ISBN 978-3-426-51944-8

384 Seiten

€ 22,99

Der Vater eines entführten Kinds schmuggelt sich in die Psychiatrie, um herauszufinden, wo der kleine Sohn ist. Sebastian Fitzek im Interview über den Thriller „Der Insasse“ und Simon Jägers Hörbuch.

Sebastian Fitzek im Interview über „Der Insasse“ und das von Simon Jäger gesprochene Hörbuch

Titelbild der Insasse

Foto © FinePic

Herr Fitzek, in Ihrem neuen Hörbuch „Der Insasse“ versetzen Sie uns in eine ziemlich erschreckende psychiatrische Anstalt. Warum ist die Psychiatrie ein faszinierender Schauplatz für einen Thriller?

Die Aufgabe eines Schriftstellers ist es, den Leser in Welten zu entführen, die er so nicht kennt. „Der Insasse“ spielt nicht in einem herkömmlichen Krankenhaus, sondern in einer psychiatrischen Gefängnisklinik. Also in einer Welt, die die wenigsten von uns schon einmal von Innen erlebt haben dürften. Des weiteren stehen bei mir die Opfer im Vordergrund. Wie erlebt jemand, der sich als geistig gesunder Mensch heimlich in die Forensik einweisen lässt, diese fremde und zum Teil furchteinflößende Welt? Das ist für mich die besondere Ausgangssituation, aus der „Der Insasse“ seine Spannung schöpft.

In Ihrem Thriller lässt sich der Vater eines entführten Kinds als vermeintlicher Patient in eine Anstalt verlegen, um herauszufinden, was mit seinem kleinen Sohn Max passiert ist. Wäre es für Sie denkbar, sich einmal selbst als Inkognito-Patient einliefern zu lassen, um einen Thriller vorzubereiten?

Ich fürchte, dass mir jegliche Wallraff-Qualitäten abgehen. Und mich in eine psychiatrische Gefängnisklinik einweisen zu lassen, also in den staatlichen Vollzug, das würde mir ohne die entsprechenden Kontakte ohnehin nicht gelingen.

Wie weit würden Sie für die Recherche eines Thrillers gehen?

Da ich ein Weichei bin – sonst könnte ich über Ängste auch gar nicht schreiben – würde ich sagen, dass ich mich nicht in die allergrößten Gefahren begeben würde. Wenn aber das Risiko für Leib und Leben gering ist, würde ich auch vor den ungewöhnlichsten Orten nicht zurückschrecken.

Simon Jäger liest die Hörbuchfassungen Ihrer Werke. Bei ihm klingt immer wieder das Berlinerische durch. Passt das für Ihre Ohren gut?

Ja, weil sie in Berlin spielen und er so dem Ganzen etwas Leichtes gibt, bei all dem Horror.

Was verbindet Sie mit Simon Jäger?

Tatsächlich inzwischen eine langjährige Freundschaft, die aus unserer Zusammenarbeit entstanden ist. Ich schätze Simon sehr für seine Arbeit, aber auch persönlich. Er ist ein unglaublich flexibler, großartiger Sprecher und Schauspieler – und ein wirklich netter Kerl. Das liest er jetzt bestimmt nicht gern, weil er kein Weichei ist wie ich, aber es stimmt! (Fitzek lacht.) Simon hat immer gute Laune, ich kenne ihn nur positiv!

Die Geschichte, die Sie in „Der Insasse“ erzählen, ist vertrackt. Mehrmals überraschen Sie mit Wendungen, die man überhaupt nicht auf der Platte hatte. Haben Sie das alles von vornherein so geplant oder ist Ihnen der eine oder andere Twist auch noch während des Schreibens eingefallen?

Etwa 80 Prozent aller Wendungen ergeben sich erst beim Schreiben, wenn die Figuren ihr Eigenleben entwickeln. Dann bin ich meist nur noch der Beobachter meiner eigenen Geschichte

Sie spielen mit Gewalt, mit Wahrnehmung und Fehlwahrnehmung, mit Lüge und Wahrheit, aber auch mit Identität. Wenn man dem Hörbuch lauscht, zweifelt man daran, dass es auf dieser Welt überhaupt einen einzigen Menschen gibt, der eine wirklich stabile Identität hat. Wie sehen Sie das? Kann aus jedem Menschen alles werden – auch eine Bestie wie Sie in „Der Insasse“ nicht nur eine auftreten lassen?

