr lieb habe; und dass im Übrigen dieses Hineinstecken im Falle einer großen Liebe sowohl für die Frau als auch für den Mann ein angenehmes Gefühl hervorrufe. „Obwohl da auch gebieselt wird?“ Leonhard schenkte mir einen ungläubigen Blick.
„Ja. Im Übrigen entstehen durch diese Tätigkeit Kinder. Und Kinder sind“, sagte ich, „wie man an euch dreien sehen kann, doch eine famose Sache!“
„Also, habt ihr das auch so gemacht?“, fragte mich Leonhard mit weit aufgerissenen Augen – und meine Frau Helena und ich nickten ernst. Ich spürte in diesem Moment eine Andeutung von Stolz, dass ich das alles so souverän und gut erklärt hatte.

Zweieiige Zwillinge können verschiedene Väter haben

Am nächsten Tag brachte Leonhard ein Buch zum Mittagstisch. „Neon Unnützes Wissen“ enthält laut Untertitel „1374 skurrile Fakten, die man nie mehr vergisst“. Seit Helena es den Kindern auf dem Flohmarkt gekauft hat, wird ständig daraus vorgelesen. Leonhard las uns Nummer 1323 vor: „Zweieiige Zwillinge können verschiedene Väter haben.“ Er hob den Kopf: Wie das denn bitte möglich sei? Mir war sofort klar, was für ein Bild mein Sohn vor Augen hatte: Zwei Penisse gleichzeitig in einer Scheide. Klar, dass dies für ihn doppelt so unvorstellbar wie ein Penis allein! Und hörte sich das mit dem einen Penis nicht bereits ziemlich crazy an?

„Und was ist bei zwei Vätern dann mit der Liebe?“, fragte mein Sohn ganz richtig

„Ich vermute mal“, sagte ich, „dass die zwei Väter, die diese beiden Zwillingskinder gezeugt haben, nicht gleichzeitig mit der Frau geschlafen haben. Sondern nacheinander.“
Leonhard benötigte nur einen Moment, um den Finger in die Wunde zu legen. Er fragte: „Und was ist mit der Liebe? Du hast doch gesagt, dass der Mann und die Frau sich sehr lieb haben müssen, damit sie das tun wollen. Geht das denn auch mit zwei Männern und einer Frau? Ich meine, Mami liebt doch nur dich?“
„Ja, vermutlich schon”, antwortete ich, schob aber ein vorsichtiges “Ich denke aber mal, das geht auch anders.“ Für einen Augenblick war ich fasziniert davon, wie kurz der Weg von der Biologie zur Psychologie und Soziologie der Liebe war.

“Hört sich kompliziert an“, meinte mein Sohn nun und weil ich das auch fand, nickte ich zufrieden. Die zwei alten Frauen können kommen.

P.S.: Der Biologielehrer, der mich und meine Mitschüler seinerzeit aufklärte, war verheiratet und wir kannten seine Frau. Aber die beiden hatten kein Kind. Allerdings erzählte er so anschaulich davon, wie schön es sei, miteinander zu schlafen, dass ich vor einem unlösbaren Rätsel stand: Wie wollte dieser Lehrer denn wissen, wie schön Sex ist, wenn er doch gar kein Kind hatte und es von demher noch nie ausprobiert haben konnte? Dieser Widerspruch ließ mir keine Ruhe. Deshalb fragte ich, ob er das mit dem Miteinander-Schlafen denn schon mal mit seiner Frau ausprobiert habe. Der Lehrer bejahte, die ganze Klasse lachte und ich bekam einen roten Kopf. Danach nahmen wir zum Glück ziemlich schnell auch das mit der Verhütung durch.

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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