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Stefan Zweig, einer der meistgelesenen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, war ein lebenslang Getriebener. Maria Schraders beeindruckender Film Vor der Morgenröte beleuchtet jetzt seine letzten Lebensjahre im amerikanischen Exil.

Stefan Zweig. Einer der meistgelesenen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

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1. Vor der Morgenröte
2. Schriftsteller und Netzwerker
3. Stefan Zweig in Amerika
4. Von Salzburg ins Exil
5. August 1936, Rio de Janeiro
6. New York, Januar 1941
7. Rezensionen und Pressestimmen

Stefan Zweig – Schriftsteller, Netzwerker, Pazifist, Getriebener

Was in frühen Jahren mit „meine Koffer gähnen mich an. Ich muss ihnen jetzt das Maul stopfen“, als pointierte Beschreibung eines quasi zwanghaften Verreisen-Müssens beginnt, wird später zu der alles bestimmenden Obsession eines tief Entwurzelten. Mit dem Beginn seines Exils im Jahr 1934 ist es nicht mehr die Ungeduld des Herzens, die den 1881 in Wien geborenen, inzwischen weltberühmten Schriftsteller umtreibt, und den Autor der Schachnovelle und Sternstunden der Menschheit immer wieder durch Länder, Kontinente und über die Bruchstellen der Geschichte führt. Es ist die verzweifelte Suche eines unbeirrbaren Pazifisten, überzeugten Europäers und Weltbürgers nach einer weder von Nationalismus noch von Revanchismus geprägten, neuen geistigen Heimat. „All die fahlen Rosse der Apokalypse sind durch mein Leben gestürmt“, schreibt er in seinem letzten Jahr. Aber da sind ihm, dem unsteten, ebenso rastlosen wie produktiven Autor, auch nur noch die alles überstrahlenden Erinnerungen eines Europäers an das alte Wien, an eine untergehende Welt, an ein Europa auf der Flucht vor sich selbst geblieben: „Erst im Unglück weiß man wahrhaft, wer man ist“, hatte er 1932 vorausschauend notiert. Als sich Stefan Zweig gemeinsam mit seiner zweiten Frau Lotte in der Nacht vom 22. auf den 23. Februar 1942 im brasilianischen Petrópolis das Leben nimmt, liegt Die Welt von Gestern, die er mit seiner gleichnamigen Autobiografie kurz zuvor noch einmal zum Leben erweckt hatte, schon lange in Trümmern. „Ich grüße alle meine Freunde!“, schreibt er in seinem Abschiedsbrief. „Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht. Ich, allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus.“

 

Vor der Morgenröte

Vor der Morgenröte – Stefan Zweig in Amerika, so heißt, unter Bezug auf seine letzten Worte, auch der aktuelle Film von Maria Schrader, der am 2. Juni 2016 in unsere Kinos kommt. Die internationale Koproduktion, ein ebenso stimmiges wie engagiertes Biopic, wurde in Halle und Berlin, Lissabon und Sao Tomé gedreht. Mit Josef Hader als Stefan Zweig, Barbara Sukowa, Aenne Schwarz, Matthias Brandt und Charly Hübner prominent besetzt, konzentriert er sich in sechs eindringlichen Episoden auf Zweigs späte Exiljahre. Über die historische Blaupause hinaus zeigt Vor der Morgenröte, wie zeitlos und aktuell ein Schicksal, nicht nur das von Intellektuellen und Künstlern, auf der Flucht vor Gewaltherrschaft sein kann. Eine laut Schrader „allegorische Erzählung über das Exil“, und, so Jan Schomburg, der gemeinsam mit Maria Schrader das Drehbuch schrieb, „ein Film über den Untergang Europas in den 30er und 40er Jahren, der gänzlich außerhalb Europas spielt.“ Er zeige mit Stefan Zweig einen Menschen, „der permanent in zwei Welten lebt, in eine Landschaft schaut und vor dem inneren Auge eine ganz andere sieht. Und der, wenn auch in physischer Sicherheit am anderen Ende der Welt, Opfer der faschistischen Ideologie“ wird.