Ich glaube hier gibt es kein Ja oder Nein. Die Mehrzahl der Menschen ist gut, daran glaube ich ganz fest. Wann immer sich etwas Schreckliches auf der Welt ereignet, sind die Helfer immer in der Überzahl gegenüber den Tätern. Aber natürlich ist der Mensch auch das Produkt seiner Umstände. Es ist kein Klischee sondern eine Wahrheit, dass Menschen, die selbst in jungen Jahren Gewalt erleiden mussten, später selbst zum Täter werden. Und dann gibt es Menschen, die ohne jeglichen äußeren Einfluss von Natur aus das sind, was wir als böse bezeichnen.

Perfide ist der Gewalttäter Tramnitz, der den Vater des entführten Kinds mit „Till, Vater von Max“ anspricht. Damit fügt er dem Vater jedes Mal Schmerz zu. Sie sind ein Meister darin, sich solche Schmerzsituationen auszudenken. Passiert es Ihnen privat manchmal, dass Sie jemandem, der Ihnen nahesteht, so etwas sagen – vielleicht gar nicht aus Bösartigkeit, sondern aus Lust am Spiel?

Das hoffe ich doch nicht. Ich bemühe mich immer, andere Menschen nicht zu verletzen. Denn ich weiß als Autor nur zu gut, welche Waffen Worte sein und welche Schäden seelische Verletzungen hervorrufen können. Das gelingt wahrscheinlich nicht immer, aber bewusst aus Lust am Spiel jemanden zu verletzen, das schließe ich für mich aus.

Es geht in „Der Insasse“ tatsächlich um den Wahnsinn in extremer Ausformung. Haben Sie selbst eigentlich Angst vor dem Wahnsinn – also vor Wahnsinnigen beziehungsweise davor, es selbst zu werden?

Ich weiß jetzt nicht genau, wie Sie das meinen? Durch das Schreiben von Thrillern wird man nicht irre, man ist es schon vorher, sonst würde man es nicht tun. Aber Spaß beiseite, ich schreibe mir ja mit meinen Romanen meine Ängste von der Seele, nicht umgekehrt.

„Das Glück ist nicht mit dem Tüchtigen. Sondern mit dem Verrückten“, heißt es an einer Stelle. Ist das wirklich so?

Zumindest ist es mit den Verrückten, die selbst dann noch weiter machen, wenn es kein einziges Anzeichen dafür gibt, dass die begonnene Reise jemals ein glückliches Ende finden wird.

Erstaunlich ist, dass es Ihnen bei aller Psychospannung trotzdem gelingt, Humor durchblitzen zu lassen. Etwa in der Beschreibung der Mitinsassen der Psychiatrie: „Tills neue Freunde hießen: Keine Schneidezähne, Keine Hose und Kein Arm.“ Oder an anderer Stelle: „Ich fürchte, so wie du gerade ausblutest, bist du nicht in der allerbesten Verhandlungsposition.“ Das ist gemein und gleichzeitig lustig. Ist man ein schlechter Mensch, wenn man über so etwas Fieses schmunzeln muss?

Ganz im Gegenteil. Solch ein – neudeutsch genannter – Comic relief ist notwendig, damit wir bei all der Anspannung auch noch ein Ventil haben. Sehr gut ist das übrigens aktuell von dem Regisseur Christian Alvart in der Kino-Verfilmung von „Abgeschnitten“, nach einem Buch von Michael Tsokos und mir, umgesetzt worden. Ein wirklich extrem pulstreibender Film, bei dem man aber auch immer wieder aus voller Kehle lachen kann.

Was sind Thriller-Hörer und -Leser für Menschen? Meinen Sie, die zeichnet etwas Besonderes aus?

Auf alle Fälle sind es viele, was mich natürlich freut! Was besonders an ihnen ist? Dass sie ihre Ängste beim Lesen ebenfalls verarbeiten und das ist gut so. Eine Besucherin einer Lesung von mir, die Psychologin war, sagte mal, dass wir uns eher vor denen fürchten müssen, die keine Krimis und Thriller lesen oder gucken.

Am Ende sind es ein Psychopathen-Tagebuch und eine Rasierklinge, ein kranker Arzt, eine unfreiwillige Klinik-Prostituierte und ein Gewalttäter, die den Fall entscheiden. Hört sich total verrückt an …
Und dennoch haben sich im echten Leben schon sehr viel verrückte Geschichten zugetragen.

ISBN 978-3-426-51944-8

384 Seiten

€ 22,99

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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