Frau Bluhm liest „Das Ritual der Toten“: 5 von 5 Blu(h)men
Im Prozess wird klar: Der Professor ist noch immer brandgefährlich
Nur wenige Wochen sind vergangen, seit Marie Winter, Hauptkommissarin der Mordkommission Frankfurt, und BKA-Mitarbeiter Daniel Parkov ihren letzten Fall abgeschlossen haben. Nun steht der sogenannte Professor vor Gericht, um sich für seine schauderhaften Verbrechen zu verantworten. Marie selbst hat die Ereignisse von damals immer noch nicht vollständig überwunden, leidet unter Albträumen. Doch schon während der Gerichtsverhandlung wird klar, dass die Absichten und Pläne des Mannes, der sich „der Professor“ nennt, Mads Argo, noch lange nicht Schnee von gestern sind. Denn nur kurze Zeit später wird eine junge Frau gefunden. Verwahrlost, apathisch und gezeichnet mit Spuren langer Gefangenschaft und Folter. Marie und Parkov fangen an zu ermitteln und schon bald wird klar, dass dieser Fall wieder zurück zum Anfang der Machenschaften des Professors führt.
Ich betrachte Martin Krügers Trilogie als Gesamtkunstwerk
Mit „Das Ritual der Toten“ liefert uns Martin Krüger den langersehnten dritten Teil seiner Trilogie um Marie Winter und Daniel Parkov. Schon relativ früh im Buch wird klar, dass die Story des aktuellen Thrillers auf den beiden vorherigen Teilen aufbaut. Meine Empfehlung wäre daher, die ersten beiden Bücher zu kennen, bevor man sich dem aktuellen Buch widmet. Das muss aber überhaupt kein Nachteil sein, denn betrachte ich Martin Krügers Trilogie nun als Gesamtwerk, so komme ich nicht umhin, vor dem Aufbau, der Detailgenauigkeit und der Komplexität der Geschichte, die der Autor über drei Bände entwickelt hat, meinen nicht vorhandenen Hut zu ziehen. Viele Kleinigkeiten, die zu Anfang noch offengeblieben sind, ergeben jetzt einen Sinn. Beispielsweise wird das Geheimnis um das rätselhafte Verhalten von Maries Mann Erik gelüftet, und auch die Zusammenhänge um das scheinbar gewaltige Netzwerk des „Professors“ werden klarer. Es lohnt sich, Martin Krügers doch sehr verwickelter und verzweigter Geschichte die Zeit und den Raum zur Entfaltung zu lassen, die sie verdient.
„Das Ritual der Toten“ garantiert eine komplexe, packende Story
Der sprachlich hochwertige Anspruch und die damit verbundenen Stilmittel wurden von Martin Krüger seit dem letzten Buch noch weiter perfektioniert und ausgereifter gestaltet. Ich liebe beispielsweise seine Art, den Leser ohne Vorwissen in Vorgänge zu werfen, die dann erst nach und nach Aufklärung finden. Das erhöht einerseits die Spannung, da man natürlich unbedingt hinter das Rätsel sehen möchte, gleichzeitig aber auch die Aufmerksamkeit beim Lesen, weil man sich konzentrieren muss, um nichts zu verpassen. Das erlaubt Martin Krüger das Netz, innerhalb dessen seine Protagonisten agieren, aufs Maximale auszudehnen und somit die Handlungsebene weiter zu verdichten. Ich gebe zu, es sind wahnsinnig viele Namen, die man sich merken und komplexe Zusammenhänge, die es zu bedenken gibt. Letzten Endes resultiert dies aber in einer packenden, gut geschriebenen und spannenden Geschichte, die es sich lohnt zu lesen.