 

Schriftsteller und Netzwerker

Der Film setzt im August des Jahres 1936 ein. Stefan Zweig ist 54 Jahre alt. Geboren in Wien, aufgewachsen in einer wohlhabenden Fabrikantenfamilie, in der Religion keine Rolle spielt, entdeckt der „Jude aus Zufall“, wie er sich später bezeichnet, früh sein außergewöhnliches literarisches Talent. Als er 1904 zum Dr. phil. promoviert, hat er bereits einen Gedichtband, eine Übersetzung und eine erste Novelle veröffentlicht. Mit seinen Dramen, Erzählungen, Novellen, Biographien und historischen Miniaturen wird der brillante Stilist und fesselnde Erzähler in den nächsten 35 Jahren von Erfolg zu Erfolg eilen. Und reisen, reisen, reisen. Zwischen 1901 und 1910 u.a. nach Frankreich, England, Belgien und Spanien, Ceylon, Kalkutta, Rangun, Hinterindien, USA, Kanada, Kuba und Puerto Rico. Dabei knüpft er zu zahllosen Schriftstellern, Künstlern und Intellektuellen, mit denen er über Jahre und Jahrzehnte eine rege, oft freundschaftliche Korrespondenz pflegen wird, intensive Kontakte. Zweig ist nicht nur ein oft- und vielbeneideter, hochbegabter Schriftsteller mit einem ganz besonderen Gespür für die richtigen Themen, sondern auch ein frühes Kommunikationsgenie – ein echter, analoger Netzwerker, so wie er damals, ohne Smartphone, Tablet und Notebook, noch im Buche stand.

 

Von Salzburg ins Exil

1919 kauft Zweig ein Haus in Salzburg, ein Jahr später heiratet er Friderike Maria von Winternitz, die zwei Töchter mit in die Ehe bringt. Und er reist, reist, reist. Wobei er sich als weit vernetzter, engagierter Intellektueller immer wieder und überall für einen bedingungslosen Pazifismus, ein freies und humanitäres Europa, gegen Nationalismus und Revanchismus ausspricht. Am Tag der Bücherverbrennung, dem 10. Mai 1933, brennen auch Zweigs Werke. Im Februar 1934 geht er von Salzburg aus ins Exil nach London. Bis zuletzt wird er auf mannigfaltige Art und Weise, auch und gerade mit viel Geld, emigrierte Freunde und Kollegen unterstützen. Zweig, der partiell von seiner Frau Friderike, die in Salzburg geblieben ist, getrennt lebt, beginnt ein Verhältnis mit seiner Sekretärin Charlotte Altmann, die ihn auf seinen ausgedehnten Reisen begleitet. So auch 1936 nach Ostende in Belgien, wo er mit deutschen Exilanten wie Joseph Roth, Irmgard Keun und vielen anderen das Leben noch einmal so feiern wird, wie es nur Verzweifelte können. Ein faszinierender, letzter Sommer der Freundschaft, aus dem Volker Weidermann vor zwei Jahren einen ebenso faszinierenden Bestseller gemacht hat. Wenige Wochen darauf, im August 1936, reisen Zweig und Lotte zum ersten Mal zu Lesungen und Vorträgen nach Brasilien. Film ab.

 

Stefan Zweig in Amerika

Kenntnisreich, detailgenau und historisch korrekt, dabei vor innerer und äußerer Spannung vibrierend, blättert Maria Schraders bildgewaltiger Film die Exiljahre Stefan Zweigs in sechs Episoden auf. Vor der Morgenröte erzählt die Geschichte eines Flüchtlings, vom Verlieren der alten und dem Suchen nach einer neuen Heimat, von einem in die Emigration Getriebenen, der angesichts des Wissens um den Untergang Europas, den er früh vorhergesehen hat, verzweifelt – trotz sicherer Zuflucht, finanzieller Unabhängigkeit, und gastfreundlicher Aufnahme inmitten einer überwältigenden tropischen Natur.

 

August 1936, Rio de Janeiro

Wie ein Staatsmann wird Stefan Zweig (Josef Hader) im exklusiven Jockey Club vom brasilianischen Außenminister den Spitzen der brasilianischen Gesellschaft vorgestellt. Von einer Gesellschaftsform überwältigt, in der ein friedliches Zusammenleben verschiedenster Rassen und Hautfarben zu gelingen scheint, wird er seine persönliche Hoffnung auf eine neue Heimat nicht mehr von Brasilien trennen.

