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Warum gehen die besten Freunde mit den liebsten Büchern so schlecht um?

Ein Buch ist kein Klodeckel!

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Es ist schon toll, wie begeistert neuerdings und allerorten geteilt wird: Autos, Wissen, Links auf lustige Youtube-Videos. Teilen ist in. Als jemand, der zehn Jahre als Einzelkind aufgewachsen ist, weil der kleinere Bruder so spät erst nachzügelte, hat das Teilen für mich eine besondere Bedeutung; es war mit Schmerz verbunden, beherrschte ich es doch mangels geschwisterlicher Übung viele Jahre nicht besonders gut. Die Entwicklung gipfelte darin, dass ich in meiner Studenten-WG die H-Milch im Kleiderschrank versteckte, weil mein Mitbewohner das mit dem Teilen so verstanden hat, dass er die Milch, die ich kaufe, wegsaufen kann. Egal wieviel ich herbeischaffte, er soff alles leer. Bei fünf Litern am Tag begann ich die Milch zu verstecken. Es ging mir übrigens nicht ums Geld, sondern darum, dass ich meinen Schwarztee lieber mit Milch trinken wollte.

Heute ist alles besser, die Kinder werden dank Facebook schon früh ans Teilen gewöhnt. Buttonmäßig besteht ein Drittel des Facebook-Lebens daraus. Teilen ist die Steigerung des Gefälltmirens. Diese Entwicklung ist wirklich begrüßenswert, sie – „Gefällt mir“. Der einzige Bereich, in dem ich mir nach wie vor schwer tue, ist das mit dem Bücherteilen. Man erinnert sich kaum mehr daran, aber zu antiker Zeit sprachen wir nicht vom Bücherteilen, wir nannten es „Verleihen“.

Das damit verbundene Ärgernis ist aber dasselbe geblieben. Vorsicht, ich schimpfe jetzt: Kann mir mal bitte einer erklären, was das für Buchliebhaber sind, die sich ein Buch ausleihen und es in einem Zustand zurückgeben, der vermuten lässt, sie hätten es als Klodeckel oder Kopfkissen verwendet, oder als schusssichere Weste in einem Kriegseinsatz?

Freunde, was ihr mit euren eigenen Büchern anstellt, ist mir egal! Meinetwegen könnt ihr sie untergetaucht in der Badewanne lesen, auf jede Doppelseite ein Marmeladenbrot mit Ketchup und Gyros kleben und es aufgeschlagen und mit dem Cover nach oben in der prallen Sonne liegen lassen. Wenn es nach mir geht, könnt ihr die Schutzumschläge zum Feuermachen verwenden, zum Einwickeln veganer Pausenbrote oder euch Sonnenhüte daraus basteln. Ihr dürft in den Büchern auch Telefonnummern notieren, sie zur Insektenjagd verwenden, in ihnen am Sandstrand von Ibiza schmökern und über sie nach Mandeln riechendes Sonnenöl kippen. Ja, das könnt ihr alles gerne machen.

ABER BITTE NICHT MEINEN BÜCHERN! HABEN WIR UNS VERSTANDEN?

Allen, die mich jetzt spießig finden, rufe ich entgegen: Findet mich doch spießig – ist mir schnuppe! Wisst ihr: Mein Vater sagte immer, es gäbe zwei Dinge, die ein Mann nicht verleihe – seine Frau und sein Rennrad. Ich sage euch: Er hat eine Sache vergessen.

Das Erstaunliche ist, dass sogar beste Freunde nicht davor zurückschrecken, Bücher zu misshandeln. Umso schlimmer wirkt sich dabei aus, dass man ja gerade mit seinen besten Freunden nur seine absoluten Lieblingsbücher teilen möchte. Mit der Folge, dass genau diese Glanzlichter einer jeden Bibliothek am ranzigsten aussehen.

Was tun? Es gibt tatsächlich Leute, die lesen deshalb nur noch eBooks. Das finde ich nicht gut, denn das Teilen ist ja an sich ein schöner Akt. Ich bin dazu übergegangen, Freunde, die mich mit ihrer Buchbehandlung ungut überrascht haben, unauffällig zu ihren Plänen und Lebensumständen zu befragen, bevor ich ihnen meinen neuesten Lieblingsschmöker mitgebe: Fahrt ihr demnächst ans Meer? Isst du eigentlich noch manchmal Gyros? Habt ihr auch so viele Mücken dieses Jahr? Falls ihr eine bessere Idee habt, gebt mir Bescheid. Ich bin ratlos. Denn eigentlich wollen wir doch alle das Gleiche: geniale Bücher lesen.

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/joerg-steinleitner/" target="_self">Jörg Steinleitner</a>

Jörg Steinleitner

Geboren 1971, studierte Jörg Steinleitner Jura, Germanistik und Geschichte in München und Augsburg und absolvierte die Journalistenschule. Er veröffentlichte rund 25 Bücher für Kinder und Erwachsene. Steinleitner ist seit 2016 Chefredakteur von BUCHSZENE.DE und lebt mit Frau und drei Kindern am Riegsee.

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