Der neue Fall führt von Frankfurt über London bis nach Afrika
Martin Krüger hat sich viel vorgenommen für sein drittes Buch. Der neue Fall führt die beiden Ermittler von Frankfurt über London bis nach Afrika. Immer auf der Jagd nach dem Bösen, in diesem Fall aber auch auf der Jagd nach der Vergangenheit, wie man betonen muss. Gerade Parkovs Biografie steht dabei im Mittelpunkt. Wir erfahren endlich mehr über den unglaublichen Daniel Parkov, an dem wir Bewunderer zwar schon immer einen Narren gefressen, ihn aber, genau wie Marie, nie richtig verstanden haben. Das wird jetzt ausführlich nachgeholt, was dazu führt, dass wir als Leser, genau wie Marie selbst, auch die Schattenseiten von Parkovs Charakter kennenlernen. Wie sie, haben wir beim Lesen die Wahl, ob uns dieser neue Parkov gefällt. Ohne zu viel spoilern zu wollen: Mir gefällt er.
In „Das Ritual der Toten“ gibt es mehrere richtig starke Szenen
Diese Einsicht in Parkovs Vergangenheit, gerade im Hinblick auf den Mord an seiner Frau, ergibt natürlich auch neue Aspekte bezüglich der aufkeimenden Beziehung zwischen Marie und Daniel Parkov. Am Ende des zweiten Buchs war man sich sicher, dass bald der Punkt kommen müsse, wo diese in die ein, oder die andere Richtung kippen wird. Gerade in der ersten Hälfte von „Das Ritual der Toten“ gibt es mehrere Szenen, auf die man sich wirklich freuen kann. Gerade Parkovs Umgang mit Maries Tochter ist dabei ein wunderschönes Beispiel.
Auch das Frankfurter Senckenberg-Museum wird zum Tatort
Auch an den von Martin Krüger angelegten Schauplätzen mangelt es nicht an Spannung. Es gibt beispielsweise einen Vorfall, der sich im Frankfurter Senckenberg-Museum ereignet. Dort gelingt es dem Autor vortrefflich, die fast schon klaustrophobisch anmutende Enge des Tatorts auf die Spitze zu treiben, und den Leser auf diese Weise durch die Seiten zu jagen. Ein Beispiel von vielen, was die atmosphärische Dichte des Thrillers betrifft. Es gelingt ihm außerdem, diese Spannung auf das Netz der involvierten Personen zu übertragen. Bald wissen wir Leser genauso wenig wie die beiden Ermittler, wem noch zu trauen ist und wie die von allen gesuchte Wahrheit denn aussehen könnte.
Marie ist der Droge auf der Spur, die der Professor in Umlauf brachte
Je weiter dieser, zunächst relativ simpel erscheinende Fall voranschreitet, desto mehr wird klar, dass der Ursprung der aktuellen Vorkommnisse weit zurück liegt und dass er weitreichender ist, als zunächst angenommen. Marie beschäftigt sich größtenteils mit der Suche nach der Herkunft, der schon aus Teil zwei bekannten Droge, die der Professor in den Umlauf brachte, und von der sie annimmt, sie sei für den Angriff ihres Mannes verantwortlich, den sie damals so dramatisch unterbinden musste, um sich und ihre ungeborene Tochter zu schützen. Martin Krüger hat es dabei so geschickt eingerichtet, dass wir beim Lesen zusammen mit Marie die losen Fäden verbinden können, deren Ursprünge bis zum Jahr 1909 und einer Expedition nach Afrika zurückreichen. Dabei erfährt man, wie umfassend und gut aufgebaut Martin Krügers Geschichte von Anfang an war, denn diese vielen losen Fäden werden irgendwann zu einem gewaltigen Teppich verknüpft, auf dem wir gemeinsam mit Marie und Daniel in ein grandioses Finale wandern, bei dem Parkovs Prinzip von der Täuschung in der Täuschung die Spannung beim Lesen auf ein Maximum erhöht.
Gebe ich eine Buchempfehlung für „Das Ritual der Toten“ ab?
Warum einfach, wenn es auch umständlich geht? Das könnte der Leitsatz dieses Thrillers sein, denn er trifft auf jeden Handlungsstrang zu. Auf die Verwicklungen innerhalb des Falls, auf die Verschwörung innerhalb der Polizei und vor allem auch auf die Beziehung von Marie und Daniel Parkov. Nur in diesem Fall ist umständlich wirklich viel besser als einfach, weil somit eine gut durchdachte, für den Leser nachvollziehbare, und dennoch unvorhersehbare Handlung entstanden ist, deren Lektüre ich sehr empfehlen kann.