 

September 1936, Buenos Aires

Stefan Zweig ist Ehrengast des diesjährigen Schriftsteller-Kongresses in Buenos Aires. 80 Autoren aus 50 Ländern diskutieren die Stellung des Schriftstellers in der Gesellschaft. Zentrales Thema ist der aufkommende Faschismus in Mitteleuropa. Zweig besteht darauf, als Pazifist und Intellektueller der Radikalität seiner Gegner nicht mit derselben Radikalität zu begegnen. Der Schweizer Emil Ludwig (Charly Hübner) sieht das anders und antwortet mit einer pointierten Wutrede gegen Nazideutschland. Das Publikum erhebt sich, um Zweig als einzigen anwesenden Exil-Schriftsteller zu ehren. Aber es hilft nichts, noch so discret zu sein, die Zeitungen verfolgen einen von früh bis nachts mit Photografien und Stories – mit Riesenformat war ich abgebildet, wie ich bei der Rede Ludwigs weinte (!!!). ( ) In Wahrheit hatte ich mich so widerlich gefühlt, als man uns als Märtyrer hinstellte, dass ich den Kopf in die Hände stützte, um mich nicht photografieren zu lassen, und gerade das photografierten sie und erfanden den Text dazu. Mich ekelt dieser Jahrmarkt der Eitelkeiten.“, schreibt Zweig am 12. September 1936 aus Buenos Aires an seine Frau Friderike.

 

Bahia, Brasilien, Januar 1941

Zweig, seit 1938 von Friderike geschieden, hat Lotte (Aenne Schwarz) geheiratet. Die Zweigs sind britische Staatsbürger geworden, haben mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs London verlassen,  und sind jetzt nach einem Zwischenstopp in New York seit Monaten auf Vortragsreise durch Brasilien, über das Zweig ein Buch schreiben wird. Auch auf der Zuckerrohrplantage, die er besucht, und deren Dorfkapelle als Geschenk für ihn den Donauwalzer anstimmt, ist der Gedanke an Krieg und Vernichtung seiner Heimat sein ständiger Begleiter.

 

New York, Januar 1941

Zweig sieht Friderike (Barbara Sukowa) wieder, der auf abenteuerlichen Wegen mit ihren Töchtern die Flucht aus Europa gelungen ist. Angesichts des allgegenwärtigen Elends und seiner eigenen Hilflosigkeit schwankt er zwischen wütender Verzweiflung und Ohnmacht. Sein amerikanischer Verleger schlägt ihm das nahe gelegene New Haven als ungestörten Wohn- und Arbeitsort vor. Durch die Unterstützung von Friderike und Lotte beflügelt, schöpft er Zuversicht und entwickelt Pläne, das Brasilienbuch gleichzeitig in fünf Sprachen zu veröffentlichen und das autobiographische Projekt Die Welt von Gestern in Kürze abschließen zu können.

 

Petrópolis, Brasilien, November 1941

Stefan und Lotte Zweig haben Ende August die USA verlassen und sind in das zwei Autostunden von Rio de Janeiro entfernte Petrópolis gezogen. Am Morgen seines 60. Geburtstages wird er von einem alten Bekannten, Ernst Feder (Matthias Brandt) überrascht, Schriftsteller und ehemaliger Ressortleiter des „Berliner Tageblatts“, der mit seiner Frau ebenfalls in Petrópolis untergekommen ist. Ein vertrautes Gesicht in der Fremde, das Zweig aber auch nicht aus seiner tiefsitzenden Depression reißen kann. Seine eigene Sicherheit ist für ihn angesichts des überwältigenden Elends in Europa eine Unverfrorenheit. Er hat keine Hoffnung auf Frieden, nirgendwo in der Welt gibt es eine Opposition gegen den Krieg als solchen. Als ihm sein brasilianischer Verleger und seine Frau zum Geburtstag einen kleinen Terrier namens Plucky mitbringen, spielt Stefan Zweig begeistert mit dem Hund, was ihm einen kurzen, letzten Moment ausgelassener, fast beunruhigender Freude schenkt.

 

Petrópolis, Februar 1942

Im abgedunkelten Schlafzimmer die leblosen Körper von Stefan und Lotte Zweig, gefangen in einer erstarrten Umarmung. In das auf den bestürzenden Doppelselbstmord folgende, hektische Treiben tritt erst Ruhe ein, als Ernst Feder gebeten wird, den Anwesenden Zweigs auf Deutsch verfassten Abschiedsbrief vorzulesen: “… Ich grüße alle meine Freunde! Mögen Sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht. Ich, allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus.“

Rezensionen und Pressestimmen

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