Gute Freunde, erste Liebe und exzentrische Mütter
Jungen an der Schwelle zum Erwachsensein erzählen von Freunden und ersten Beziehungen, von Familiengeheimnissen und exzentrischen Müttern. Auf den ersten Blick scheint die All-Age-Romane von Natalie Buchholz und Thomas Klupp viel zu verbinden. Die Autorin und der Autor sind Anfang vierzig, sie haben in Hildesheim studiert und beide eine jugendliche Erzählstimme gewählt. Damit folgen sie einem Trend in der deutschen Literatur – und doch sind zwei ganz unterschiedliche Bücher entstanden.
„Der rote Swimmingpool“ ist Natalie Buchholz‘ Debüt
Irgendwas hat Adam auf dem Kerbholz, so viel ist klar: Im Prolog verurteilt ein Jugendgericht den Angeklagten zu hundertzwanzig Arbeitsstunden in der Altenpflege. Dass er „jemanden auf dem Gewissen“ habe, wie sein Freund Tom behauptet, trifft es nicht ganz. Die Jungen buhlen um ein Mädchen, da greift man schon mal zu verbalen Tricks. Als Adam Tina schließlich erobert, überschattet seine Straftat die vorsichtige erste Liebe. Und das ist nicht das einzige Geheimnis in „Der rote Swimmingpool“, dem Debüt von Natalie Buchholz, zu dessen Beginn es heißt: „Eigentlich war bei uns zu Hause alles gut.“
Mutter Eva verdreht den Freunden des Sohns den Kopf
Adams Eltern führen eine Vorzeigeehe. Die französischstämmige Mutter Eva verdreht Adams Freunden am roten Pool den Kopf. „Sie war die Königin aller Mütter – und ich wusste das. Meine Freunde wussten das. Ich wusste, dass meine Freunde es wussten. Und meine Mutter wusste, dass wir es wussten. Es fühlte sich gut an.“ Auch Evas Mann Wiktor liebt ihre Mondänität. Der gebürtige Pole hat es in München zu Wohlstand gebracht – manifestiert im roten Pool, den er für Eva im Garten der Harlachinger Villa bauen ließ. Doch so, wie Adam das Familienleben beschreibt, scheint diesem etwas Bemühtes, Inszeniertes anzuhaften. Vor allem die Mutter agiert oftmals wie im Film, und Vater und Sohn beachten gewisse Regeln, um die heile Welt nicht zu gefährden. Eva glaube, was sie glauben wolle, sagt Wiktor. „Versuche gar nicht, sie davon abzubringen.“ Schließlich wird er es sein, der die Familie verlässt – und dem 17-jährigen Sohn nichts erklärt.
Thomas Klupps „Wie ich fälschte, log und Gutes tat“ ist ein Tagebuch
Während Natalie Buchholz ihre Geschichte auf zwei sich aufeinander zubewegenden Zeitebenen behutsam entfaltet, hat Thomas Klupp seinen zweiten Roman „Wie ich fälschte, log und Gutes tat“ wie ein Tagebuch angelegt. „Heute war der beste erste Schultag ever“, notiert Benedikt zum Auftakt am 13. September. Gut drei Monate umfasst die erzählte Zeit; und dass der 15-Jährige so schreibt, wie er mit seinen Kumpels wohl auch spricht, bedarf kurz der Gewöhnung – und geht dann voll auf.
Eine irrwitzige Story, in der jeder jeden übers Ohr haut
Thomas Klupps Kunstsprache katapultiert direkt in Benedikts Kosmos. Zwischen Tennisplatz, Schule, dem Nachtclub „Butterhof“ und der elterlichen Villa – selbstredend mit Pool – entfaltet sich eine irrwitzige Story, in der jeder jeden übers Ohr haut. Bei all den Kapriolen und Pointen droht man fast zu überlesen, dass sich auch hier im Kern eine Familiengeschichte versteckt. Der Umzug von München-Neuperlach in die Oberpfalz rettete Benedikts Mutter aus der Depression. Während ihr Mann nun als Chefarzt der Unfallchirurgie Tag und Nacht ackert, zimmert sich die vormals untätige Hausfrau in Weiden ihre Traumwelt zurecht: „Sie flunkerte schneller, als ihr Publikum blinzeln konnte, fantasierte im Handumdrehen halbe Romane zusammen und radierte dabei jedes falsche Detail ihrer Vergangenheit aus.“ Unterstützt von ihrem Sohn übrigens, der gegen Bezahlung einiges zu tun bereit ist.
Gelingt die Emanzipation der Söhne von ihren unreifen Müttern?
Ob sich die Jungen von ihren unreifen Müttern emanzipieren? Der reflektierte Adam ist auf dem besten Weg dorthin – der sorglose Benedikt tut sich indes schwer, den Wert von Wahrheit zu erkennen.