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Manchmal kann man nur schreien. Zum Beispiel, wenn man im Tropenregen ein Auto öffnen will, sich im Bademantel aber kein Dosenöffner findet. Eine kritische Kolumne.

Was die Abschaffung der Schlüssel und Knöpfe mit dem bedingungslosen Grundeinkommen zu tun hat

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Der Bademantel ist ein unterschätztes Kleidungsstück

Eines der ersten Geschenke, das mir meine spätere Schwiegermutter vermachte, war ein Bademantel. Der Bademantel ist trotz Chilly Gonzalez und Hugh Hefner ein unterschätztes Kleidungsstück. Jüngst, draußen platschte eines jener Gewitter vom Himmel, die diesen Sommer zu einem aufregenden machen, warf ich ihn mir über, um beim Mietwagen meines britischen Onkels Mortimer das Fenster zu schließen.

Ein weißes Plastikding von der Größe eines Smartphones

Am Fahrzeug stellte ich fest, dass Mortimer mir anstatt eines Schlüssels ein weißes Plastikding von der Größe eines kleinen Smartphones mitgegeben hatte. Während sich der Sommerregen durch den Frotteestoff arbeitete, studierte ich die Oberfläche des – in Anführungszeichen – Schlüssels. Würden Sie mich sprechen hören, was ich schreibe, würden sie mich die Wortgruppe IN ANFÜHRUNGSZEICHEN schreien hören.

Einige Informationen für jüngere LeserInnen

Es mag aus der Zeit gefallen wirken, aber ich mag es nicht, dass uns neuerdings allerlei Plastikgedöns als Schlüssel angedreht wird: in Hotels, bei Autos und so. Was soll das? Ich stand vor dem Wagen und wusste nicht, was ich tun sollte, um das Ding zu öffnen. Die Symbole sagten mir nichts. Ein Dosenöffner war nicht zur Hand. Ich drückte wahllos Plastikflächen, die früher Knöpfe gewesen wären. Irgendwann – wegen des Regens hörte ich es kaum – leuchteten allerlei Lichter und es machte KlackKlackKlack. Geschafft. Schnell öffnete ich die Tür, sprang hinein und drückte den – in Anführungszeichen – Fensterknopf. Nichts rührte sich. Durch das noch immer offene immer offene Fenster ergoss sich derweil der Wasserfall.

Für alle jüngeren LeserInnen: Früher, als man noch miteinander redete anstatt zu whatsappen, wurden Autofenster mithilfe von Kurbeln geschlossen. Noch früher wurden Automobile mithilfe von Kurbeln sogar gestartet.

Das Frottee klebte an meinem Rücken

Schnell war klar, dass die Fenster sich nur würden bewegen lassen, wenn es mir gelänge, das Fahrzeug in einen Aktivzustand zu versetzen. Früher genügte dafür eine halbe Drehung des Schlüssels. Aber in diesem Fahrzeug gab es ja nicht einmal ein Schlüsselloch. Stattdessen einen Nicht-Knopf mit der Aufschrift Start/Stopp. Ich zögerte: Ich wollte ja nicht den Motor starten, sondern lediglich die Zündung aktivieren. Von draußen herein der Wasserfall. Das Frottee klebte an meinem Rücken. Kurzentschlossen stieg ich aus, umrundete den Wagen, stieg auf der anderen Seite ein, trat auf die Kupplung (ja, das Ufo hatte immerhin noch eine Kupplung) und drückte auf Start/Stopp. Machen wir es kurz: Der Rest klappte reibungslos.

Es fing an mit der Abschaffung der Schlüssel und es endet bei der Abschaffung des Menschen

Dennoch bin ich bis heute verärgert: Warum gibt es keine Schlüssel mehr? Warum gibt es in Supermärkten bald keine KassiererInnen mehr? Keine Lastwagen- und Taxifahrer? Keine Bankkaufleute an Bankschaltern? Keine Buchhändler in Buchhandlungen? Keine Paketboten? Keine Bedienungen? Keine Arbeiter? Merken Sie etwas: Es fing mit der Abschaffung der Knöpfe und Schlüssel an und es endet bei der Abschaffung der Menschen.

Das bedingungslose Grundeinkommen bitte direkt Robotern auszahlen

Zum Ausgleich soll es das bedingungslose Grundeinkommen geben. Weil all die abgeschafften Menschen zum Einkaufen wegen dem Wirtschaftswachstum natürlich schon noch gebraucht werden. Vorerst jedenfalls. Die Menschen sitzen dann zuhause und kaufen von dort aus mithilfe von Geräten ohne Knöpfe und Kurbeln Sachen ein, die ihnen von Robotern geliefert werden.

Wehrt euch, Leute! Noch gibt es echte Menschen, die Bücher verkaufen!

Aber ich sage euch, Leute: Noch ist es nicht zu spät. Werft euch die Bademäntel über, geht raus in den Tropenregen, und wehrt euch. Zum Beispiel, indem ihr eure Bücher in Buchhandlungen kauft, in denen echte Menschen arbeiten.

P.S.: Schwiegermütter sind interessante Wesen. Die meines Freunds Bene – er ist seit über zehn Jahren verheiratet – kann sich seinen Namen noch immer nicht merken. Wenn es schnell gehen muss, fragt sie: „Kommt der Dings auch mit?“

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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