ISBN 978-3-498-06436-5

256 Seiten

€ 19,95

Die Geschichte des Frauenmörders Fritz Honka ist einer der ekelerregendsten Romane des Jahres – und zugleich einer der besten. Denn Heinz Strunk begnügt sich nicht damit, den Leser mit der Faszination des Bösen zu fesseln – er macht vor allem auch nachvollziehbar, welche Lebensumstände in der Lage sind, einen Menschen zum Verbrecher werden zu lassen. Dies ist das Gegenteil von Weichspülerliteratur. Ein widerwertig brutales und dabei zutiefst humanes Werk.

Brillant und in seiner Monströsität zutiefst human – Heinz Strunks „Der goldene Handschuh“

„Nur die Armen kennen den Sinn des Lebens, die Reichen müssen raten.“

Es ist unglaublich und zugleich wunderbar, dass dieser Roman auf der Bestsellerliste gelandet ist. Unglaublich ist es, weil Heinz Strunks „Der goldene Handschuh“ vor ekelerregenden Szenen nur so strotzt. Wunderbar, weil es offensichtlich viele Menschen gibt, die diesen literarischen Realismus zu schätzen wissen. Nein, dies ist definitiv keine Weichspülerliteratur. Dies ist auch kein Wellnessroman. Überlegen Sie es sich gut, ob Sie dieses herausragende Werk wirklich im nächsten Urlaub lesen wollen. Erholung bietet diese Lektüre nicht, aber Erhellung. Es ist ein Werk der Aufklärung.

Denn Strunk, dessen Roman für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, nimmt den Leser nicht nur bei der Hand, nein, er reißt ihn mitten hinein in die Abgründe der finstersten Spelunken des St. Pauli der 70er-Jahre. Genau in die Welt, in der ein armes Schwein wie Fritz Honka zu einem der schrecklichsten Frauenmörder Deutschlands werden konnte. Und Strunk gelingt es auf vollendete Weise, uns dieses Milieu anschaulich zu machen: Physischen und psychischen Verfall, bestialischen Gestank, Körperflüssigkeiten und Gewalt beschreibt er so detailliert, dass es unmöglich ist, sich der Faszination des Schrecklichen zu entziehen.

„Er wünschte, einen Monat … durchzuschlafen und als anderer Mensch aufzuwachen.“

Die eigentlichen Morde spielen in der Handlung eine untergeordnete Rolle. Vielmehr bezieht Strunk seine Spannung aus der Beschreibung des Lebens des zukünftigen Serienmörders Honka, also seines Wegs, der ihn ab einem bestimmten point of no return unweigerlich ins Verbrechen führt: Wie er in der Titel gebenden Stammkneipe „Der goldene Handschuh“ härtesten Alkohol säuft und dort obdachlose Frauen aufgabelt, die längst jede Menschenwürde verloren haben. Wie er diese Frauen zu sich nach Hause nimmt, sie einsperrt und misshandelt. Wie er mit Würsten und Kochlöffeln in ihren Geschlechtsorganen umherfuhrwerkt, wie er sie hungern lässt, wie er mit ihnen säuft, streitet und leidet. Wie er ihnen aber auch immer wieder mit irrer, unbeholfener Zärtlichkeit begegnet.

„Sie trinken. Sie trinken. Vernichtungstrinken“, heißt es an einer Stelle des Romans. Der Alkohol spielt in diesem Drama die traurige Rolle des Schmierstoffs. Er führt die Protagonisten zusammen – Honka spendiert den völlig mittel-, oftmals sogar zahnlosen Frauen den Suchtstoff; der Alkohol betäubt Honka, er betäubt die Opfer und am Ende bereitet er allen die Hölle auf Erden.

„Ich fühl mich so, als hädde ich Säure im Hirn, Flammen anne Eier und Kacke im Mund.“

Strunk erzählt dies alles so glaubwürdig, dass einem beim Lesen die Haare zu Berge stehen. Besonders drastisch sind seine Beschreibungen der Gewaltphantasien Honkas, die – wie vermutlich viele andere Details in diesem hyperrealistischen Werk – von den Originalakten zum Honka-Kriminalfall inspiriert sind: „Im Handschuh prostet ihm eine halbtote Oma zu. So eine verdammte Tripperschickse, die hat bestimmt schon tausendundeinen Mann angesteckt. Die muss weg, ist auch besser für die selber, eine Erlösung wäre das. Er stellt sich vor, sie zu würgen, bis sie tot ist. Wie er dann den Körper ausweidet, das Fleisch von den Knochen trennt und der Leiche den Kopf abschneidet.“

„Hoffnung ist ein Seil, auf dem Narren tanzen“, sagt Soldaten-Norbert

Das Brillante an Strunks Roman ist, dass er sich nicht darauf beschränkt, den Leser mit der Beschreibung des Grauens zu unterhalten. Nein, sein Roman geht weiter: Er ermöglicht es, die Entwicklung eines Menschen, der von Anfang an keine Chance im Leben hat, nachzuvollziehen. Ihm gelingt es, anschaulich zu machen wie es möglich ist, dass sich ein Mensch in ein Monster verwandelt. Und damit erfüllt dieses Buch eine höchst humane Funktion: Durch seine Existenz allein ruft es uns alle dazu auf, zu verhindern, dass Menschen in Situationen geraten, die sie auf diesen Weg des Schreckens schicken und am Ende zu Mördern machen.

Denn auch das vermeintliche Monster Fritz „Fiete“ Honka verfügt, zumindest augenblicksweise, über menschliche Gefühle. Zum Beispiel, als er sich fragt: „In Gottes Namen, wie kann das sein, was ist das für ein kleiner, hässlicher Gott, der so etwas zulässt.“ Doch als Fiete dies denkt, ist leider bereits alles zu spät.

ISBN 978-3-498-06436-5

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<a href="https://buchszene.de/redakteur/bernhard-berkmann/" target="_self">Bernhard Berkmann</a>

Bernhard Berkmann

Geboren 1982, studierte Bernhard Berkmann Kommunikationswissenschaften, Psychologie und Romanistik. Als Autor interessiert er sich vor allem für Kriminalromane und Wirtschaftsthemen. Bernhard Berkmann pendelt zwischen Berlin und dem schwedischen Båstad. In seiner Freizeit geht er gerne schwimmen.

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