Herr Ackner, Herr Fischbach, Sie haben Casanovas „Geschichte meines Lebens“ in einer 137 Stunden umfassenden Hörbuch-Ausgabe veröffentlicht. Sind bei Ihnen eigentlich noch alle CDs im Regal? Was hat Sie dazu getrieben, dieses Mammutprojekt anzugehen?
David Fischbach: Zugegeben, das ist ein bisschen verrückt. Aber wir hatten schon immer ein Faible für umfangreiche Klassiker. Die Bibel hatten wir schon aufgenommen, auch den Koran und Doyles sämtliche Sherlock-Holmes-Erzählungen. Und ich liebe Venedig. Dort läuft einem Casanova zwangsläufig über den Weg. Da mussten wir nur noch eins und eins zusammenzählen …
Das Projekt muss zigtausend Euro gekostet haben. Ihr Hörbuch-Verlag Buchfunk ist zwar fein, aber auch klein. Riskieren Sie gerade seine Existenz?
Johannes Ackner: Ja, das stimmt, die Produktion war ziemlich teuer. Sprecher, Toningenieur, Gestalter und schließlich das Presswerk wollen bezahlt werden. Uns war auch klar, dass Klassiker grundsätzlich kaum zum Bestseller taugen. Auf der anderen Seite haben wir ein Produkt geschaffen, das keine Saisonware ist und sich voraussichtlich auch in zehn Jahren noch verkaufen lässt. Deshalb sind wir uns sicher, dass sich die Investition langfristig gesehen amortisieren wird und vielleicht irgendwann sogar einen kleinen Gewinn abwirft.
Wie ist es Ihnen gelungen, für dieses Hörbuch den Sprecher Alexis Krüger zu gewinnen, der u.a. durch seine Puppenspiele in ZDF und KiKA bekannt ist?
Johannes Ackner: Wir haben nach einem guten, passenden und bezahlbaren Sprecher gesucht, der an unserem Verlagssitz Leipzig lebt und eine langfristige Verpflichtung eingehen kann. Das schränkt die Auswahl ein. Aber neben dem Verdienst ist für einen Sprecher auch die Größe der Aufgabe ein wichtiger Aspekt; so ein Mammutwerk läuft einem schließlich nicht oft über den Weg. Und so konnten wir Alexis Krüger dann relativ problemlos für die Aufgabe gewinnen, die er ja erstklassig bewältigt hat.
Herr Fischbach, Sie führten Regie. Ganz ehrlich: War es manchmal auch langatmig?
David Fischbach: Nie! Naja, manchmal. Aber ich hatte auch hervorragende Unterstützung in Person von Danny Mengemann. Er hat als Aufnahmeleiter und Regieassistent einen Großteil der täglichen Arbeit im Studio erledigt. Ihm gebührt deshalb besonderer Dank! Ich habe eher von außen Einfluss genommen und gemeinsam mit den Kollegen die künstlerische Richtung bestimmt.
Haben Sie eine Lieblingspassage? Was zeichnet sie aus?
David Fischbach: Vielleicht die „Flucht aus den Bleikammern“. Das ist eigentlich ein eigener Roman, der in die gesamten „Erinnerungen“ eingebettet ist. Der bietet viel: Leid, Intrigen, erotischen Szenen bis hin zur spannenden Flucht.
Worauf kommt es an, einen derartigen Text einzuspielen? Worauf legen Sie da besonders wert?
David Fischbach: Wichtig ist, dass es der Sprecher schafft, die Person des Casanova glaubwürdig zu verkörpern. Welche Haltung soll er einnehmen – die des alten Mannes der sein Leben vom Ende her betrachtet? Oder die des jüngeren Mannes, der er ja in der Erzählung ist? Ich finde, dass es Krüger sehr gut gelungen ist, einen zurückhaltenden aber dennoch engagierten Ton zu treffen – und diesen über 137 Stunden auch zu halten.
Sie haben mit Ihren Produktionen bereits den Deutschen Hörbuch Preis und viele andere Preise bekommen. Wie sehen Sie die Chancen dieses Extrem-Hörbuchs?
Johannes Ackner: Leider hat der „Casanava“ nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die er unserer Meinung nach verdient hätte. Immerhin ist die Produktion von der hr2-Hörbuchbestenliste ausgezeichnet worden; und einige Rezensenten haben das Werk durchaus wohlwollend besprochen. Beim Deutschen Hörbuchpreis hat es die Arbeit dagegen nicht mal auf die Longlist geschafft. Klar, wer einen solch renommierten Preis letztlich bekommt, ist bei der Masse an hervorragenden Produktionen ein bisschen Glückssache. Aber auf eine irgendwie geartete Würdigung hatten wir schon spekuliert.
Und jetzt verraten Sie bitte noch unseren Lesern, warum und bei welcher Gelegenheit sie sich 137 Stunden Casanova reinziehen sollten!
Johannes Ackner: Wo ist das Problem? Wer acht Stunden pro Tag das Hörbuch hört, ist doch in etwa drei Wochen damit durch … (lacht) Wir wissen natürlich, dass sich die wenigsten Menschen 137 Stunden Hörbuch im Stück anhören werden. Es lädt auch eher zum Stöbern ein. Im Booklet haben wir ein detailliertes Inhaltsverzeichnis mit aussagekräftigen Kapitelüberschriften. So können sich die Hörerin und der Hörer die Stellen rausfischen, die sie interessieren – vielleicht mal ein amouröses Abenteuer, mal ein gesellschaftlich-politisches Thema oder die Schilderung eines spannenden Abenteuers.
Wie geht es jetzt mit dem Casanova weiter, haben Sie das das Projekt jetzt abgehakt?
David Fischbach: Noch lange nicht! Bereits erschienen ist ein „Best of“ auf zwei mp3-CDs. Da haben wir eine Auswahl der besten Casanova-Geschichten für diejenigen getroffen, die sich mit gut 20 Stunden Hörbuch zufriedengeben. Dann planen wir Auskopplungen, aktuell „Casanova und die Geschichte der Medizin im 18. Jahrhundert.“ Denn Casanova litt nicht nur an zahlreichen – oft beim Sex übertragenen – Krankheiten, wie man sich vorstellen kann. Er ist auch selbst als Arzt aufgetreten und hat sich in zahlreichen Behandlungsmethoden versucht.